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Bodo Ramelow erneut Ministerpräsident – und verweigert Höcke den Handschlag

Mit der Wahl des Linken-Spitzenkandidaten endet vorerst die politische Hängepartie in Erfurt. Im dritten Wahlgang hatte Ramelow keinen Gegenkandidaten.

Es ist kurz nach 16 Uhr an diesem Mittwoch im Erfurter Landtag, als Bodo Ramelow aufatmen kann. Soeben ist er zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt worden. Der 64-Jährige erhielt im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit der Stimmen. Für Ramelow stimmten 42 Abgeordnete – genauso viele, wie sein rot-rot-grünes Bündnis über Abgeordnete verfügt. Mit „Nein“ stimmten 23 Abgeordnete.

Einer der ersten Gratulanten ist der abgewählte FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich. Er drückt Ramelow lange die Hand und überreicht dem Linken einen bunten Blumenstrauß. Auch die CDU-Fraktion hat Blumen für den Ministerpräsidenten.

Als der AfD-Politiker Björn Höcke vor Ramelow tritt, verweigert dieser ihm demonstrativ den Handschlag. Später sagt Ramelow zur Begründung, Höcke habe sich nach der Wahl Kemmerichs Anfang Februar damit gebrüstet, dem Politiker eine „Falle“ gestellt zu haben. Erst wenn Höcke die Demokratie verteidige und nicht Demokraten Fallen stelle, werde er ihm die Hand schütteln. Der AfD rief er entgegen: „Sie sind die Brandstifter in diesem Saal.“

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AfD-Chef Höcke kritisierte Ramelow später scharf für die Verweigerung des Handschlags: „Diese Manierlosigkeit des neuen Ministerpräsidenten ist eine Schande für Thüringen“, sagte der AfD-Chef in einem Interview von n-tv. Für ihn sei es „ein Bedürfnis“ gewesen, ihm die Hand zu schütteln. Nicht weil er sich freue, dass Ramelow als „Kandidat der SED“ in das Amt des Ministerpräsidenten zurückkehre, sondern weil er ihm damit zeigen wolle, dass er diese formal korrekte, demokratische Wahl akzeptiere.

Mit der Wahl Ramelows endet vorerst die politische Hängepartie in Thüringen, in deren Verlauf auch die gesamte Bundespolitik erschüttert wurde. Begonnen hatte es mit der Wahl am 27. Oktober vergangenen Jahres. Zwar wurde die Linkspartei dabei mit 31 Prozent stärkste Kraft, doch die von Ramelow bis dahin angeführte rot-rot-grüne Koalition verlor ihre knappe Mehrheit. Zweitstärkste Kraft wurde die AfD mit 23,4 Prozent, gefolgt von der CDU mit 21,7 Prozent.

Es folgte ein zähes Ringen um eine Regierungsbildung. CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring liebäugelte zunächst mit einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei, wurde aber schnell von der Bundes-CDU zurückgepfiffen.

Anschließend brachte er eine Minderheitsregierung mit SPD, Grünen und FDP ins Gespräch. Auch das klappte nicht. Andeutungen aus der Thüringer CDU-Fraktion, man solle auch eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht ausschließen, sorgten für Empörung.

Die CDU stellte bei ihrem Bundesparteitag in Leipzig Ende des Jahres noch einmal per Beschluss klar, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD oder der Linkspartei geben soll. Alle Versuche einer Regierungsbildung in Thüringen scheiterten.

Neuwahl des Parlaments für 25. April 2021 angestrebt

Am 5. Februar folgte dann eine folgenreiche Wahl im Thüringer Landtag. Im dritten Wahlgang wurde der FDP-Politiker Kemmerich mit Unterstützung der CDU und der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. Ein politisches Beben ging durch Deutschland. Ein Foto, auf dem der AfD-Rechtsaußenpolitiker dem neuen FDP-Ministerpräsidenten Kemmerich gratuliert, wurde als „Handschlag der Schande“ bezeichnet.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer machte noch am selben Tag deutlich, dass sie das Vorgehen der Thüringer CDU-Kollegen missbilligt. FDP-Chef Christian Lindner äußerte sich zunächst weniger deutlich. Erst einen Tag später sprach auch er sich für einen Rücktritt Kemmerichs aus.

Kanzlerin Angela Merkel schaltete sich von einer Auslandsreise in die Debatte ein, bezeichnete den Vorgang als „unverzeihlich“ und forderte, die Wahl rückgängig zu machen. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer reiste nach Erfurt und forderte von den CDU-Abgeordneten, schnell Neuwahlen zu ermöglichen.

