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Brexit-Votum wirbelt Luftfahrt durcheinander

Lufthansa, Easyjet & British Airways - Brexit-Votum wirbelt Luftfahrt durcheinander

Bei der Lufthansa bleiben zunehmend die Sitze leer. Im ersten Halbjahr 2016 reisten 1,1 Prozent weniger Fluggäste mit der Kranich-Airline, obwohl diese ihre angebotenen Sitzplatzkilometer um 1,7 Prozent ausbaute. Konzernweit – also zusammen mit den Linientöchtern Swiss und AUA sowie dem neuen Billigflieger Eurowings – schaffte Europas größte Fluggesellschaft zwar einen Passagierzuwachs von 0,7 Prozent, baute dafür aber das Angebot um 4,2 Prozent aus. Insbesondere das innereuropäische Fluggeschäft schwächelte.

Dass es sich dabei schon um erste Auswirkungen des Brexit-Referendums handelt, wies Lufthansa-Chef schon in der vergangenen Woche vorsichtshalber zurück. Dafür sei es noch zu früh. Die Zahl der langfristigen Buchungen sei in letzter Zeit allerdings deutlich zurückgegangen, räumte er ein. „Die Unsicherheit ist größer geworden.“

Und dazu führen längst nicht nur die Terroranschläge in Brüssel oder Istanbul, die im ersten Halbjahr 2016 den Flugverkehr zeitweilig lähmten. Auch vom geplanten Großbritannien-Austritt aus der EU erwartet Spohr einen volkswirtschaftlichen Dämpfer. „Weniger Wachstum führt zu weniger Reisen“, sagte er.

Ebenso wie der Lufthansa-Chef, so zeigte sich auch die Börse in den Tagen nach der Abstimmung geschockt – und strafte Aktien von Reisegesellschaften und Flugunternehmen ab. Kein Wunder. Immerhin gaben britische Touristen im vergangenen Jahr 39 Milliarden Pfund für Auslandsreisen aus. Ob dies angesichts des stark gesunkenen Pfunds nach 2016 so bleibt, ist mehr als ungewiss.

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Europas größte Airline könnte am Ende trotzdem auf der Gewinnerseite stehen. Denn der Schaden, den ein britischer EU-Austritt auslösen würde, ist für den Dax-Konzern eher übersichtlich. Nur fünf Prozent ihres Umsatzes erwirtschaftet Lufthansa im Verkehr mit der Insel.

Behält der Weltairline-Verband IATA recht, schrumpft dieser kleine Anteil durch den Großbritannien-Austritt gerade einmal um drei bis fünf Prozent. Um diese Quote werde sich die Zahl der Flugreisenden von der Insel verringern, wenn es bei der aktuellen Pfund-Abwertung bleibt, glaubt der Verband. Gegenüber dem Euro war die britische Währung zuletzt um rund sieben Prozent gefallen, was Auslandsreisen für Briten deutlich verteuert.

Sorgen dürfte sich Lufthansa dann schon eher um den Kerosinpreis machen. Denn in Folge der Brexit-Entscheidung ist auch der Euro gegenüber dem Dollar unter Druck geraten. Spritrechnungen, die üblicherweise in der US-Währung zu zahlen sind, werden damit teurer.

Doch die Vorteile für Lufthansa, die sich aus dem Austrittsvotum ergeben, überwiegen voraussichtlich deutlich. Denn Wettbewerber von der Insel wie British Airlines oder Easyjet könnten über eine längere Übergangszeit hinweg ausfallen – und damit den Preisdruck verringern.

Grund hierfür ist der freie europäische Binnenmarkt in der Luftfahrt, die European Common Aviation Area, den Großbritannien voraussichtlich verlassen wird. Er erlaubt sämtlichen Airlines der EU-Staaten, in jedem Mitgliedsland Flugverbindungen aufzunehmen.

Von der Liberalisierung haben in den vergangenen Jahren besonders Billigflieger profitiert. Denn auch außerhalb ihres Heimatlandes ist es ihnen seither erlaubt, innerhalb der EU Direktverbindungen zu bedienen. Was Experten als „Kabotage“ bezeichnen, hat für Reisende unmittelbare Vorteile: So darf die irische Ryanair von Berlin nach Mallorca fliegen, die ungarische Wizz Air von Barcelona nach Danzig.

Für die irische Ryanair wird sich das nicht ändern, wohl aber für den britischen Wettbewerber Easyjet. Er müsste sich nach einem Brexit von Standorten wie Berlin, Brüssel oder Amsterdam möglicherweise auf Flüge von und nach Großbritannien beschränken. Starts von München nach Mailand aber wären für die Briten dann Tabu.


Was ein Brexit für die britische Luftfahrt bedeutet

Auch British Airways könnte das Kabotage-Verbot treffen, obwohl die Konzernholding IAG mit der spanischen Schwester-Airline Iberia noch eine Fuß in der Tür hätte. Eine Gewinnwarnung von IAG gab es jedenfalls in den letzten Tagen ebenso wie vom Billigkonkurrenten Easyjet.

Üblich sind in der Luftfahrt zwischenstaatliche Abkommen auf Gegenseitigkeit, die zwischen den EU-Staaten und Großbritannien neu ausgehandelt werden müssten. Experten zweifeln, ob das nach einem Austrittsersuch der britischen Regierung innerhalb der Übergangsfrist von zwei Jahren erreichbar ist.

Auch im weltweiten Luftverkehr träfe der Brexit die Fluggesellschaften der Insel. Die EU hat mit Drittstaaten Luftverkehrsabkommen geschlossen, die künftig für die Briten nicht mehr gelten. Mit nahezu allen internationalen Regierungen müsste das ausgetretene Land diese Abkommen neu verhandeln – insbesondere den wichtigen „Open-Skies“-Vertrag mit den USA.

Laute Überlegungen gibt es daher bereits bei Easyjet, den Firmensitz zu verlagern. Man werde ein Luftverkehrsbetreiber-Zeugnis (AOC) in der Europäischen Union beantragen, teilte die Airline am Wochenende mit – sozusagen als Vorsorgemaßnahme. Das Hauptquartier, derzeit in Luton bei London gelegen, wolle man dagegen nicht aufgeben, ließ Vorstandschefin Carolyn McCall anderslautende Meldungen des Nachrichtensenders Sky News dementieren.

Vorbild für Easyjet könnte der deutsche Wettbewerber Air Berlin sein. Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft gehört zwar einer sogenannten Plc-Holding nach britischen Recht. Der Luftverkehrsbetrieb ist aber in Deutschland registriert, und auch die Streckenrechte werden über das Luftfahrtbundesamt vergeben. Vom Brexit hat Air Berlin deshalb wenig zu fürchten.

Anders als eine andere nicht-britische Airline: Ryanair. Der irische Billigflieger kann nach einem Großbritannien-Austritt zwar weiterhin mühelos innerhalb der restlichen EU fliegen, die europaweiten Verbindungen von und nach Großbritannien wären jedoch vermutlich unterbrochen.

Airline-Chef Michael O‘Leary ist darüber wenig amüsiert. Mehr als in Viertel seiner Flüge starten und landen auf der Insel.

Hoffnungen machen darf sich dagegen Lufthansa. Sie würde am Ende sogar davon profitieren, dass Europas größte Airline-Drehscheibe, der Flughafen London-Heathrow, durch die schwierige Rechtslage an Bedeutung verliert. „Der Drehkreuzverkehr könnte dann nach Frankfurt und München umgeleitet werden“, hofft Oberhanseat .

Die beiden deutschen Airports sind neben Zürich und Wien die wichtigsten Drehkreuze der Lufthansa.