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Bund steigt mit 300 Millionen Euro bei Impfstoffentwickler Curevac ein

Das Tübinger Biotechunternehmen Curevac forscht an einem Impfstoff gegen das Coronavirus und strebt einen Börsengang an. Der Bund will sich Anteile an der Forschung sichern.

Das Tübinger Unternehmen will einen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickeln. Foto: dpa
Das Tübinger Unternehmen will einen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickeln. Foto: dpa

Im Rennen um einen Corona-Impfstoff steigt der Bund bei der Biotechfirma Curevac ein. In einem Statement am Mittag erklärten Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Curevac-Hauptinvestor Dietmar Hopp die Pläne des Bundes. Demnach beteiligt sich der Bund über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit 300 Millionen Euro, womit er rund 23 Prozent an dem Biotechunternehmen halten würde.

Auf Basis der Konditionen, mit denen der Bund bei Curevac einsteigt, errechnet sich eine Bewertung des Biotechunternehmens von künftig rund 1,3 Milliarden Euro. Eine derart große Einzelbeteiligung des Staates an einem Biotechunternehmen hat es in Deutschland bisher noch nicht gegeben. Auch im Ausland sind solche direkten staatlichen Engagements in der Branche völlig ungewöhnlich.

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Altmaier hob die „hohe industriepolitische Bedeutung“ der Beteiligung des Bundes hervor. „Damit wollen wir Curevac finanzielle Sicherheit bieten, um weiter an Impfstoffen arbeiten zu können“, sagte er in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Der Bund wolle dabei keinerlei Einfluss auf das Unternehmen ausüben und sehe sich nicht etwa als der bessere Unternehmer. Ziel sei es aber, innovativen Unternehmen eine Chance zu geben, sich am Standort Deutschland weiter zu entwickeln.

Mit dem Schritt werde zugleich ein erster Baustein des Konjunkturpakets umgesetzt, das die Bundesregierung am 3. Juni beschlossen hatte. In dem Paket hat die Bundesregierung das Ziel definiert, bei der Herstellung von pharmazeutischen Wirkstoffen und deren Vorprodukten sowie in der Impfstoffproduktion mehr Unabhängigkeit anzustreben. „Mit dieser Investition tun wir einen ersten Schritt in diese Richtung“, sagte Altmaier am Montag.

Biotechinvestor Dietmar Hopp, der bisherige Hauptfinancier und Mehrheitseigner von Curevac, zeigte unterdessen seine Genugtuung über den ungewohnten politischen Rückenwind für die Biotechbranche. „Die Coronakrise hat die hohe Bedeutung der Biotechnologie sichtbar gemacht. Wir freuen uns, dass das auch von staatlicher Seite erkannt wird“, sagte Hopp.

Der SAP-Gründer hält über seine Biotechholding Dievini bislang etwa 80 Prozent des Kapitals von Curevac. Sein Anteil wird sich durch den Einstig der KfW nun auf etwas mehr als 60 Prozent verringern.

Befürchtungen vor wachsendem ausländischem Einfluss

Hintergrund für das Biotech-Engagement des Bundes sind offenbar auch Befürchtungen vor wachsendem ausländischem Einfluss auf die Branche. Wie aus aus einem Schreiben hervorgeht, in dem das Bundesfinanzministerium den Bundestags-Haushaltsausschuss über die geplante Bundesbeteiligung an dem Unternehmen informiert, will das Tübinger Unternehmen demnächst in den USA an die Börse gehen.

Curevac habe einen großen Kapitalbedarf „und beabsichtigt einen Börsengang an die Nasdaq in New York im Juli 2020“, heißt es in dem Schreiben, über das zunächst die „Welt“ berichtet hatte. „Der beabsichtigte Erwerb einer Bundesbeteiligung an Curevac soll sicherstellen, dass das Unternehmen nicht durch einen ausländischen Investor übernommen wird und ins Ausland abwandert.“

Altmaier betonte am Montag: Die Bundesregierung wolle, dass sich „Unternehmen mit Hochtechnologie am Standort Europa entwickeln.“ Curevac sei ein solches Unternehmen. Das Tübinger Unternehmen forscht unter anderem an einem Impfstoff gegen das Coronavirus.

