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Wie eine brasilianische Bank das wichtigste Start-up-Zentrum Lateinamerikas aufbaut

Die familiengeführte Itaú Unibanco hat das Cubo in São Paulo gegründet. Dort beschleunigt die Bank nicht nur die eigene digitale Transformation.

Vor sieben Jahren reiste Pedro Prates um die Welt, nach Israel, China, Großbritannien und in die USA. Digitale Zentren und Netzwerke sollte sich der Brasilianer im Auftrag seines Arbeitgebers anschauen. Das ist Itaú Unibanco, das führende Finanzinstitut Lateinamerikas und eine der größten Schwellenländer-Banken in privatem Besitz.

Seine Mission war eindeutig: Er sollte für die Großbank den Schritt in die digitale Welt organisieren. Doch wie sollte er das umsetzen in einer fast 100 Jahre alten Institution, in der dritten Familiengeneration geführt, dem finanziellem Rückgrat der brasilianischen Wirtschaft? Mehr Tradition geht fast nicht in einem Land, in dem sich die wenigsten Unternehmerdynastien mehr als ein paar Jahrzehnte halten.

Itaú, gegründet 1944, fusionierte 2008 mit dem kleineren, 1924 gegründeten Konkurrenten Unibanco. Das Institut rangierte seitdem nach Börsenwert schon mal unter den zwölf führenden Banken der Welt. Itaú Unibanco liefert stetig zweistellige Renditen auch in Krisenjahren. US-Investmentguru Mark Mobius pries sie mal als die „möglicherweise profitabelste Bank der Welt“.

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Dennoch ahnten die Eigentümerfamilien Setúbal und Moreira Salles schon bald nach der Fusion, dass diese Spitzenstellung nicht auf ewig garantiert sein würde: Wachsen konnten sie in Lateinamerika nicht mehr durch Zukäufe. Ihnen war bewusst, dass sie neue Technologien brauchen würden, um ihr Geschäftsmodell zu digitalisieren und damit Wachstum wie Rendite halten zu können.

Sie spürten die wachsende Konkurrenz der Fintechs im Nacken, also der kunden- und technologieorientierten neuen Generation der Finanzindustrie. „Es war klar, dass wir uns neu erfinden mussten“, sagt der heute 32-jährige Pedro Prates. Die Bank solle „zu einem Technologie-Konzern werden, der zufällig auch Finanzprodukte verkauft“.

So entstand die Idee für Cubo, den „Würfel“. Zusammen mit dem Start-up-Investor Redpoint entwickelte Prates eine Plattform, auf der alte und neue Wirtschaft zusammenkommen. Inzwischen arbeiten rund 300 Start-ups mit zwei Dutzend brasilianischen Marktführern als Sponsoren in dem Zentrum.

Vertreten sind derzeit die Branchen Einzelhandel, Bildung, Industrie, Gesundheit und Finanzen. Cubo ist inzwischen das bedeutendste Start-up-Zentrum Lateinamerikas und eines der wichtigsten weltweit.

Hartes Auswahlverfahren

Als Roberto Setúbal, der damalige CEO und Miteigentümer von Itaú, das Projekt absegnete, gab er zu, nicht recht zu verstehen, wohin die Reise gehen werde. Geholfen hat aber, dass bei Itaú traditionell der Vorstand mit Ingenieuren besetzt ist, die Unternehmenskultur also technikaffin ist. Jedes Jahr wirbt die Bank die besten Ingenieure der renommiertesten Universitäten Brasiliens ab.

Cubo funktionierte lange Zeit vor allem analog: Inmitten des modernsten Businesszentrums São Paulos sitzt das Zentrum in einem quadratischen Hochhaus, das tatsächlich ein wenig wie ein Würfel wirkt. Es sei beabsichtigt, dass es dort zu zufälligen Begegnungen komme, sagt Prates.

Die Start-ups müssen durch ein hartes Auswahlverfahren. Nur jedes zehnte Unternehmen kommt durch. Wer es schafft, trägt automatisch ein Gütesiegel. Für die Start-ups bietet der direkte Zugang zur Industrie und zu Dienstleistern die Chance, Ideen zu testen, Modelle anzuwenden und Investoren zu finden.

Die Unternehmen wiederum sponsern das Zentrum, schreiben Projekte aus und lassen Probleme lösen. „Cubo ist für uns und die beteiligten Unternehmen ein Radar, um Trends in unseren Branchen früh zu erkennen“, sagt Estevão Lazanha, Technologie-Direktor bei Itaú. Die Bank nutze den privilegierten Zugang zu Cubo nicht direkt als Marketing-Instrument oder Service für seine Unternehmenskunden. „Wir wollen als Bank den Start-up-Unternehmen nicht vorgeben, nach welchen Lösungen sie suchen sollen“, sagt Lazanha.

BR Malls ist heute bei Cubo der wichtigste Sponsor für die Sektion Einzelhandel. Das Unternehmen betreibt in Brasilien 29 Einkaufszentren, darunter einige der luxuriösesten Malls des Landes. Doch der wachsende E-Commerce bedroht die Führungsposition des börsennotierten Konzerns. Kunden gehen in die Zentren, um sich Kleider oder Fernseher anzuschauen. Doch danach bestellen sie diese im Internet.

