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Warum das Brokerhaus Mainfirst mit Satelliten VWs ID.3 hinterherspürt

Gegen diese findige Art der Überwachung kann sich Volkswagen nicht wehren: Aus dem All erhebt ein Börsenspezialist eigene Daten zu neuen Modellen.

Die Analysten des Frankfurter Brokerhauses Mainfirst greifen zu ungewöhnlichen Mitteln, um die Auslieferungen von Neuwagen zu überprüfen: Sie setzen Satellitenaufnahmen ein. Die Börsenspezialisten haben dieses neue Verfahren zum ersten Mal beim Elektroauto ID.3 von Volkswagen angewandt.

Satellitenkameras fotografieren das VW-Werk in Zwickau, wo das neue Fahrzeug produziert wird. Im Visier der Analysten sind auch Parkplätze, wo Volkswagen die Autos zwischenlagert.

„Satellitenaufnahmen sind für uns ein ideales Werkzeug“, sagt Daniel Schwarz, Automobilanalyst bei Mainfirst. Pkw oder Lastwagen seien groß genug, um sie auf den Bildern schnell und einfach zu identifizieren. Analysten könnten damit etwa die Lagerhaltung bei einem einzelnen Modell wie dem ID.3 überwachen. Das wiederum lasse Rückschlüsse auf Preisbildung und Nachfragesituation zu.

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Denn Details zum aktuellen Stand, etwa bei der Auslieferung, kommen meist vom Autohersteller selbst. Die Börsenspezialisten verfügen nur über begrenzte Möglichkeiten, sich eigenständig zu informieren. Mainfirst hat nun mit den Satellitenaufnahmen einen Weg gefunden, um Angaben wie die von Volkswagen überprüfen zu können.

Denn mit Blick auf den ID.3 gibt es momentan viele Fragen: Kommt VWs Elektroauto-Hoffnungsträger rechtzeitig oder fällt der gesamte Zeitplan in sich zusammen? Über Monate ging es beim Wolfsburger Autobauer hin und her, ob das Modell als erstes echtes Elektroauto wie geplant im Sommer an Kunden ausgeliefert werden kann. Hauptsächlich Softwareprobleme waren dafür verantwortlich, dass die ersten Kunden erst im September statt im Juni ihren Neuwagen in Empfang nehmen konnten. Immerhin: Kalendarisch war es da noch Sommer.

Mit dem Wagen nimmt das Elektrozeitalter bei Volkswagen seinen Anfang, eine Zäsur im Konzern. Es sollen Dutzende weitere Modelle folgen, angefangen mit dem SUV ID.4. In wenigen Jahren will der Wolfsburger Konzern zum Weltmarktführer bei Elektroautos aufsteigen.

Erst Parkplätze, dann womöglich Häfen

Wegen der anhaltenden Verzögerungen mit der Software kam bei Volkswagens Elektropionier ein besonderer Punkt dazu. Die Wolfsburger produzierten das Modell in ihrem sächsischen Werk schon das ganze Jahr – aber über etliche Monate erst einmal ohne die wichtige Software. Die halbfertigen Autos mussten zwischengeparkt werden, sie landeten beim Zwickauer VW-Werk und am nahegelegenen Regionalflughafen im thüringischen Altenburg.

Die Satellitenkameras von Mainfirst wurden dann speziell auf das Zwickauer VW-Werk und den Flughafen Altenburg ausgerichtet. Die Analyse der Satellitenaufnahmen hat ergeben, dass in Zwickau schon im März mehr als 1500 halbfertige ID.3 abgestellt waren. Altenburg erlebte seinen Höhepunkt später im August, als auf dem Flughafen etwa 900 Exemplare abgestellt waren.

Inzwischen funktionierte die Software, endlich konnten die Wagen verkauft werden. Entsprechend gingen die Bestände auf den Parkplätzen zurück. „Unsere Daten zeigen, dass die Auslieferungen an die Kunden deutlich zulegen“, erläutert Mainfirst-Analyst Schwarz. Deshalb sollte es bei den Straßenverkehrsämtern auf absehbare Zeit auch mehr ID.3-Zulassungen geben, aus denen sich die offiziellen monatlichen Statistiken speisen. Der wichtige Punkt dabei: Mainfirst hat die Daten selbst erhoben und war nicht auf VW-Informationen angewiesen.

Das Unternehmen will sich künftig bei der Satellitenüberwachung nicht nur auf große Parkplätze beschränken. Grundsätzlich kommen alle geografischen Landmarken infrage, wo Fahrzeuge in größerer Zahl umgeschlagen werden. Das können Häfen oder große Rangierbahnhöfe sein. Bei Volkswagen etwa ist der Hafen von Emden für den Überseeexport besonders bedeutend. Die Frankfurter Analysten können es sich überdies vorstellen, den Satelliten-Check auch auf andere Branchen zu übertragen.

Mainfirst ist bei der Satellitenüberwachung auf technische Unterstützung angewiesen. Das Brokerhaus arbeitet dabei mit dem Start-up LiveEO zusammen. Das Unternehmen aus Berlin-Kreuzberg hat sich auf die Überwachung großer Infrastrukturanlagen aus dem All konzentriert. Dazu gehören etwa Stromtrassen und das Schienennetz der Bahn.

VW will sich nicht wehren – kann es auch nicht

LiveEO hilft den Mainfirst-Analysten nicht nur bei der Bereitstellung der Aufnahmen. Entscheidender sind Auswertung und Analyse der Daten, die ebenfalls aus Berlin kommen. Das Satellitennetz im All ist inzwischen so dicht geworden, dass ein Autowerk wie von Volkswagen in Echtzeit rund um die Uhr überwacht werden könnte. Wie viele andere digitale Dienste sind auch die Kosten für die Satellitenkontrolle deutlich gefallen. Deshalb lohnt sich der Einsatz auch für ein vergleichsweise kleineres Brokerhaus wie Mainfirst.

Volkswagen kann sich gegen diese neue Art der Kontrolle kaum wehren. Die Satelliten sind im All unterwegs, fernab jeder deutschen Gerichtsbarkeit. Der Konzern glaubt dabei nicht, dass die Satelliten viele vertrauliche Informationen einsammeln können. Dass große Parkplätze für den ID.3 in Zwickau und in Altenburg reserviert worden waren, sei allgemein bekannt gewesen, so ein Unternehmenssprecher.

Der VW-Konzern sehe jedenfalls keine Notwendigkeit, zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen einzuführen. „Es gibt keinerlei Überlegungen, Außenstellplätze gegen Hallen, Hangare oder andere überdachte Stellplätze zu tauschen“, sagte der Sprecher.

Dass Volkswagen die Ausspähung aus der Luft allerdings überhaupt nicht gefällt, zeigt der Umgang mit Drohnen. Die Drohnenverordnung legt in Deutschland fest, dass Industrieanlagen mit Drohnen nicht überflogen werden dürfen. Der VW-Konzern sorgt auch dafür, dass es nicht dazu kommt. „Zuwiderhandlungen bringt Volkswagen bei der Polizei zur Anzeige“, so der Sprecher. Vor zwei Jahren hat der Konzern in Wolfsburg zusätzlich ein mobiles Radarsystem angeschafft, das Drohnen aufspüren und Werksspionage verhindern kann.