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Wie Boris Johnson die EU auf den letzten Metern spalten will

Zum ersten Mal in diesem Jahr werden die Staats- und Regierungschefs in Brüssel über den Brexit beraten – und zwar persönlich. Die Hauptrolle spielt plötzlich ein Thema mit reichlich Konfliktpotenzial: die Fischerei.

Wenn die 27 Staats- und Regierungschefs der EU an diesem Donnerstag in Brüssel turnusgemäß zum EU-Gipfel zusammenkommen, wissen sie nicht, wann sie sich das nächste Mal physisch treffen können. In allen Mitgliedsstaaten ziehen die Corona-Zahlen so deutlich an, dass der nächste Gipfel höchstwahrscheinlich als Videokonferenz stattfinden wird. Ein Anreiz mehr, bei der persönlichen Begegnung, Uneinigkeiten beim Brexit aus dem Weg zu räumen.

Zum ersten Mal in diesem Jahr ziert das Thema die Tagesordnung. Vor dem Treffen steht bereits fest, dass die Staats- und Regierungschefs Chefunterhändler Michel Barnier den Auftrag erteilen werden, weiter mit den Briten zu verhandeln. Die bisherigen Fortschritte bei den zähen Gesprächen reichen für eine Vereinbarung über die künftigen Beziehungen nicht aus. Die Debatte am Donnerstag wird freilegen, welche Konfliktlinien zwischen den EU-Staaten noch bestehen. Das Thema Fischerei steht dabei an erster Stelle. Wenn Großbritannien aus der EU austritt, muss der Zugang zu britischen Fanggründen neu verhandelt werden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und sieben weitere Küstenstaaten mit Fischereiflotten pochen darauf, dass die Rechte in britischen Gewässern auf dem aktuellen Stand bleiben. Macron will die Fischquoten offensiv ansprechen.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel birgt das ein Dilemma. Als Realistin weiß sie, dass Großbritannien den Status Quo nicht aufrechterhalten wird. Das Land hat keinen Anreiz, Fischern aus den EU-Ländern wie bisher Zugang zu seinen Fischgründen zuzugestehen. Premier Boris Johnson würde sich darauf nur einlassen, wenn er dafür einen enorm hohen Preis an anderer Stelle bekommen würde. Gleichzeitig muss Merkel, aktuell Ratspräsidentin der EU, das Anliegen Macrons ernst nehmen. Immerhin hat die EU bisher in den Brexit-Verhandlungen Stärke zeigen können, weil die Länder geschlossen auftraten und die Sensibilität der anderen respektierten.

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Und so spielt die Fischerei, die in der EU gerade einmal 100.000 Menschen beschäftigt, plötzlich eine große Rolle bei den Brexit-Verhandlungen. Macron befürchtet Ausschreitungen der Fischer, die ihren Unmut nicht nur an der Urne kundtun würden. In internen Sitzungen hat er zu verstehen gegeben, dass er keine Szenen wie bei den Gelbwestenprotesten sehen möchte. Macron steht innenpolitisch ohnehin unter Druck. Sein Krisenmanagement in Zeiten der Pandemie empfinden viele Franzosen als wenig überzeugend. Gerade erst hat er die Maßnahmen verschärft, um zu beweisen, dass er durchgreifen kann. Ein Erfolg in den Breit-Verhandlungen wäre sehr willkommen.

Für die Bundesregierung sind dagegen die Wettbewerbsbedingungen wesentlich wichtiger, im EU-Jargon unter „level playing field“ bekannt. Dabei soll vermieden werden, dass Großbritannien den Wettbewerb verzerrt, indem es etwa Unternehmen großzügig subventioniert.

Die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsstaaten beobachten die Briten seit Beginn der Breit-Verhandlungen mit großem Interesse. Johnson und auch Vorgänger haben genaustens darauf gesetzt, die 27 EU-Mitgliedsstaaten untereinander ausspielen zu können. Deutschland, so das Kalkül in London, wolle weiter nach Großbritannien exportieren und werde schnell zu Konzessionen bereit sein. Das hat sich bisher als Fehlkalkulation erwiesen.

Johnson gibt dennoch die Hoffnung nicht auf, dass die Einigkeit der EU auf den letzten Metern zerbricht. Die Mitgliedsstaaten wollen einen Deal, auch wenn für sie die negativen Folgen eines harten Brexits weniger gravierend wären als für Großbritannien selbst.

Johnson hatte versucht, Druck aufzubauen, indem er den 15. Oktober als letztmöglichen Tag für eine Einigung ausgerufen hatte. Diese Frist wird folgenlos verstreichen. EU-Diplomaten rechnen mit einem Durchbruch erst auf einem Sondergipfel, der womöglich Anfang November stattfindet.

Die EU-Staats- und Regierungschef beobachten, dass Johnson innenpolitisch geschwächt ist, weil er in der Coronakrise eine schlechte Figur abgibt. Ob er aus der divergierenden Interessenlage in der EU tatsächlich Profit schlagen kann, muss sich erst noch erweisen. Trotz des lautstarken Getöses seien die Briten aber sehr interessiert an einem Abkommen, heißt es aus Verhandlungskreisen.

Mehr zum Thema: Kein Wunder, dass sich die Brexit-Verhandlungen am Fischfang verhaken. Ein Protokoll.