Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.492,49
    +15,40 (+0,08%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.083,42
    +1,68 (+0,03%)
     
  • Dow Jones 30

    39.807,37
    +47,29 (+0,12%)
     
  • Gold

    2.254,80
    +16,40 (+0,73%)
     
  • EUR/USD

    1,0778
    -0,0015 (-0,14%)
     
  • Bitcoin EUR

    65.194,07
    +565,17 (+0,87%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Öl (Brent)

    83,11
    -0,06 (-0,07%)
     
  • MDAX

    27.043,04
    -48,91 (-0,18%)
     
  • TecDAX

    3.454,38
    -2,98 (-0,09%)
     
  • SDAX

    14.294,62
    -115,51 (-0,80%)
     
  • Nikkei 225

    40.422,58
    +254,51 (+0,63%)
     
  • FTSE 100

    7.952,62
    +20,64 (+0,26%)
     
  • CAC 40

    8.205,81
    +1,00 (+0,01%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.379,46
    -20,06 (-0,12%)
     

Bundesgericht entscheidet über ersten Vergleich

Dieser Dienstag könnte für den Volkswagen-Konzern ein extrem wichtiger Tag in der Unternehmensgeschichte werden. Ein US-Bundesgericht in San Francisco verhandelt erneut über einen im Sommer ausgehandelten Vergleichsvorschlag für US-Autofahrer, die ein Dieselfahrzeug mit manipulierter Abgaskontrolle gekauft hatten. An diesem Vergleichsverfahren waren auch Umweltbehörden und das US-Justizministerium beteiligt.

Für den heutigen Dienstag hat US-Richter Charles Breyer die finale Schlussanhörung in diesem monatelangen Vergleichsprozess angesetzt. Es liegt in der Entscheidungsmacht des Richters, das Verfahren zu beenden und rechtskräftig werden zu lassen. Für wäre es extrem wichtig, ein erstes wirklich abgeschlossenes Verfahren in den in der Dieselaffäre vorzeigen zu können.

Es wäre ein Meilenstein für den Wolfsburger Konzern, weil sich die rechtlichen Auseinandersetzungen vor allem auf die Vereinigten Staaten konzentrieren. Die US-Gerichte sind besonders gefürchtet, in Europa halten sich die rechtlichen Konsequenzen bisher in Grenzen.

Die Aussichten sind gut, dass Volkswagen zumindest in diesem Verfahren einen Abschluss erreichen kann. Schon Ende Juni, als die Details dieses Vergleichs bekannt wurden, hatte sich Richter Breyer für ein zügiges Ende ausgesprochen. Er bezeichnete den gefundenen Kompromiss damals als „fair, angemessen und vernünftig“.

WERBUNG

Im Detail geht es um eine Entschädigung für knapp 500.000 betroffene Autofahrer in den USA. Volkswagen stellt zehn Milliarden US-Dollar für geschädigte Kunden bereit. Außerdem haben sich die Wolfsburger dazu bereiterklärt, weitere knapp fünf Milliarden Dollar für Umweltprojekte und für den Aufbau eines Netzes mit Elektro-Ladestationen aufzubauen.

US-Richter Breyer will sich am Dienstag (Start um 17 Uhr deutscher Zeit) vor seiner Entscheidung noch einmal von den beteiligten Parteien über den aktuellen Stand des Vergleichsverfahrens informieren lassen. Prozessbeobachter rechnen damit, dass allein diese Anhörung mehrere Stunden dauern wird. Rechtsanwälte geschädigter Autofahrer können noch einmal ihre letzten Beschwerdepunkte vortragen. Jedem einzelnen Kläger werden dafür zwei Minuten eingeräumt.

Die Anhörung dürfte erst am Abend beendet sein. Richter Breyer könnte dann tatsächlich die Rechtskraft des Vergleichsverfahrens beschließen und diesen Streitfall für Volkswagen beenden. Breyer könnte diesen Beschluss aber auch noch einmal hinauszögern. In solchen US-Verfahren ist es durchaus üblich, dass ein Richter mit der finalen Entscheidung einige Wochen wartet. Prozessbeobachter in Kalifornien halten es für möglich, dass Richter Breyer den entscheidenden Beschluss dann erst Ende Oktober verkündet. Wegen seiner positiven Äußerungen aus dem Juni gilt es jedoch als wahrscheinlich, dass er das Vergleichsverfahren tatsächlich am Ende freigeben wird.


Weitere Verfahren drohen in den USA

Für VW sind die rechtlichen Auseinandersetzungen in den damit aber noch lange nicht beendet. Denn das aktuelle Verfahren schließt nur die Dieselmodelle aus dem mit kleinerem Zwei-Liter-Motor ein. Ausgeklammert von dieser Regelung sind weitere etwa 85.000 Autos mit größerem Drei-Liter-Motor.

