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Bosch-Manager bereitet Belegschaft auf weiteren Stellenabbau vor

Stefan Hartung, Chef der Mobilitätssparte von Bosch, spricht im Interview über Personalabbau, den neuen Umgang mit Automobilkonzernen und eine Strategie-Entscheidung.

Der weltgrößte Automobilzulieferer Bosch bereitet seine Belegschaft auf weiteren Personalabbau vor. „Alle müssen ihre Kapazitäten anpassen. Auch Bosch“, sagte Stefan Hartung, Chef der Bosch-Mobility-Sparte, im Interview mit dem Handelsblatt.

Bislang bekannt ist der Abbau von 2600 Stellen in Deutschland. Genaue Zahlen darüber hinaus nannte Hartung im Interview nicht. Die ganze Autoindustrie kämpfe derzeit mit konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen.

Anders als Konkurrent Continental gibt Bosch kein komplettes großes Sparpaket bekannt. Die Schwaben wollen lieber einzeln entscheiden. „Wir suchen im engen Austausch mit den Arbeitnehmervertretern Standort für Standort und Erzeugnis für Erzeugnis maßgeschneiderte Lösungen“, sagte Hartung. Dieses Vorgehen trage der komplexen Situation am besten Rechnung.

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Der Bosch-Geschäftsführer rechnet inzwischen mit einem Schrumpfen der Automobilproduktion um 6,5 Prozent in diesem Jahr, was über sechs Millionen Fahrzeugen weniger als noch im Jahr 2018 entspricht. Besserung sei nicht in Sicht. „Wir rechnen nicht mit einer konjunkturellen Delle von nur ein oder zwei Jahren, sondern gehen davon aus, dass die Automobilproduktion bis 2025 nicht wächst.“

Auch Bosch sieht sich angesichts der Lage gezwungen, manche Projekte nicht mehr zu verfolgen. „Wir haben beispielsweise entschieden, dass wir im Bereich der Mobilitätsservices kein Endkundengeschäft anbieten werden“, sagte Hartung. Bosch werde aber künftig Technologielieferant für Mobilitätsanbieter wie Didi, Uber oder Lyft sein.

In diesem Jahr rechnet Hartung in der automobilen Sparte mit einem Umsatz „leicht unter dem Vorjahreswert von 47,6 Milliarden Euro“. Bosch werde aber noch deutlich besser abschneiden als der schrumpfende Markt, insbesondere bei Assistenzsystemen und Elektronik. Das Renditeniveau des Vorjahrs sei nicht zu halten.

Lesen Sie hier das ganze Interview:

Herr Hartung, wussten Sie eigentlich, was auf Sie zukommt, als Sie vor einem Jahr den derzeit härtesten Job im Bosch-Konzern übernahmen?
Es ist eine Herausforderung, keine Frage. Aber eine solche Aufgabe wäre es auch unter anderen Rahmenbedingungen. Disruptive Umbrüche, wie wir sie gerade erleben, werden immer zu Abweichungen zwischen Planung und Realität führen. Das ist anstrengend und spannend zugleich.

Sie müssen Personal abbauen. Der Ton der Arbeitnehmer verschärft sich. Das war auch am Freitag bei den Protesten mit 15.000 Menschen in Stuttgart zu spüren. Andere Zulieferer machen ganze Werke dicht. Schließen Sie das für Bosch aus?
Ich habe Verständnis für die Proteste und die Sorge der Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze. Die ganze Autoindustrie kämpft derzeit mit konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen zugleich. Alle müssen ihre Kapazitäten anpassen. Auch Bosch. Wir sind uns der Verantwortung völlig bewusst.

Haben Sie Angst, den Arbeitnehmern die gesamte Wahrheit zu sagen?
Nein, im Gegenteil, wir haben traditionell ein besonderes Verhältnis zu den Arbeitnehmern. Wir reden früh, informieren, sondieren und wägen, wie jetzt, schwierige Entscheidungen miteinander ab. Außerdem geht es auch nicht in erster Linie um die Frage, wie viele Stellen abgebaut werden müssen.

Und um welche geht es dann?
Es geht um die Frage, wie wir möglichst sozial verträglich auf den konjunkturellen Gegenwind und die Transformation der Mobilität reagieren. Wenn wir mit den Arbeitnehmervertretern über Themen wie Überkapazitäten sprechen, dann kann man aber nicht damit rechnen, dass es geräuschlos bleibt. Dafür sind die Positionen zu konträr.

