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Brexit-Bürokratie sorgt für Chaos bei britischen Unternehmen

Eine Woche nach dem Brexit werden die Probleme in den Lieferketten immer deutlicher. Schottische Fischer klagen über einen „perfekten Sturm“.

„Es gibt keine irische Seegrenze“, erklärte der britische Nordirlandminister Brandon Lewis am Neujahrstag, als der Brexit vollzogen war. Diese Behauptung wird inzwischen täglich widerlegt.

Exporteure in Großbritannien beschweren sich über die zusätzlichen Formalitäten im Handel mit Nordirland, viele haben ihre Lieferungen vorerst ausgesetzt. Lastwagen werden an den Häfen zurückgewiesen, weil sie nicht die korrekten Papiere dabeihaben.

Die Irische See und der Ärmelkanal sind die neuen Brennpunkte im britischen Außenhandel. Einzelhändler, Spediteure bis hin zu Fischern klagen über die Brexit-Bürokratie. Selbst große Konzerne scheinen von den neuen Regeln überrascht. So gilt die mit der EU vereinbarte Zollfreiheit nicht für Güter, die importiert und gleich wieder exportiert werden.

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„Zollfrei fühlt sich nicht an wie zollfrei, wenn man das Kleingedruckte liest“, erklärte Steve Rowe, Vorstandschef der britischen Kaufhauskette Marks and Spencer (M & S). Die Umstellung der Lieferketten aufgrund der Ursprungsregeln werde das Geschäft in Irland, Tschechien und Frankreich „erheblich belasten“.

Die M- & -S-Süßigkeitenmarke „Percy Pig“ etwa wird in Deutschland von Katjes hergestellt. Bisher wurden die Fruchtgummis erst nach Großbritannien importiert und von dort nach Irland weitergeschickt. Bei dieser Operation fallen künftig Zölle an. Marks and Spencer hat also die Wahl, entweder die Zölle zu zahlen oder seine Lieferkette so umzubauen, dass Irland direkt aus Deutschland beliefert wird. Vorerst liefert die Firma die Fruchtgummis gar nicht mehr in die EU.

Der Ausstiegsvertrag und das Freihandelsabkommen, die die Beziehung zwischen Großbritannien und der EU seit Neujahr regeln, sehen eine Reihe neuer Handelsbarrieren vor. Sie gelten für die EU-Nachbarn Irland und Frankreich, aber auch für den britischen Landesteil Nordirland, der weiterhin Teil des EU-Binnenmarkts ist.

„Lieferungen nach Nordirland unterscheiden sich jetzt nicht wesentlich von Lieferungen nach Frankreich“, sagte Seamus Leheny vom Logistikverband Logistics UK diese Woche bei einer Anhörung im britischen Unterhaus. Das sei den meisten britischen Unternehmen nicht klar. „Sie wissen nicht, was sie tun müssen.“

Diese Woche seien britische Lastwagen im nordirischen Belfast angekommen, auf deren Ladeliste einfach „Lebensmittel“ gestanden habe, sagte Leheny. „Diese Lastwagen mussten gecheckt werden.“ Das habe bis zu acht Stunden gedauert. Normalerweise hätten sie zurückgeschickt werden müssen, aber die Behörden hätten ein Auge zugedrückt und die Formalitäten vor Ort erledigt.

Irland lockert Regeln

„Die EU und das Vereinigte Königreich müssen sich zusammensetzen und die Prozesse vereinfachen“, forderte Aodhan Connolly, Direktor des nordirischen Einzelhandelsverbands. Einige britische Firmen würden den nordirischen Markt schon nicht mehr bedienen, weil sie die Regeln nicht verstünden oder sich nicht damit befassen wollten. Die Supermarktkette Tesco warnte bereits vor möglichen Engpässen bei einigen Lebensmitteln. Noch gebe es jedoch keinen Mangel, sagte Connolly.

Zumindest Lieferungen nach Irland sollen einfacher werden. Die irische Zollbehörde gab am Donnerstagabend bekannt, dass alle Spediteure einen vorläufigen Zollcode angeben dürfen, der ihnen den Zugang zu den Fähren erlaubt. Dies sei jedoch nur eine vorläufige Maßnahme, betonte die Behörde. Die Unternehmen müssten sich selbst um eine langfristige Lösung kümmern.

„Es ist klar, dass viele Firmen nicht so vorbereitet sind, wie sie dachten, oder deutlich unterschätzt haben, was es heißt, bereit für den Brexit zu sein“, sagte ein Sprecher der irischen Zollbehörde der „Irish Times“.

Keine Staus in Dover, aber Probleme in Lagern

Die befürchteten Lastwagenstaus vor den wichtigsten Häfen Holyhead und Dover sind bislang ausgeblieben. Das liegt jedoch nur daran, dass das Verkehrsvolumen deutlich niedriger ist als gewöhnlich. Die meisten Firmen warten ab und lagern ihre Lieferungen, solange sie die neuen Anforderungen nicht erfüllen. „Während es keine Schlangen an den Häfen gibt, entstehen sie in unseren Depots“, sagte Andrew Kinsella von der walisischen Speditionsfirma Gwynedd Shipping dem Radiosender BBC.

Wenn der Verkehr in den kommenden Wochen wieder zunimmt, werden Staus erwartet. Viele Lastwagen, die derzeit an den Häfen ankommen, haben nicht alle Papiere dabei. „Wir registrieren eine hohe Zahl von Fahrzeugen, die in Calais, Dunkerque und Dover wegen inkorrekter Papiere abgewiesen werden“, schreibt die Fährgesellschaft DFDS auf ihrer Webseite. Sie erinnert Unternehmen daran, dass Import- und Exporterklärungen für den französischen Zoll nötig sind.

Der Paketlieferdienst DPD UK hat seine Lieferungen in die EU bis Mitte kommender Woche ausgesetzt, um seine Prozesse anzupassen. Ein Fünftel aller Pakete war in den vergangenen Tagen wegen falscher Papiere zurückgekommen.

Firmen, die auf den reibungslosen Export angewiesen sind, reagieren empört auf das Chaos. „Alles, was wir diese Woche auf den Weg geschickt haben, ist verloren“, sagte Jamie McMillan, Chef des schottischen Meeresfrüchte-Exporteurs Loch Fyne Seafarms, in einem Online-Video.

Er habe Tausende Pfund verloren, weil seine Hummer und Krebse auf dem Weg nach Frankreich feststeckten. „Wir können nicht mehr in die EU exportieren, bis die Probleme gelöst sind.“ Das werde seine Firma wahrscheinlich in die Pleite treiben. „Danke, Brexit!“

Donna Fordyce vom Fischereiverband Seafood Scotland sprach vom „perfekten Sturm“ für die Branche. Das Ende der Brexit-Übergangsperiode habe „völlige Verwirrung“ gestiftet. Unter anderem hätten IT-Probleme dazu geführt, dass Lieferungen in den falschen Häfen in Frankreich gelandet seien.

„Diese Unternehmen transportieren nicht Toilettenpapier“, sagte Fordyce. „Sie exportieren verderbliche Meeresfrüchte von höchster Qualität. Das Zeitfenster, um sie in bestem Zustand auf den Markt zu bringen, ist begrenzt.“