Gustavo Queiroz soll BR Malls digital durchschütteln – ähnlich wie Prates bei Itaú Unibanco. Das war ähnlich komplex: Shopping-Center sind in Brasilien so etwas wie Kleinstädte, in denen die Menschen einen großen Teil ihrer Freizeit verbringen – analoger geht also kaum.

Zudem arbeiten die Shopping-Center und auch ihre Kunden, die Betreiber von Boutiquen, die Restaurantketten und die Modekonzerne, autonom und nebeneinander vor sich hin. Schnell wurde Queiroz klar, dass die Zusammenarbeit mit Start-ups institutionalisiert werden müsste. Doch woher sollte die Beschleunigung kommen?

Da kam ihm das Angebot der Hausbank Itaú Unibanco genau richtig: Heute entwickeln zwanzig Start-ups Projekte für den Mall-Betreiber, aber auch für dessen Kunden. Dreißig Pilotprojekte gab es bereits. „Wir laden unsere Ladenbetreiber ein, dieses Ökosystem kennen zu lernen“, sagt Queiroz.

Cubo wirkt für die Großbank Itaú, aber auch für die beteiligten Konzerne wie eine permanente Frischzellenkur. Für den Chief Digital Officer Fabiano Sant’Ana beim französischen Baustoffhersteller Saint Gobain in Brasilien beschleunigt der Zugang und der Kontakt zu den Start-ups das Tempo des digitalen Wandels: „Start-ups sind schneller, agiler und weniger komplex – und bieten Lösungen an, die es auf dem Markt noch nicht gibt“, sagt er. „Traditionelle Unternehmen dagegen haben Ressourcen, Struktur, Prozesse und Personal.“ Bei der Umsetzung von Projekten sei Saint Gobain dank Cubo messbar schneller und sparsamer geworden.

Das Timing für Cubo war perfekt. 2015 gab es noch kaum Start-ups in Brasilien. Inzwischen existiert in São Paulo eine rege Szene. 13 Einhörner, also Start-ups, die mit über einer Milliarde Dollar bewertet werden, sind in den letzten zwei Jahren im Land herangewachsen, „mehr als in Deutschland“, wie Prates feststellt.

„Mall as a hub“ als Lösung der geschlossenen Shopping-Center

Alle mussten sich wegen Corona stark umstellen. Auch Cubo: Die 1200 Menschen, die täglich den Würfel aufsuchten, sind noch nicht zurückgekehrt. Seit August verteilen sich wegen der Corona-Beschränkungen nur rund 400 Mitarbeiter auf den 13 Stockwerken. Dennoch sucht das Zentrum ständig neue Informatiker. Die Nachfrage nach digitaler Umwandlung hat sich in Brasilien, wie überall auf der Welt, in der Pandemie rasant beschleunigt.

Für BR Malls war die bestehende Zusammenarbeit entscheidend, um auf die Krise zu reagieren. Denn die Shopping-Center blieben in Brasilien rund ein halbes Jahr geschlossen. Umso wichtiger ist es, die Integration mit dem E-Commerce schnell herzustellen, um wenigstens einen Teil der Verluste wettzumachen.

Die Shopping-Center werden zunehmend wichtiger als Logistikzentren für die letzte Meile zu den Konsumenten. Auch wenn diese digital bestellen, liefert oft das Shopping-Center die Produkte aus, weil sie dort auf Lager liegen. „Mall as a hub“ heißt der Trend im Einzelhandel, der auch in China dazu führe, dass E-Commerce-Giganten wie Alibaba weiterhin in Shopping-Center investieren.

Queiroz von BR Malls hat im Cubo einen Anbieter für eine App gefunden, über welche die Lieferdienste und digitalen Läden ihre Lieferungen aus den Malls koordinieren. Für den Betreiber BR Malls ist das strategisch wichtig. Denn damit kann er die Konsumentendaten weiterhin kontrollieren und auswerten, statt den Kontakt mit seinen Kunden vollständig zu verlieren, wie es der Fall ist, wenn diese über digitale Plattformen bestellen.

Für André Castellini von der Beraterfirma Bain & Company ist Cubo „eine intelligente Alternative, um engen Kontakt zu den neuen Technologien zu halten und nicht von der Konkurrenz durch Innovationen überrascht zu werden“. Inzwischen haben auch andere Unternehmen in Brasilien nach dem Vorbild von Itaú Unibanco ihre eigenen Start-up-Zentren aufgebaut.

Sant’Ana von Saint Gobain sagt, dass der direkte tägliche Kontakt im Cubo entscheidend gewesen sei für den Wandel im Konzern. 600 Mitarbeiter haben regelmäßig mit Cubo zu tun. Das sei einer der Gründe, warum Saint Gobain in den vergangenen Jahren in allen Sparten schneller als der Markt gewachsen sei.

Sogar aus Frankreich hat inzwischen der gesamte Verwaltungsrat persönlich in São Paulo vorbeigeschaut. Die Zusammenarbeit mit Cubo und der Start-up-Kultur wird in der Gruppe als Modell gesehen.