Bislang tasten Sie sich Werk für Werk vor. Das wirkt wie eine Salamitaktik.
Das mag für Sie so wirken. Tatsächlich suchen wir im engen Austausch mit den Arbeitnehmervertretern Standort für Standort und Erzeugnis für Erzeugnis maßgeschneiderte Lösungen. Dieses Vorgehen trägt der komplexen Situation am besten Rechnung. Wir haben viele Entwicklungen und Einflüsse gleichzeitig zu berücksichtigen. Wie wird der Antriebsmix aussehen und welche Auftragsvolumen stehen dahinter? Zusätzlich haben wir ein massives konjunkturelles Problem. Die Automobilproduktion wird 2019 voraussichtlich um 6,5 Prozent schrumpfen. Und im kommenden Jahr wird es auch kein Wachstum geben.

Dann wird es schlimmer als befürchtet.
Die Hersteller haben ihre Planungen dieses Jahr mehrfach korrigiert, auf jetzt rund 91 Millionen produzierte Fahrzeuge weltweit. Es fehlen gegenüber dem Vorjahr rund sechs Millionen Fahrzeuge. Wenn ein Auto nicht gebaut wird, können wir auch keine Teile liefern.

Konnte man nicht früher bremsen?
Natürlich haben wir unsere Produktion schon zuvor angepasst. Unsere Strukturen sind aber grundsätzlich auf die höheren Stückzahlen ausgelegt, die wir in den Jahren 2017 und 2018 bereits hatten. Den raschen Rückgang im laufenden Jahr konnte man so nicht prognostizieren. Jetzt müssen wir auf Jahre mit einem deutlich kleineren Automarkt rechnen. Vor diesem Hintergrund müssen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten, um unsere Zukunft zu sichern.

Wie sehen denn die Geschäftszahlen aus?
Der Umsatz des Mobility-Solutions-Bereichs wird leicht unter dem Vorjahreswert von 47,6 Milliarden Euro liegen. Wir werden aber aufgrund neuer Produkte deutlich besser abschneiden als der Markt, insbesondere bei Assistenzsystemen und Elektronik. Ganz können wir uns der Marktentwicklung aber nicht entziehen. Wie bereits im Frühjahr angekündigt, werden wir das hohe Renditeniveau des Vorjahrs nicht halten können.

Und wie geht es weiter?
Wir rechnen nicht mit einer konjunkturellen Delle von nur ein oder zwei Jahren, sondern gehen davon aus, dass die Automobilproduktion bis 2025 nicht wächst. Das verändert die Lage völlig.

Überlagert die Konjunkturflaute die Probleme der Transformation?
Genau so ist es. Es kommt derzeit beides zusammen, und die Auswirkungen sind je nach Standort unterschiedlich. Und genau diese Sondersituation erfordert ein differenziertes Vorgehen bei der Kapazitätsanpassung. Ein großes Paket mit einem pauschalen Vorgehen ist für uns keine Lösung.

Können Sie bei dieser Taktik den als mitarbeiterfreundlich geltenden Bosch-Weg einhalten?
Wir gehen so vor, weil wir fest davon überzeugt sind, dass die Mitarbeiter von uns die Berücksichtigung aller Faktoren und die Prüfung aller Optionen erwarten. Wenn wir hier alle Standorte in einen Topf werfen, helfen wir keinem.

Das stellt Ihr Betriebsratschef Hartwig Geisel derzeit aber massiv infrage. Liegt der härtere Ton an seiner Person oder an Ihrer?
Ich denke, dass liegt an der Situation. Wir beide schätzen uns sehr. Das gilt auch für die IG Metall. Wir brauchen uns gegenseitig. Ich sehe den Bosch-Weg in keiner Weise gefährdet, wenn wir weiterhin konzentriert für jede Situation nach der richtigen Lösung für beide Seiten suchen.

Der Betriebsratschef spricht von wachsender Konfrontation.
Die aktuelle Situation ist nicht einfach, und von uns sind schwierige Entscheidungen und harte Maßnahmen gefordert. Daher kann ich die erhöhten Emotionen durchaus nachvollziehen. Wichtig ist, dass wir am Ende wieder an einem Tisch sitzen und über Lösungen reden.

Herr Geisel hat auch gesagt, dass es bei Bosch nur noch um Rendite geht. Das ging doch gegen Sie?
Wie jedes andere Unternehmen auch muss Bosch Geld verdienen, um seine Zukunft zu finanzieren und zu sichern. Das war schon immer so.

Aber der Blick auf die Rendite dominiert?
Als nicht börsennotiertes Unternehmen müssen wir jeden Cent, den wir investieren, selber verdienen. Wenn wir das nicht mehr können, gefährden wir unsere Zukunft. Zugleich wollen wir finanziell unabhängig bleiben – gerade um weiter den Bosch-Weg gehen zu können. Dafür brauchen wir eine angemessene Rendite. Wenn Standorte nicht mehr für die nachhaltige Finanzierung ihres Zukunftsgeschäfts aufkommen können, dann müssen wir reagieren.

