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Verkehrskollaps am Ärmelkanal: Logistiker kämpfen um Aufrechterhaltung des Warenstroms

Die Abriegelung der Insel sorgt für Verunsicherung, Lagerbestände für den Brexit federn das jedoch ab. Verlierer sind die Aktien der Luftfahrtgrößen.

Der Hafen wurde nach der Ankündigung der französischen Regierung, in den nächsten 48 Stunden keine Passagiere aus Großbritannien zu akzeptieren, geschlossen. Foto: dpa
Der Hafen wurde nach der Ankündigung der französischen Regierung, in den nächsten 48 Stunden keine Passagiere aus Großbritannien zu akzeptieren, geschlossen. Foto: dpa

Lastwagen parken in langen Schlangen auf dem Standstreifen der Autobahn zwischen London und Dover. Der kleine Regionalflughafen Manston, unweit der Hafenstadt gelegen und seit 2014 außer Betrieb, wird zum Parkplatz für Lkws. Es ist ein Szenario, das erst für den Notfall eines Brexits ohne Abkommen entwickelt worden war. Es wird schon jetzt gebraucht.

Die wegen der neuen Virusmutation kurzfristig verhängten Beschränkungen im Verkehr mit Großbritannien sorgen im Transportwesen für Verunsicherung und teils Chaos. „Die Versorgung auf dem Festland ist gesichert, da muss sich keiner Sorgen machen“, heißt es beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). Es gehe vor allem um den Verkehr in Richtung Insel.

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Die neue Entwicklung trifft auf ein ohnehin schon sehr hohes Transportaufkommen wegen der Vorbereitung auf einen ungeregelten Brexit. Seit Tagen stauen sich auf französischer Seite des Ärmelkanals die Lkws. Zwölf Stunden und länger ist die Wartezeit. „Wir machen uns Sorgen um die Fahrer. Die müssen versorgt werden“, so ein Sprecher des DSLV.

Die Bundesregierung unterbindet Personenverkehr zwischen der Insel und dem Festland. Für Kraftfahrer oder Frachtpiloten könnte das bedeuten: Sie müssten bei Rückkehr getestet werden oder in Quarantäne. Noch wird in der Politik diskutiert, keiner weiß, was genau kommen wird. Dennoch schwingt bei vielen Fahrern die Sorge mit, auf der Insel zu stranden.

Logistikunternehmen wie Kühne + Nagel arbeiten deshalb an Alternativen wie Fracht ohne Personal. „Wir haben eigene Mitarbeiter vor Ort, auf beiden Seiten des Ärmelkanals“, sagte Dominique Nadelhofer, Sprecher von K+N. Auch könnten britische Fahrer ihre Fracht weiterhin auf die Insel bringen, sie müssten ja danach nicht wieder zurück.

Vorräte aufgebaut

Andere prüfen, ob Extra-Frachtflüge möglich sind. „Wir planen derzeit eine Ersatzverbindung per Luftfracht, um trotz Covid-Pandemie und Brexit einen Teil des wichtigen Güterverkehrs zwischen den britischen Inseln und dem europäischen Festland zu sichern“, sagte ein Sprecher bei DB Schenker.

Die einzig gute Nachricht in dem Dilemma: Weil die Gespräche über ein Brexit-Abkommen immer noch kein Ende gefunden haben, hatten viele Unternehmen in den zurückliegenden Wochen Vorräte aufgebaut. Das hilft nun.

„In Voraussicht auf den Brexit haben viele Unternehmen ihre Läger in den vergangenen Monaten aufgestockt“, sagt Ulrich Ackermann, Leiter der Abteilung Außenwirtschaft des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA): „Eine Reisesperre zwischen der EU und Großbritannien hätte daher wohl kurzfristig nur geringe Folgen für den Maschinenbau.“

Hinzu kommt, dass viele Maschinenbauer wegen der derzeit geringen Nachfrage ohnehin unterhalb ihrer Kapazitätsgrenze produzieren. Laut einer Umfrage des VDMA planen 77 Prozent der Unternehmen eine Betriebsunterbrechung für den Jahreswechsel. Ein gutes Drittel davon will die Werksferien sogar über das sonst übliche Maß hinaus verlängern.

