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Brexit-Verhandlungen entscheiden über die Erholung des britischen Pfunds

Die Gespräche zwischen Großbritannien und der EU gehen in die finale Phase. Die Entscheidung dürfte sich unmittelbar auf die britische Währung auswirken.

Der Kurs der britischen Währung ist wie ein Seismograf der Brexit-Verhandlungen. Foto: dpa
Der Kurs der britischen Währung ist wie ein Seismograf der Brexit-Verhandlungen. Foto: dpa

Boris Johnson hat derzeit mit vielen Problemen zu kämpfen. Der britische Premierminister muss die steigenden Corona-Infektionszahlen in Großbritannien eindämmen. Vor Kurzem verlor er zudem zwei seiner wichtigsten Mitarbeiter und er befindet sich in Quarantäne, nachdem er einen Abgeordneten getroffen hatte, der positiv auf das Coronavirus getestet worden war.

Der Zeitpunkt für die Quarantäne ist denkbar ungünstig. Denn in den kommenden Tagen oder Wochen könnte sich entscheiden, ob sich Großbritannien und die EU auf ein gemeinsames Handelsabkommen einigen oder die Gespräche scheitern. Die Entscheidung dürfte maßgeblichen Einfluss auf die Kursentwicklung des britischen Pfunds haben.

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Seit die Briten 2016 für den Brexit gestimmt haben, ist der Wechselkurs der britischen Währung wie ein Seismograf für den aktuellen Verhandlungsstand. Aktuell gehen die meisten Investoren davon aus, dass sich beide Seiten einigen werden.

„Wir sind dem Handelsabkommen so nahe wie nie“, urteilt Stephen Innes, Marktstratege beim Broker Axi. Die Analystin der DZ Bank, Sonja Marten, rechnet hingegen damit, dass „ein Deal nicht vor Ende des Jahres verkündet wird“, wenn er denn überhaupt zustande komme.

Auch ihre Fachkollegin Esther Reichelt von der Commerzbank ist eher skeptisch, ob ein Durchbruch unmittelbar bevorsteht. „Beide Seiten müssen zeigen, dass sie hart verhandelt haben“, sagt sie. Daher sei es durchaus möglich, dass sie die Frist für Verhandlungen voll ausreizen.

Pfund notiert bei rund 0,89 Pfund je Euro

Aktuell würden am Markt aber alle davon ausgehen, dass sich beide Seiten einigen. Seit Oktober haben sich die Signale in diese Richtung verdichtet. Damals hatte Großbritanniens Premier Boris Johnson angekündigt, die Verhandlungen mit der EU beenden zu wollen – wenn nötig auch ohne Abkommen. Daraufhin hatten sich beide Seiten jedoch zu weiteren Verhandlungen zusammengerauft.

Reichelt geht daher davon aus, dass die Reaktion des Pfunds bei einem Vollzug nicht allzu groß sein dürfte. „Es könnte eine leichte Erleichterungsrally geben, aber wir erwarten keinen längeren Aufwertungstrend für das Pfund“, sagt sie.

Sollten die Gespräche hingegen doch scheitern, sei mit einer stärkeren Abwertung des Pfunds zu rechnen. Die DZ Bank schätzt, dass die britische Währung in diesem Fall auf breiter Front etwa zehn Prozent an Wert verlieren dürfte und die britische Wirtschaft Anfang kommenden Jahres in eine Rezession zurückfällt.

Da dies jedoch nicht das Hauptszenario ist, prognostiziert das Institut nur eine leichte Abwertung des Pfunds im Vergleich zum Euro: Aktuell notiert es bei rund 0,89 Pfund je Euro – in zwölf Monaten geht die DZ Bank von einem Kurs von 0,92 Pfund aus. Die Commerzbank erwartet hingegen ein etwas festeres Pfund und prognostiziert für Ende 2021 einen Kurs von 0,86 Pfund je Euro. Auch die Schweizer Großbank UBS ist tendenziell optimistischer für das Pfund.