Die VW-Tochter Audi, die diesen Motor entwickelt hat, ringt weiterhin mit den US-Behörden um eine Lösung. Bis zur nächsten Anhörung am 3. November verlangt Richter Breyer konkrete Vorschläge, wie diese laut US-Regulierern ebenfalls mit illegaler Software ausgerüsteten Autos in einen gesetzeskonformen Zustand versetzt werden können.

Daran arbeiten die -Ingenieure schon seit Monaten – bislang vergeblich. Sollte eine technische Umrüstung nicht möglich sein, könnte VW gezwungen sein, Kunden wie bereits bei den Zwei-Liter-Modellen einen Rückkauf anzubieten. Da es sich bei den größeren Fahrzeugen meist um Luxusmodelle der Tochtermarken Audi und Porsche handelt, dürfte das noch einmal richtig teuer werden und weitere Milliarden Dollar kosten.

Bei der Entschädigung für die Autofahrer geht es um zivilrechtliche Ansprüche. Noch lange nicht beendet sind die strafrechtlichen Ermittlungen in den USA. Sie gelten als weiterer Brandherd für Volkswagen. Das US-Justizministerium prüft bereits, welches Strafmaß man dem Konzern wegen krimineller Vergehen zumuten könnte. Volkswagen muss mit einer weiteren Milliardenbelastung rechnen. Insgesamt hat das Wolfsburger Unternehmen bislang knapp 18 Milliarden Euro zur Beilegung der Dieselaffäre zurückgestellt.

Geld sparen könnte VW, wenn der Konzern nicht alle Autos in den USA zurückkaufen müsste. Deshalb arbeiten die Wolfsburger an einem Umrüstplan, mit dem die manipulierten Autos die strengen US-Abgasnormen künftig einhalten könnten. Solch eine Umrüstung wäre deutlich günstiger als ein Rückkauf. Doch bislang haben die US-Behörden keinen der von VW vorgelegten Umrüstpläne genehmigt.

Immer wieder hatte der VW-Konzern in den vergangenen Monaten versucht, die Umweltbehörden in den USA für eine Reparatur der Autos mit seinen Vorschlägen zu überzeugen. Immer ohne Erfolg. Im November vergangenen Jahres reichte der Wolfsburger Autobauer seinen ersten Rückrufplan für die knapp 500.000 Diesel mit Zwei-Liter-Motoren bei der kalifornischen Umweltbehörde Carb ein. Carb-Chefin Mary Nichols hatte bereits kurz darauf im Gespräch mit dem Handelsblatt angedeutet, dass ein Teil der Autos wohl nicht repariert werden könne.

Als VW-Chef Matthias Müller im Januar auf der Automesse in Detroit auftrat, verbreitete er neue Zuversicht. Ein Katalysator sollte die Probleme richten. Doch der überzeugte die Aufseher wieder nicht.

KONTEXT

Dieselgate wird für VW immer teurer

Teure Folgen

Für Volkswagen sind die finanziellen Risiken durch die Abgasaffäre immer noch schwer zu kalkulieren. Zwar hat der Konzern nach dem 15-Milliarden-Dollar-Vergleich in den USA mehr Klarheit darüber, was ihn der Skandal um manipulierte Dieselautos dort kosten wird. Zugleich nimmt der Druck auf die Wolfsburger in Europa zu, die Kunden auch hier zu entschädigen. Europas größtem Autokonzern drohen weitere Kosten für Rückrufe, Aktionärsklagen und Strafen, die sich auf weit mehr als zehn Milliarden Euro auftürmen könnten. Analysten schätzen, dass die Aufarbeitung des Skandals den Konzern am Ende insgesamt zwischen 20 und 35 Milliarden Euro kosten wird, sogar von bis zu 50 Milliarden ist vereinzelt die Rede. Es folgt eine Übersicht der absehbaren Kosten.

Der US-Vergleich

Die Einigung mit Hunderten Sammelklägern, Behörden und US-Bundesstaaten kostet Volkswagen bis zu 15,3 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 13,6 Milliarden Euro). Der größte Teil entfällt auf den Rückkauf von 475.000 manipulierten Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren, für den gut zehn Milliarden Dollar reserviert sind. Die tatsächlichen Kosten hängen davon ab, wie viele Dieselbesitzer ihre Wagen zurückgeben und ob die US-Behörden eine Umrüstung genehmigen.

Entschädigung für US-Händler

Seinen rund 650 US-Händlern will VW Insidern zufolge mindestens 1,2 Milliarden Dollar Entschädigung zahlen, weil sie seit fast einem Jahr keine Dieselautos mehr verkaufen durften. Eine Grundsatzvereinbarung ist getroffen, für eine endgültige Einigung gab ein Gericht den Parteien bis Ende September Zeit.

