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Der BMW-Daimler-Plan für das autonome Fahren

Die Rivalität zwischen Daimler und BMW gilt als legendär. Die jahrzehntelange Konkurrenz machte letztlich beide Marken zu globalen Weltmarktführern für Edellimousinen. Doch bald könnte der Wettbewerb zumindest in Teilbereichen ausgebremst werden: BMW-Chef Harald Krüger und Daimler-Entwicklungschef Ola Källenius prüfen derzeit die Möglichkeit umfangreicher Allianzen, erfuhr das Handelsblatt aus Kreisen beider Unternehmen.

Im Zentrum der Gespräche steht eine engere Kooperation beim Zukunftsthema autonomes Fahren. Geprüft wird eine Zusammenlegung der Produktentwicklung, sogar Patente könnten sich die Unternehmen gegenseitig offenlegen. Ziel ist es, die milliardenschweren Entwicklungskosten zu senken und einen gemeinsamen Industriestandard zu etablieren. Beide Konzerne kommentieren die Gespräche nicht, betonen aber ihre grundsätzliche Offenheit.

Stagnierende Absätze, schrumpfende Gewinne und uferlose Entwicklungskosten: BMW-Chef Harald Krüger und Daimlers Entwicklungsvorstand Ola Källenius machen sich keine Illusionen über die Zukunft ihrer Unternehmen. Die besten Jahre der deutschen Edelhersteller sind vorerst vorbei, die Aktienkurse sind ohnehin im Dauertief.

Källenius, der ab Mai Dieter Zetsche als Daimler-Chef ablösen soll, braucht einen Plan für die Zukunft. Und auch BMW-Chef Harald Krüger muss seinen Großaktionären aus der Familie Quandt erklären, wie der Konzern in Zukunft technisch an der Spitze bleibt und die Rendite hält. Auch er hofft, mit einer zweiten Amtszeit bis 2025 an Bord bleiben zu dürfen.

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Allein wird das für jedes Unternehmen schwierig – selbst für Schwergewichte wie VW und Ford. Die Nummern eins und vier der Branche gaben auf der Automesse in Detroit den Beginn einer umfangreichen Kooperation bekannt. Im Zentrum stehen dabei die Zukunftsfelder Elektromobilität und autonomes Fahren, deren Entwicklung und Vermarktung jedes Unternehmen einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten wird.

Wenn Ford und Volkswagen diese Ausgaben nicht allein schultern können, dann gilt dies auch für BMW und Daimler. Die Hersteller aus München und Stuttgart verdienen zwar pro Fahrzeug mehr Geld, sind im Vergleich zu den Marktführern beim Absatz aber eher Nischenhersteller: Volkswagen verkauft mit seinen zwölf Marken doppelt so viele Autos wie BMW und Daimler zusammen.

Krüger und Källenius wissen um diesen Rückstand. Nach Informationen des Handelsblatts führen sie daher Gespräche über eine weitreichende Zusammenarbeit. Schon im konventionellen Autobau ist die Themenliste lang: Beide brauchen mehr Wertschöpfung in den USA, um die neuen politischen Anforderungen der Nordamerikanischen Freihandelszone zu erfüllen.

Gesprochen wird etwa über eine gemeinsame Beschaffung von Komponenten wie Getrieben. Ähnlich geht man beim Thema Batteriezelle vor: Daimler will ebenso wie BMW seine Energiespeicher von CATL beziehen; die Chinesen bauen für einen Großauftrag von BMW ein Werk in Thüringen.

Kostensenkung um Milliarden

Teil der Gespräche ist zudem eine Kooperation bei kleineren Automodellen. Im Kompaktsegment könnten die Hersteller ihre Modelle der 1er-Reihe (BMW) und der A-Klasse (Daimler) auf eine gemeinsame Plattform stellen. Allein hiermit könnten sie die Kosten um Milliarden senken, wie Insider berichten.

Doch der Weg ist weit, denn beide Unternehmen haben ihre Kompaktklassen gerade erst erneuert. Selbst wenn sie jetzt beschließen sollten, zusammen zu planen und einzukaufen, sind Ergebnisse erst nach 2025 erzielbar.

Natürlich gibt es auf beiden Seiten auch Vorbehalte, die jahrelang gepflegte Rivalität wirkt fort. So sind die Widerstände bei den selbstbewussten Entwicklern von BMW und Daimler nach wie vor groß. Außerdem bleiben Bedenken mit Blick auf das Kartellrecht, wie es in Unternehmenskreisen heißt.

Keine unberechtigte Sorge: Die Europäische Kommission untersucht derzeit, ob BMW und Mercedes bereits in der Vergangenheit im Verbund mit anderen Unternehmen unerlaubt paktiert haben. Zurückhaltend ist BMW daher vor allem gegenüber Daimlers Vorschlag, künftig gemeinsame Filtersysteme für Dieselmotoren zu entwickeln. Branchenkreisen zufolge hat BMW diese Idee verworfen.

In München gibt es einen tiefsitzenden Groll: Daimler hatte 2016 die EU auf mögliche illegale Absprachen der Autohersteller bei Abgassystemen aufmerksam gemacht. Während Daimler nach der Kronzeugenregelung auf Milde hofft, fürchtet man bei BMW eine happige Strafe.

Doch die Herausforderungen im kommenden Jahrzehnt sind so groß, dass beide Unternehmen nun über ihren Schatten springen wollen. Ein Thema hat für Krüger und Källenius besondere Relevanz: die Zukunft des autonomen Fahrens. Beide Häuser investieren Milliarden in die Technik, die eines Tages den Fahrer im Auto überflüssig machen soll.