Anders als Sie hat der Betriebsratschef Zahlen genannt: 2500 Stellen wurden bereits abgebaut, und 3300 sind geplant. Stimmt denn die Zahl?
Wichtig an der Stelle ist der Unterschied zwischen rechnerischem Kapazitätsanpassungsbedarf und tatsächlich wegfallenden Stellen. An den Antriebsstrang-Standorten Feuerbach und Schwieberdingen reden wir in Vertrieb, Verwaltung und Entwicklung über einen Kapazitätsanpassungsbedarf, der rechnerisch 1600 Stellen entspricht.
In Schwäbisch Gmünd bei den Lenksystemen über 1000 Stellen. Dort geht es auch um die Anpassung von Produktionskapazitäten. Mit welchen Instrumenten die Anpassungen umgesetzt werden und wie viele Stellen am Ende wegfallen, ist Gegenstand der Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern.

Warum wurde dann das Werk Bamberg mit 7000 Beschäftigten verschont?
In Bamberg ist es gelungen, eine Vereinbarung zur Arbeitszeitverkürzung zu treffen, die dem Standort eine Brücke in die Zukunft baut. Die Vereinbarung ist ein Kompromiss, der beiden Seiten viel abverlangt. Dennoch ist es in diesem Fall besser, Arbeitszeit zu reduzieren, als Stellen abzubauen. Für uns ist das eine gute Lösung.

Und was heißt das für das Werk in Nürnberg?
Wie gesagt, jeder Standort ist anders.

Laut Betriebsrat gibt es in Nürnberg kein Produkt, das Geld verdient?
In Nürnberg werden unter anderem Benzin-Hochdruckpumpen hergestellt. Auch da gibt es Herausforderungen, und wir werden eine konstruktive Lösung finden.

Verdienen Sie mit der E-Mobilität schon Geld?
Noch nicht, aktuell investieren wir noch. Jedes Jahr fließen rund 400 Millionen Euro in die Elektromobilität. Wir haben Aufträge im Wert von 13 Milliarden Euro in unseren Büchern. Die Gewinnschwelle liegt nicht mehr allzu weit in der Zukunft.

Konkurrenten schätzen zwischen 2022 und 2023.
Mit der Einschätzung liegen sie nicht ganz falsch.

E-Mobilität ist ein großer Trend in der Autoindustrie. Wie sieht Ihre Strategie darüber hinaus aus?
Wir haben uns sehr genau angeschaut, welche strategische Ausrichtung wir in dieser Transformationsphase brauchen. Ein Aspekt ist, dass wir die Kooperation intern, aber auch extern mit Partnern stärken, um die neue Mobilitäts-Ära zu gestalten.

Und wie?
Die gesamte Elektronikarchitektur von Fahrzeugen verändert sich gerade – von verteilten Steuergeräten zu zentralen Rechnern. Dadurch verändert sich auch die Zusammenarbeit mit den Herstellern, und wir müssen auch mit neuen Zulieferern zusammenarbeiten. Die neuen Systeme sind so komplex, dass der Zulieferer permanent und schnell mit dem Hersteller interagieren muss. Für uns ist wichtig, dass wir diesen Prozess mitgestalten können.

Das birgt die Gefahr, sich zu übernehmen.
Deshalb ist es Teil unserer unternehmerischen Verantwortung, regelmäßig das Portfolio und die Ausrichtung zu prüfen. Wir haben beispielsweise entschieden, dass wir im Bereich der Mobilitätsservices kein Endkundengeschäft anbieten werden. Wir haben einiges ausprobiert und dabei viel gelernt. Wir werden künftig Technologielieferant für Mobilitätsanbieter wie Didi, Uber oder Lyft sein.

Wie sieht die neue Form der Kooperation aus?
Im Zulieferergeschäft wird niemand mehr mit den klassischen Managementmethoden und Arbeitsabläufen auf Dauer überleben können. Wir werden agiler und schneller werden müssen. Die großen Fahrzeughersteller betreiben das übrigens auch ganz intensiv und haben beispielsweise den Umbau ihrer Softwareorganisationen angekündigt.

Und wo steht Bosch in Sachen Software?
Mit 14.000 Spezialisten sind wir einer der führenden Softwareanbieter im Automarkt und für die Herausforderungen gut gerüstet. Aber auch wir müssen noch einen ordentlichen Weg gehen, und das werden wir auch tun. Dafür investieren wir kontinuierlich in unsere Softwarekompetenz.

Herr Hartung, vielen Dank für das Interview.