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Bombe im Hardcover-Format

Eigentlich kommt Michael Wolffs neues Buch erst am Dienstag in die Buchhandlungen. Doch schon jetzt spricht ganz Washington darüber. Der US-Journalist hat sein Enthüllungsbuch „Fire and Fury“ genannt, also „Feuer und Wut“ - in Anspielung auf Donald Trumps explosiven Wortlaut in Richtung Nordkorea. Überzogen ist der Titel nicht. Wolffs Buch ist eine politisch-literarische Bombe.

Es ist das erste große Enthüllungsbuch der Trump-Ära, für das ein Journalist Zugang zum Weißen Haus erlangt hat. „Fire and Fury“ rekonstruiert die späte Kampagne des heutigen US-Präsidenten und seine Anfangszeit im Weißen Haus. Nach den Angaben des Autors bekam er dafür sogar Trumps Segen, vermutlich wegen Wolffs engen Kontakten zum Medienmogul Rupert Murdoch. 2008 hatte Wolff die aufsehenerregende Murdoch-Biografie „The Man who owns the News“ veröffentlicht. Doch was er nun in seinem neuen Insiderbuch verbreitet, hat Trump sicher nicht erwartet.

Allein die ersten Auszüge, die zunächst der New Yorker veröffentlichte, haben es in sich. Sie sorgten dafür, dass Trumps Ex-Chefstratege Steve Bannon Besuch von Präsidenten-Anwälten bekam, und Mitglieder des Trump-Clans bangen müssen, in der Russland-Affäre stärker belastet zu werden.

Vor allem aber macht das Buch die Figur, das Prinzip Donald Trump noch fragwürdiger, noch lächerlicher, noch angreifbarer.

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Es strotzt vor Gossip-Details, die man genüsslich verschlingt. Wolff schreibt über Melania Trump, die in der Wahlnacht in Tränen aufgelöst war („nicht vor Freude“), weil ihr Mann nun Präsident werden muss. Über Trump selbst, dass er das Wahlergebnis „blass wie ein Geist“ zur Kenntnis nahm. Dass der Präsident drei Fernseher an seine Schlafzimmerwände dübeln ließ und getrennt von Melania nächtigt. Dass er seinem Hauspersonal verbietet, seine Zahnbürste zu berühren oder Hemden aufzulesen („Wenn mein Hemd auf dem Boden ist, dann will ich es auf dem Boden haben.“). Dass er gelangweilt abbricht, wenn man ihm Grundlagen der Verfassung beibringen will. Und dass er Fast Food verspeist, weil er Panik hat, vergiftet zu werden.

Wären es nur diese Peinlichkeiten, würde das Buch vielleicht nur als eine von vielen Trump-Lektüren in der Versenkung verschwinden. Doch es spricht Einiges dafür, dass die 336 Seiten den Präsidenten und die Öffentlichkeit noch länger beschäftigen - und womöglich justiziable Folgen haben werden.

„Sie werden Don Junior wie ein rohes Ei knacken“

So sieht Kronzeuge Bannon das berüchtigte Treffen zwischen Trump-Sohn Don Jr. und russischen Vertretern im Wahlkampf als „verräterisch“. Das Treffen, bei dem belastende Informationen aus Russland über Hillary Clinton versprochen wurden, ist ein Schwerpunkt der Untersuchung von Sonderermittler Robert Mueller. Es könnte Aufschluss darüber geben, ob Trumps Umfeld offen war für eine Manipulation der US-Wahl aus dem Ausland. Eine aktive Beteiligung daran wäre eine Straftat.

Bannon glaubt laut Wolffs Buch, dass Donald Trump persönlich von dem Treffen wusste. Der Präsident selbst hat das immer bestritten. Die Chance, so Bannon jetzt, dass die Informationen nicht zu Trump gelangten, „ist null“. Am Ende würde die Naivität seines Sohnes Trump zu Fall bringen, prophezeit er. „Sie werden Don Junior wie ein rohes Ei knacken“, heißt es in dem Buch. Auch Vorwürfe der Geldwäsche und die Geschäfte der Familie Trump mit der Deutschen Bank seien der Schlüssel für einen Sturz. Die Leute des Präsidenten „sitzen an einem Strand und versuchen, einen Sturm Kategorie Fünf aufzuhalten“, so Bannon.

Eine andere heikle Beschreibung Wolffs betrifft die Stunden, nachdem das Treffen im Juli öffentlich bekannt wurde. Damals verteidigte das Weiße Haus zunächst Don Jr., die Erklärung wurde eilig an Bord der Air Force One verfasst und musste später relativiert werden. Laut Wolff gab es schon zu diesem Zeitpunkt Mahnungen aus der Rechtsabteilung, die Erklärung könnte die Justiz behindern. Später verlor der Jurist, der davor gewarnt hatte, seinen Job.

Es sind Passagen wie diese, die das Buch zu einem ganz anderen Kaliber machen als etwa die Veröffentlichung von Trump Ex-Kampagnenmanager Corey Lewandowski, die im Vergleich belanglosen Klatsch verbreitet. Wolff treibt die Zweifel an Trumps Integrität weiter ins erste Amtsjahr, stärkt Gerüchte mit Aussagen - und beschreibt, wie selbst Menschen, die den Präsidenten noch immer umgeben, seine Intelligenz in Frage stellen. Für Finanzminister Steve Mnuchin etwa sei Trump „ein Idiot“, für Gary Cohn, Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats, sei er „dumm wie Scheiße“. „Ich bin in einem ständigen Schockzustand und Entsetzen“, soll Cohn Vertrauten erzählt haben.

Bei aller beeindruckenden Recherche muss man auch Vorsicht walten lassen. Kein Journalist hat Anspruch auf die ganze Wahrheit. Wolff wurde in der Vergangenheit gelegentlich schlampige Arbeit vorgeworfen. Und selbst ein Kronzeuge wie Bannon verfolgt Eigeninteressen, er fährt einen Anti-Establishment-Krieg und interessiert sich laut Wolff für eine Präsidentschaftskandidatur. Näher als Wolff ist aber bislang kein Journalist an Trumps inneren Zirkel herangekommen. Man kann davon ausgehen, dass die vielen Interviews mit Mitarbeitern, (Ex-)Kollegen oder Bekannten des US-Präsidenten zumindest ein detailliertes, belastbares Bild zeichnen.

Dass sich der Präsident davon bedroht fühlt und das Buch ernst nimmt, zeigte seine erste Reaktion. Bannon habe „seinen Verstand verloren“, ließ er mitteilen, und Sarah Sanders, die Sprecherin des Weißen Hauses, nannte Wolffs Buch „trashige Tabloid-Fiktion“. Mindestens ein Dutzend Trump-Anwälte sind seit der Veröffentlichung an Wolff und Bannon dran, der Deutungskampf geht weiter. Für den Moment aber ist Trump, der sonst am lautesten „Feuer und Wut“ verbreitet, in der Defensive.