Für die erste Runde des Wettlaufs um die Zukunft sehen sich die Deutschen gut gerüstet: BMW hat sich mit Intel und dessen Tochter Mobileye verbündet. Auf einem Campus nördlich von München entwickeln über 1.000 Ingenieure den „iNext“. Das für 2021 geplante Elektro-SUV soll das automatisierte Fahren beherrschen und zumindest auf Autobahnen längere Zeit ohne Fahrer auskommen. Die Technik ist so gut, dass Fiat Chrysler dem Konsortium beigetreten ist.

Angreifer aus dem Silicon Valley

Daimler hingegen hat mit Bosch einen starken Partner an Bord. Die Schwaben wollen mit der neuen S-Klasse 2021 mindestens das sogenannte „Level3“ des autonomen Fahrens beherrschen. Allein Bosch hat über 1.000 Patente auf diesem Feld, so viele wie kein anderer Zulieferer.

Doch für die Zukunft reichen diese Prestigeprojekte nicht, heißt es in München und Stuttgart. Die weitere Evolution dieser Technik braucht ungleich mehr Testkilometer, Rechenleistung und die Entwicklung von Algorithmen, die in der Lage sind, komplizierte Situationen im Stadtverkehr zu beherrschen. Hier konkurrieren die Autohersteller mit Konzernen wie dem Fahrdienstvermittler Uber und dem Alphabet-Ableger Waymo.

Die Angreifer aus dem Silicon Valley investieren mit hohem Tempo in das autonome Fahren und setzen auf den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Während Uber darauf abzielt, den Fahrer zu ersetzen und Taxifahrten in Städten um bis zu 70 Prozent billiger anzubieten, ist der Anspruch von Waymo noch umfassender. Wie Android im Smartphone-Markt soll die Waymo-Software eines Tages das globale Betriebssystem der Autoindustrie werden.

Waymo setzt auf Autohersteller, die schon jetzt den Entwicklungswettlauf auf eigene Faust aufgegeben haben. So kooperiert Waymo bei seinen Testflotten ebenfalls mit Fiat Chrysler, aber auch Jaguar und Honda sind an Bord. Uber hat für seine Testflotte Volvo als Partner.

„Wer als Erster das autonome Fahren beherrscht, wer als Erster eine funktionierende autonom fahrende Taxiflotte anbietet, der besetzt einen riesigen Markt“, sagt Dietmar Voggenreiter von der Unternehmensberatung Horváth & Partners. „In den USA sind Waymo und Uber als Plattformbetreiber kaum noch zu verdrängen“, glaubt der ehemalige Audi-Manager, „aber in Europa sind die Rollen noch nicht verteilt.“

Horváth & Partners geht davon aus, dass 2035 das Marktpotenzial dieser Dienste auf 150 bis 200 Milliarden Euro pro Jahr steigen könnte. Das entspricht fast dem doppelten Umsatz der heutigen BMW-Group.

„Anders als im klassischen Autogeschäft geht es hier um Plattformlogik“, sagt ein beteiligter Manager. Wer möglichst viele Anbieter auf seine Seite zieht, kann die Kosten senken und einen Industriestandard setzen – eine Balance aus Sicherheit und Kosten. Es geht um die Frage, wie viele Sensoren ein Auto braucht und nach welchen Routinen ein Rechner die Reaktion eines Autos entscheidet.

Am Ende entscheiden Behörden und Versicherer anhand von gefahrenen Testkilometern, welche Technik auf die Straße darf. Klar ist: Die Premiumhersteller Mercedes und BMW sind selbst mit bester Technik allein zu klein, um einen solchen Standard in Europa oder den USA durchzusetzen.

Hinzu kommt, dass ein solcher Standard wohl nur in der westlichen Welt gelten würde. China hat eigene Vorstellungen und favorisiert ein anderes Modell. Statt selbstständig mithilfe von Satellitenortung seinen Weg über die Straßen zu finden, sollen die Fahrzeuge in Metropolen direkt miteinander und mit Ampeln kommunizieren.

Für diese Lösung werden weniger Sensoren, Radars und Rechnerleistung benötigt. Da kein Autohersteller auf ein Geschäft mit China verzichten kann, müssen die Konzerne parallel zwei Systeme entwickeln. „Über Kooperationen ließen sich die Kosten dramatisch verringern“, sagt ein Manager eines großen Produzenten.

Ein schlagkräftiger Dienstleister

Auch wenn Krüger und Källenius auf Widerstände in ihren Organisationen treffen, die ersten Schritte zu einer Allianz sind bereits gemacht. Im Jahr 2015 kauften Daimler und BMW gemeinsam mit der VW-Tochter Audi den Kartenanbieter Here. Die hochpräzisen Daten der ehemaligen Nokia-Tochter können es mit den Google-Datensätzen aufnehmen.

Ende 2018 verschmolzen Mercedes und BMW zudem ihre Car-Sharer „Car2go“ und „DriveNow“. Unter dem gemeinsamen Dach will man einen schlagkräftigen Mobilitätsdienstleister aufbauen, der zumindest in den europäischen Metropolen Uber und Co. im Zaum hält.

Im Umfeld dieser beiden Einheiten könnten die Aktivitäten für selbstfahrende Autos gebündelt werden, wie es hieß. Allerdings – so schränkten hochrangige Manager ein – befänden sich die Gespräche am Anfang. „Bis zu einem erfolgreichen Abschluss wird es noch dauern.“ Viel Zeit sollten die Schöpfer des autonomen Automobils aber nicht verstreichen lassen. Mit jedem Tag legt die Fahrzeugflotte von Waymo mehr Testkilometer zurück – und baut ihren Vorsprung aus.