Zuletzt hatte es Berichte gegeben, dass die US-Regierung Interesse an einer Übernahme von Curevac angemeldet haben soll. Altmaier betonte, dass er schon damals deutlich gemacht habe: „Germany is not for sale. Wir verkaufen unser Tafelsilber nicht.“ Hopp bekräftigte, dass ein Verkauf der Firma in die USA für ihn nicht infrage komme.

Curevac werde das Geld vom Bund in den Ausbau des Unternehmens und der Technologieplattform investieren, sagte der amtierende Firmenchef Franz-Werner Haas. Für das Tübinger Unternehmen bedeutet der Einstieg des Bundes einen beträchtlichen Kapitalzufluss. Bis Ende 2018 waren rund 360 Millionen Euro Eigenmittel in die Firma geflossen Dem standen aufgelaufene Verluste von 253 Millionen Euro gegenüber.

Curevac setzt bei seinen Forschungsarbeiten – wie auch der US-Biotechkonzern Moderna und die Mainzer Biotechfirma Biontech – auf Impfstoffe auf Basis der sogenannten Boten-RNA (mRNA). Sie soll den menschlichen Zellen die Information zur Produktion von Proteinen und damit zur Bekämpfung der Krankheitserreger vermitteln. Bei der Verteilung des Impfstoffs seien keine Kühlketten notwendig.

Positive präklinische Ergebnisse

Curevac gehört zu den Unternehmen, die sich im Wettlauf um die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs befinden. Die Biotechfirma hatte Mitte Mai positive präklinische Ergebnisse zu ihrem Projekt veröffentlicht.

Sein Impfstoffkandidat zeichnet sich dadurch aus, dass er im Tierversuch bei relativ niedriger Dosierung eine sehr starke Immunreaktion auslöste. Wie ein Sprecher des Unternehmens am Montag bekräftigte, ist weiterhin geplant, dass noch im Juni die ersten klinischen Studien mit dem Impfstoffkandidaten anlaufen sollen.

Das im Jahr 2000 gegründete Unternehmen gehört zu den Pionieren auf dem Gebiet der mRNA-Forschung. Was die klinische Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen angeht, wurde Curevac in den letzten Jahren allerdings von der US-Firma Moderna und dem Mainzer Biotechunternehmen Biontech überrundet.

Sie haben inzwischen bereits eine größere Zahl an Produkten in die klinischen Prüfungen gebracht und verfügen auch in der Entwicklung von Corona-Impfstoffen über einen Vorsprung. Branchenkenner fragen sich vor dem Hintergrund, warum sich die Bundesregierung ausgerechnet bei Curevac nun so stark engagiert.

Biontech und dessen US-Partner Pfizer erhielten bereits im April als erste Unternehmen in Deutschland grünes Licht für eine klinische Studie eines Corona-Impfstoffs. Moderna startete erste Tests mit einem mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 im März und will bereits im Juli eine große zulassungsrelevante Phase-III-Studie starten.

Auch in der Bewertung liegen die beiden Konkurrenten weit vorn. Die seit November an der US-Technologiebörse Nasdaq gelistete Biontech wird derzeit mit etwa zehn Milliarden Euro bewertet, Moderna mit umgerechnet gut 20 Milliarden Euro.

Biontech wurde zunächst maßgeblich von Pharmaunternehmern Andreas und Thomas Strüngmann finanziert, die noch rund 50 Prozent des Kapitals halten. Anders als Hopp bei Curevac suchten sie in den letzten Jahren aber gezielt auch die Unterstützung durch namhafte US-Investoren und brachten Biontech in den USA an die Börse. Ein Listing in Deutschland galt mangels Investoreninteresse hierzulande als aussichtslos.

Fundamentalkritik an der deutschen Steuergesetzgebung

Unter anderem die steuerlichen Rahmenbedingungen für Biotech-Investments und das mangelnde Interesse institutioneller Investoren werden von Branchenvertretern seit Langem kritisiert. Auch Hopp nutzte die Pressekonferenz mit Altmaier am Montag für eine Fundamentalkritik der deutschen Steuergesetzgebung.

