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„Die Briten haben sich sehr bewegt“: EU sieht Brexit-Verhandlungen in der „Endphase“

Klappt es rechtzeitig zu Weihnachten noch mit einem Brexit-Abkommen? Vielerorts ist Zuversicht zu hören. Ein weiterer Streitpunkt ist offenbar abgeräumt.

Im Streit über einen Brexit-Handelspakt haben sich die Europäische Union und Großbritannien am Mittwoch auf eine Einigung zubewegt. „Die Zeichen stehen gut“, sagte Irlands Premierminister Micheál Martin am Abend im irischen Fernsehen. Auch beim Schlüsselthema Fischerei, „scheint es heute das Gefühl zu geben, dass es zu einem Abschluss kommt“.

Bereits am Mittwochnachmittag hatte ein EU-Vertreter Hoffnung geweckt: „Wir sind jetzt in der Endphase.“ Aus mehreren anderen Quellen hieß es, der lange sehr schwierige Punkt der fairen Wettbewerbsbedingungen sei nun geklärt und beim zweiten Knackpunkt Fischerei sei man sich sehr nahe. Auch aus britischen Regierungskreisen hieß es am Nachmittag, eine Einigung noch am Mittwoch sei „möglich, aber alles andere als sicher“.

Die Verhandlungen in Brüssel zogen sich dann aber bis in die Nacht, ohne dass viel nach außen drang. Die EU-Seite gab sich weiter zuversichtlich. Es müssten noch Details geregelt werden, und das brauche Zeit, hieß es.

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Die wachsende Hoffnungen auf eine Einigung stützten den Euro und das Pfund. Der Euro stieg am Mitwochnachmittag bis auf 1,2221 Dollar. Am Morgen hatte er noch unter 1,22 Dollar notiert. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,2166 (Dienstag: 1,2239) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8220 (0,8171) Euro.

Nach Angaben eines Brexit-Insiders haben die Briten sich deutlich bewegt. Sie hätten in den vergangenen 48 Stunden „enorme Zugeständnisse“ gemacht, sagte ein französischer Regierungsvertreter am Mittwoch. Beim Thema Fischerei sei die britische Position inzwischen weit entfernt von dem, was London vor einer Woche angeboten habe.

Der Europäische Rat hat die Mitgliedsstaaten bereits alarmiert, dass es in Kürze eine Einigung bei den Brexit-Gesprächen geben könnte. Das bestätigte ein Sprecher dem Handelsblatt in Brüssel. Die 27 Mitgliedsländern wollen bei einer Einigung dem ausgehandelten Handelsabkommen rasch zustimmen, damit es am 1. Januar vorläufig in Kraft treten kann.

EU würde wohl über 1. Januar hinaus weiterverhandeln

Beide Seiten verhandeln seit Monaten über einen Handelsvertrag für die Zeit ab 1. Januar. Dann endet die Brexit-Übergangsphase. Gelänge eine Einigung, könnte ein harter wirtschaftlicher Bruch zum Jahresende in letzter Minute vermieden werden.

In den vergangenen Tagen sind der britische Premierminister Boris Johnson und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen immer öfter zu den Gesprächen hinzugezogen worden und standen telefonisch in Kontakt, um die Verhandlungen in Gang zu halten.

Allerdings könnte ein Abkommen nicht mehr rechtzeitig ratifiziert werden. Es müsste wohl ganz oder in Teilen vorläufig angewendet werden. Vorher müssten in jedem Fall die EU-Staaten zustimmen.

Zuletzt gab es Gerüchte, eine Einigung noch vor Weihnachten sei möglich. Die EU hat durchblicken lassen, dass sie nötigenfalls auch über den 1. Januar hinaus verhandeln würde.

Während der neunmonatigen Verhandlungen sind bereits zahlreiche selbst gesetzte Fristen verstrichen. Offen war, wie der Handel weiterläuft, falls beide Seiten zwar ein Abkommen erreichen, es aber am 1. Januar noch nicht bestätigt worden ist.

„Der Irrsinn geht weiter“

Schon tagsüber hatten sich der irische Ministerpräsident Micheál Martin und der britische Bauminister Robert Jenrick vorsichtig optimistisch geäußert. Auch Brexit-Experten im Europaparlament sprachen von Einigungschancen, äußerten aber auch scharfe Kritik daran, dass so kurz vor dem Stichtag noch nichts entschieden sei.