Durchsetzen konnte sie sich damit nicht. Wenige Tage später kündigte Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug von der CDU-Spitze an. Sie stand schon länger parteiintern unter Druck, die Vorgänge rund um Thüringen und die Kritik an ihrem Krisenmanagement dürften den letzten Ausschlag für ihre Entscheidung gegeben haben.

Ramelow lud nach seiner Wiederwahl die CDU zur Zusammenarbeit ein. Er danke der CDU-Fraktion, dass sie trotz der Auseinandersetzungen mit der Bundespartei nun mit für stabile Verhältnisse im Freistaat gesorgt habe, sagte Ramelow am Mittwoch in seiner Antrittsrede im Landtag.

Dabei verwies er auf eine gemeinsame Stabilitätsvereinbarung zwischen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung und der CDU-Fraktion, die am Mittwochmorgen unterzeichnet worden sei. Auf diese Weise sollen Neuwahlen im kommenden Jahr vorbereitet werden.

Die CDU-Fraktion hatte sich in allen drei Wahlgängen enthalten und damit ermöglicht, dass Ramelow zumindest im dritten Wahlgang die dann erforderliche einfache Mehrheit erhalten hat. „Ich baue auf die Unterstützung der demokratischen Fraktionen in diesem hohen Haus“, sagte Ramelow in seiner Rede nach der Wahl.

Die FDP-Abgeordneten verteidigten indes ihre Entscheidung, bei allen drei Wahlgängen im Plenarsaal des Landtags sitzen zu bleiben und nicht mit abzustimmen. „Auch die Nichtteilnahme an einer Wahlhandlung ist eine aktive Wahrnehmung des freien Abgeordnetenmandats. Damit wurde auch dokumentiert, dass Stimmen der FDP nicht einem der beiden Kandidaten zugeflossen sind“, erklärte die Fraktion am Mittwoch in Erfurt.

Ein deutlicheres Signal der Ablehnung beider Kandidaten, also Ramelows und des AfD-Chefs Björn Höcke, könne es in dieser Situation für Liberale nicht geben. Die Fraktion verwies darauf, dass Ramelow in insgesamt sechs Wahlgängen keine Mehrheit des Landtags auf sich vereinigen konnte und erst mit relativer Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt wurde.

Ramelow ernennt seine Minister

Die CDU-Fraktion sicherte Ramelow nach dessen Wahl zu, als „konstruktive Opposition“ zu agieren: „Das Land muss jetzt schnell im Sinne der vereinbarten parlamentarischen Verfahrensweise in ruhigeres Fahrwasser kommen.“

Linke, SPD und Grüne hatten sich mit der CDU darauf verständigt, bei bestimmten Projekten gemeinsam für parlamentarische Mehrheiten zu sorgen – für einen begrenzten Zeitraum. Eine Neuwahl des Parlaments soll es am 25. April 2021 geben.

Ein früherer Urnengang wäre nicht im Interesse der CDU gewesen. Laut Umfragen müsste sie mit einer Halbierung ihres Stimmenanteils rechnen.

Bei der anstehenden Arbeit der rot-rot-grünen Minderheitsregierung in Thüringen will Ramelow auch auf die FDP zugehen. „Aus dem Wort ,Krise' wollen wir das Wort ,Chance' herauslösen und ausarbeiten“, sagte Ramelow.

Ziel sei es, dass im Landtag „keine destruktive Mehrheit“ mehr entstehen könne. „Dass wir uns nicht treiben lassen von einer Fraktion, die Fallen baut und Leimruten“, erklärte Ramelow mit Blick auf die AfD.

Ramelow ernannte nach seiner Wahl die Minister seiner Minderheitsregierung: Thüringens SPD-Chef Wolfgang Tiefensee und die Grünen-Politikerin Anja Siegesmund sind Stellvertreter des Ministerpräsidenten. Tiefensee leitet wie in der vergangenen Legislatur das Wirtschaftsministerium, Siegesmund wird verantwortlich für das Umweltministerium sein.

Neu in Ramelows Kabinett ist Dirk Adams, der bislang Fraktionschef der Grünen im Thüringer Landtag war und nun das Ressort Justiz, Migration und Verbraucherschutz leiten soll. Das Infrastruktur- und Agrarministerium soll geschäftsführend durch Benjamin Immanuel Hoff (Linke) geführt werden. Hoff ist auch Chef der Staatskanzlei und Kulturminister. Die frühere Agrarministerin Birgit Keller ist heute Thüringens Landtagspräsidentin. Die restlichen Ministerien besetzte Ramelow mit dem gleichen Personal wie in der vergangenen Legislatur.

Mit Material von dpa