Ähnlich ist die Situation in der Automobilindustrie. VW profitiere von den getroffenen Brexit-Planungen, heißt es etwa in Wolfsburg. „Wegen der Brexit-Unsicherheiten sind wir auf alles vorbereitet“, sagte ein BMW-Sprecher in München. Der bayerische Autohersteller betreibt ein Werk in Oxford, wo der Mini produziert wird. Für die Fertigung werden auch Bauteile vom europäischen Kontinent gebraucht.

Der Autobranche helfen zudem die Weihnachtsferien und die zum Teil vorgezogenen Werksferien. „Bei Ford geht es erst am 11. Januar wieder los“, sagte ein Unternehmenssprecher. Die Ford-Fabriken in Köln und Saarlouis bezögen auch Bauteile von der britischen Insel, bräuchten sie wegen der Produktionspause derzeit aber nicht. Bei Vauxhall, der britischen Opel-Schwestermarke, gibt es aktuell noch keine Störungen.

Rückschlag für die Luftfahrt

Problematisch wird es, wenn die Situation länger so bleiben sollte. Die Unternehmen hätten meist nur einen Lagerbestand für wenige Tage, „danach ist Stopp“, warnt der Verband der Automobilindustrie (VDA). „Bauteile sind nicht ansteckend und werden gebraucht, damit Produktion und Versorgung nicht zum Erliegen kommen“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Wenn die Ware auf dem Transportweg feststecke, werde sie auch nicht bezahlt. „Das ist eine zusätzliche Belastung für die Unternehmen“, so Müller weiter.

Für die Luftfahrt ist die Grenzschließung dagegen ein Rückschlag. Die Branche hatte gehofft, dass die wegen der Pandemie miserable Nachfrage über die Weihnachtstage wenigstens etwas anziehen würde. Doch Passagiermaschinen aus Großbritannien dürfen seit Montag nicht mehr landen.

Airlines bieten an, die Tickets zu erstatten. So teilte Easyjet mit: „In den Fällen, in denen Flüge aus dem Vereinigten Königreich nicht zulässig sind, konzentriert sich Easyjet in den kommenden Tagen darauf, seinen aktuellen Flugplan in das Vereinigte Königreich durchzuführen, um Kunden bei der Heimreise zu helfen.“ Rückführungen sind von der Grenzschließung wohl ausgeschlossen.

Zudem hätten betroffene Kunden die Möglichkeit, kostenlos auf einen alternativen Flug umzubuchen, einen Gutschein zu erhalten oder eine Rückerstattung zu bekommen. Ähnlich gehen die anderen Airlines vor.

Bis Mitternacht durften am Sonntag zwar noch Jets aus Großbritannien landen. Aber Bundespolizei und Flughäfen waren von der Bundesregierung dazu angehalten worden, ankommende Gäste genau unter die Lupe zu nehmen. Vor allem jene ohne deutschen Pass mussten im Terminal bleiben, bis das Ergebnis eines Corona-Tests vorlag, und auf Feldbetten übernachten.

Die neuerlichen Beschränkungen zeigen, wie fragil die Luftfahrt derzeit ist. Das haben auch die Investoren erkannt. Die Aktien von Easyjet verloren am Montag rund zehn Prozent, Lufthansa gab 4,5 Prozent nach, bei Fraport betrug das Minus sieben Prozent, bei der Deutschen Post waren es noch rund drei Prozent.

„Das sind keine guten Nachrichten für die europäischen Airlines und zeigt, wie riskant diese Papiere weiterhin sind“, schreibt Daniel Röska von Bernstein Research in einer ersten Einschätzung der aktuellen Situation.