„Der Irrsinn geht weiter“, sagte der SPD-Brexit-Experte Bernd Lange der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist nicht akzeptabel, dass Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen wenige Tage vor dem 1. Januar nicht wissen, wie es weiter geht, und das in einer Lage, die sich wegen der Corona-Pandemie verschärft.“

Mit Ende der Übergangsfrist am 31. Dezember scheidet Großbritannien aus dem Binnenmarkt und der Zollunion aus. Ohne Anschlussvertrag drohen Zölle und Handelshemmnisse sowie verschärfte Warenkontrollen an den Grenzen.

Schon jetzt stauen sich auf britischer Seite Tausende Lastwagen auf dem Weg auf den Kontinent, weil Frankreich wegen des mutierten Coronavirus zeitweise die Grenze abgeriegelt hatte – aus Sicht von Kritikern ein Vorgeschmack auf die Lage bei einem No-Deal-Brexit.

Geschäftsleute aus der EU und Großbritannien warnten, ein Scheitern könne zweistellige Milliardenbeträge kosten. Die meisten Ökonomen rechneten damit, dass das Königreich davon härter getroffen würde – zumindest kurzfristig. Großbritannien sei stärker auf den Handel mit der EU angewiesen als die EU auf den Handel mit Großbritannien, argumentieren sie.

Der Linken-Fraktionschef im Europaparlament, Martin Schirdewan, sagte, eigentlich hätte ein Abkommen schon längst fertig sein müssen, um noch eine demokratische Prüfung zu erlauben. „Von daher bleiben nur noch schlechte Optionen. Der schlechteste der schlechten Optionen wäre der No Deal.“ Die beste Möglichkeit wäre, die Brexit-Übergangsfrist zu verlängern, sagte der Linken-Politiker.

Das forderte auch der britische Gesundheitsdienst NHS. Ein Aufschub um einen Monat werde dem NHS Zeit geben, sich aus der „unmittelbaren Gefahrenzone“ zu bringen, hieß es in einem Brief der NHS-Spitze. Dann könne sich der Dienst auf die Bekämpfung der Pandemie konzentrieren, ohne dass ein No-Deal-Brexit „störende Veränderungen“ mit sich bringe. Befürchtet wird etwa, dass sich die Lieferung dringend benötigter Medikamente und medizinischer Geräte verzögert, wenn es mangels eines Abkommens zu Staus kommen sollte.

Brexit hat auch Folgen für Zehntausende Deutsche in Großbritannien

Minister Jenrick betonte beim Sender Sky News, es gebe weiter „die gleichen schwerwiegenden Meinungsverschiedenheiten“ zu Fischereirechten und gleichen Wettbewerbsbedingungen. „Im Moment gibt es keine ausreichenden Fortschritte. Es ist kein Abkommen, bei dem der Premierminister (Boris Johnson) das Gefühl hat, dass er es unterschreiben kann“, sagte Jenrick.

Der Brexit hat auch Folgen für Zehntausende Deutsche in Großbritannien. Die deutsche Botschaft in London sieht noch großen Nachholbedarf bei den Anträgen von Deutschen und anderen EU-Bürgern auf ein Bleiberecht. Ende September hatten sich nach Angaben des Innenministeriums in London 111.420 Deutsche um ein Bleiberecht beworben. Insgesamt leben etwa 144.000 Deutsche im Land.

EU-Bürger, die in Großbritannien leben, müssen unter dem sogenannten EU Settlement Scheme einen Antrag auf Bleiberecht stellen. Dieser Status soll ihnen nach dem Brexit die gleichen Rechte im Land sichern wie zuvor.

Bürger aus der EU, die erst nach dem 1. Januar ins Land kommen wollen, werden Visa und eine Zusage nach dem neuen britischen Immigrationssystem benötigen, um in Großbritannien leben und arbeiten zu dürfen. Insgesamt haben sich nach Angaben des britischen Innenministeriums bis Ende November knapp 4,5 Millionen EU-Bürger für das Bleiberecht im Land beworben.