Die Prognosen sind jedoch mit hohen Risiken verbunden. Denn selbst wenn es ein Abkommen gibt, werden die britischen Unternehmen wohl keinen so einfachen Zugang mehr zum europäischen Binnenmarkt haben wie in der Vergangenheit. Wie gut sie darauf vorbereitet sind, muss sich in der Praxis zeigen. „Selbst nach einem Abkommen gibt es große Unsicherheit, ob die britische Wirtschaft es schafft, sich schnell an die neue Situation anzupassen,“ sagt Commerzbank-Devisenanalystin Esther Reichelt.

Leitzins in Großbritannien noch positiv

Bislang fokussieren sich Investoren vor allem auf die Frage, was bis Jahresende mit den Verhandlungen passiert. Wenn die britische Wirtschaft aber im nächsten Jahr nicht aus der Krise kommt, könnte dort auch das Thema Minuszinsen noch stärker auf die Tagesordnung kommen. Aktuell liegt der Leitzins in Großbritannien noch leicht positiv bei 0,1 Prozent.

Die Bank von England hält sich die Option von einer Senkung unter null aber offen. Wegen möglicher negativer Nebenwirkungen für das Bankensystem ist ein solcher Schritt jedoch sehr umstritten. Daher wird die britische Notenbank wahrscheinlich nur dann zu dem Mittel greifen, wenn sich der wirtschaftliche Ausblick weiter verdüstert, zum Beispiel falls ein Handelsabkommen mit der EU scheitert. Ein solcher Schritt würde das Pfund laut Devisenexpertin Reichelt belasten.

Denn wenn die Zinsen in Großbritannien sinken, wird es für internationale Investoren relativ gesehen attraktiver ihr Kapital in anderen Währungsräumen anzulegen. Dadurch würde die Nachfrage nach dem Pfund am Kapitalmarkt sinken und der Wechselkurs tendenziell abwerten.

Vor allem wenn ein Abkommen mit der EU scheitert, wäre jedoch auch ein umgekehrter Schritt einer Zinserhöhung nicht ganz ausgeschlossen. Dann nämlich, wenn das Pfund stark unter Druck gerät. Die Verwundbarkeit der britischen Währung ist auch deshalb groß, weil das Land seit Jahren ein hohes Defizit in der Leistungsbilanz hat, also im Handel von Waren und Dienstleistungen mit dem Ausland.

Das bedeutet: Großbritannien gibt unter dem Strich mehr Kapital für Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland aus, als es durch Exporte dorthin einnimmt. Um dieses Defizit zu decken, ist es auf Kapitalzuflüsse aus dem Ausland angewiesen. Normalerweise ist dies kein Problem, in bestimmten Situationen aber schon.

Langfristige Brexit-Folgen möglich

„Durch das hohe Leistungsbilanzdefizit Großbritanniens ist das Pfund anfällig für übertriebene Reaktionen“, betont Commerzbank-Devisenexpertin Reichelt. Vor allem wenn es kein Abkommen mit der EU gibt, könnte das eine Abwärtsdynamik in Gang setzen. In diesem Fall hält Reichelt unter Umständen sogar eine Zinserhöhung in Großbritannien für möglich. Die britische Notenbank könnte dann zu einem solchen Schritt gezwungen sein, um die Abwärtsdynamik zu stoppen.

Auch wenn es also bald Klarheit über den künftigen Status der Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU geben sollte, werden sich die Folgen des Brexits noch lange auf das Pfund niederschlagen. Kurzfristig dürfte eine Einigung auf eine Handelsabkommen mit der EU für etwas Auftrieb sorgen – ein Scheitern würde dagegen vermutlich zu heftigen Verlusten führen. Die weitere Entwicklung hängt davon ab, wie die britische Wirtschaft mit der Situation danach zurechtkommt.