Weitere Strafen und Klagen in den USA

Mit dem US-Justizministerium laufen derzeit Verhandlungen über eine Strafzahlung wegen der Abgasmanipulation. Das "Wall Street Journal" berichtete unlängst, dem deutschen Autobauer könne eine Strafe von mehr als 1,2 Milliarden Dollar aufgebrummt werden. Analysten rechnen mit einer Summe zwischen einer und drei Milliarden Euro. Einige US-Bundesstaaten wollen zudem zivilrechtlich versuchen, einen höheren Schadensersatz durchzusetzen, weil sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar.

Lösung für Drei-Liter-Autos lässt auf sich warten

Keine Einigung gibt es weiterhin für die rund 85.000 größeren Fahrzeuge mit Drei-Liter-Dieselmotor. VW zeigt sich zuversichtlich, dass eine Reparatur gelingen kann. Bis Ende Oktober hat das Gericht in San Francisco Volkswagen Zeit gegeben, um Lösungsvorschläge einzureichen. Für den 3. November setzte Richter Charles Breyer eine weitere Anhörung an. Sollte Volkswagen gezwungen werden, auch diese teureren Wagen zurückzukaufen, würde das weitere Milliarden verschlingen. Analysten schätzten die Kosten auf bis zu 2,5 Milliarden Euro.

Rückrufe in Europa

Ein großer Brocken ist auch die Umrüstung der rund 8,5 Millionen Dieselautos in Europa. Schätzungen reichen von gut einer bis drei Milliarden Euro, die das kosten dürfte. Der Autoanalyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI rechnet zudem damit, dass sich schrumpfende Marktanteile von Volkswagen und geringere Preise im Ergebnis bemerkbar machen werden.

Entschädigung auch in Europa?

Bundesweit klagen Autobesitzer vor mehreren Gerichten wegen überhöhter Stickoxidwerte auf Rückabwicklung des Kaufs oder Schadensersatz. Allein vor dem Landgericht Braunschweig sind rund 70 solcher Klagen anhängig. Eine Entschädigung der Kunden in Europa lehnt VW nach wie vor ab, obwohl sich Forderungen nach einem ähnlichen Vergleich wie in den USA mehren. Sollten diese dennoch fällig werden, könnte das Volkswagen finanziell das Genick brechen, fürchten Experten. Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von einem Wertverlust in einer Größenordnung von 500 Euro je Fahrzeug aus. "Es ist schwierig zu sagen, ob VW am Ende doch einen symbolischen Betrag zahlen wird." Branchenexperte Ellinghorst hält es für wahrscheinlich, dass die Kunden in Europa kein Geld sehen werden.

Ärger rund um den Globus

Weltweit droht Volkswagen in mehreren Ländern Ungemach. "Wir haben die ganze Welt am Hals", sagte Konzernchef Matthias Müller unlängst. Südkorea, zweitgrößter Markt für Dieselfahrzeuge in Asien, zog die Zulassungen für VW- und Audi-Modelle zurück und verhängte eine Strafe von 14,3 Millionen Euro. In Australien fordern Besitzer von VW-Dieseln Entschädigung von umgerechnet 6700 Euro pro Fahrzeug, die Verbraucherschutzbehörde klagt ebenfalls gegen VW. In Italien brummte die Wettbewerbsbehörde VW eine Strafe von bis zu fünf Millionen Euro auf, in Großbritannien forderte der Umweltausschuss vom Parlament eine härtere Gangart gegen VW. Auch in Kanada ringt der Konzern noch um die Beilegung des Abgasskandals. Würde das US-Entschädigungsmodell auf den nördlichen Nachbarn übertragen, müsste der Konzern womöglich mit einer weiteren Belastung in Milliardenhöhe rechnen.

Aktionärsklagen

Weltweit sieht sich Volkswagen zudem mit milliardenschweren Schadensersatzklagen von Investoren und Kleinaktionären konfrontiert. Die Inhaber von Aktien und Anleihen werfen Volkswagen vor, zu spät über das Ausmaß des Abgasskandals informiert zu haben und wollen einen Ausgleich für Kursverluste durchsetzen. Zu den Klägern gehören große US-Pensionsfonds, der Norwegische Staatsfonds, aber auch der Versicherungskonzern Allianz und die Dekabank. Das Land Bayern hat ebenfalls angekündigt, wegen Kursverlusten seines Pensionsfonds für die Landesbeschäftigten vor Gericht zu ziehen. Hessen und Baden-Württemberg prüfen einen solchen Schritt. Beim Landgericht Braunschweig liegen 290 Schadensersatzklagen mit Forderungen von zusammen rund vier Milliarden Euro.

Die Krise als Einnahmequelle für Anwälte

Die Scharen an Anwälten, die Volkswagen weltweit wegen des Dieselskandals beschäftigt, verschlingen ebenfalls Geld. Der Autoexperte Pieper geht von bis zu einer Milliarde Euro aus, sein Kollege Ellinghorst schätzt die Anwaltskosten auf mehrere hundert Millionen.

Quelle: Reuters