Diese sei „investitionsfeindlich“, da nur 60 Prozent der Investitionen abgeschrieben werden könnten. Für Menschen in seinem Alter lohne es sich eigentlich nicht mehr zu investieren, da mit dem Tod Verlustvorträge entfielen. „Dies alles schreckt viele Investoren ab und dürfte auch der Grund sein, warum ausländische Investoren höchst selten in deutsche Biotechunternehmen investieren“, klagte Hopp. Es sei daher „ein kleines Wunder“, dass es in Deutschland erfolgreiche Biotechfirmen gebe. Er wolle „der Politik ausdrücklich dazu raten, eine mutige, dramatisch verbesserte steuerliche Behandlung von solchen Risikoinvestitionen anzugehen“.

Mit dem Engagement bei Curevac signalisiert die Bundesregierung nun, dass sie der Biotechbranche größere strategische Bedeutung beimisst. Altmaier rechnet nicht damit, dass der Einstieg des Bundes in Brüssel auf Widerstand stößt.

Der Minister verwies auf den Fall des Netzbetreibers 50Hertz. Die KfW hatte vor zwei Jahren einen Anteil an 50Hertz in Höhe von 20 Prozent übernommen, um den Erwerb des Anteils durch einen chinesischen Investor zu verhindern. Auch dieser Vorgang sei beihilferechtlich nicht relevant gewesen.

Weltweiter Run auf Corona-Impfstoffe

Hintergrund für den Einstieg bei Curevac ist der weltweite Run auf Corona-Impfstoffe, an dem sich zahlreiche Regierungen mit hohen Summen beteiligen. Am Wochenende hatten Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande bereits eine Vereinbarung mit dem Pharmakonzern Astra-Zeneca bekanntgegeben, mit der sich die EU-Staaten bis zu 400 Millionen Dosen eines in der Entwicklung befindlichen Corona-Impfstoffs sichern.

Insgesamt befinden sich nach Angaben der WHO inzwischen 136 Impfstoffprojekte gegen Covid-19 in Entwicklung. Zehn Produkte werden dabei klinisch getestet. Neben den Produkten von Moderna und Biontech zählen dazu unter anderem auch der von der Oxford University in Kooperation mit dem britischen Pharmariesen Astra-Zeneca entwickelte Impfstoff, Produkte der US-Biotechfirmen Innovia und Innovax sowie fünf chinesische Projekte.

Ob und wie gut die verschiedenen Impfstoffkandidaten wirken, ist dabei bisher noch völlig unklar. Für die laufenden klinischen Tests liegen bisher noch kaum Daten vor. Die einzige etwas umfangreichere Publikation stammt von der chinesischen Cansino Biologics und zeigte eher durchwachsene Resultate aus einer Phase-I-Studie mit einem Impfstoff auf Basis modifizierter Viren. Biontech und Pfizer wollen Ende Juni oder Anfang Juli Daten aus ihrer ersten Versuchsreihe publizieren.

Ungeachtet aller Unsicherheiten bereiten sich die Entwickler von Covid-19-Impfstoffen bereits mit hohen Investitionen auf die Massenproduktion vor. Ziel ist es, im kommenden Jahr Kapazitäten für die Produktion von Hunderten von Millionen oder sogar mehr als eine Milliarde Dosen zur Verfügung zu haben.

Biontech und Pfizer wollen dazu bestehende Anlagen des US-Konzerns nutzen. Moderna hat sich mit dem Schweizer Auftragsfertiger Lonza verbündet. Der US-Konzern Johnson & Johnson will mehr als eine Milliarde Dollar in den Aufbau der Produktion investieren.

Curevac hat bisher noch keine industriellen Partner für sein Impfstoffprojekt gewonnen, hat aber bereits von der EU einen Kredit von 80 Millionen Euro für die Entwicklung und Produktion eines Corona-Impfstoffs erhalten. Das 300 Millionen Euro schwere Engagement des Bundes gibt dem Tübinger Unternehmen nun zusätzlichen Spielraum.