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Vom Zugpferd zum Problemfall: Schafft die deutsche Autoindustrie den Turnaround?

  • Die Globalisierung wird zur Falle für die deutschen Hersteller

  • Das Band zwischen Politik und Konzernen ist überdehnt

  • Geldanlage: Warum die Aktien von VW, Daimler und Co. trotz Krise reizvoll sind

„E-tron-Partner“ steht auf einem Schild an der Eingangstür des Audi-Autohauses im Rheinland. Zu sehen gibt es den „e-tron“ hier aber nicht. „Frühestens ab Mitte März bekommen wir so einen Wagen“, sagt der Audi-Verkäufer.

Für Probefahrten, nicht zum Verkaufen. Bis dahin habe er leider nichts Elektrisches im Angebot. Könnte man denn alternativ einen Hybrid anschauen? „Selbst wenn Sie hier jetzt mit einem Koffer mit 100.000 Euro reinkommen würden – ich könnte Ihnen keinen Hybrid verkaufen.“ Er müsse da leider auf Ende des Jahres vertrösten, sagt der Mann, der Igelfrisur zu hellblauem Hemd trägt. Erst dann würden die Audi-Hybridmodelle wieder auf den Markt kommen.

Kein Hybrid, kein Elektro. Was würde der Verkäufer denn für einen Antrieb empfehlen? „Ich weiß, er ist in Verruf geraten. Aber nehmen Sie doch einen guten alten Diesel.“

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Willkommen im Jahr vier nach Ausbruch der Dieselkrise. In der Rhetorik der drei deutschen Autokonzerne ist der Verbrennungsmotor fast schon Geschichte. Audi lässt seinen e-tron einen Skihang hinauffahren wie dereinst den Quattro die Sprungschanze. Die Konzernmutter Volkswagen verkündet auf einer Handelsblatt-Konferenz, dass 2026 die Entwicklung neuer Verbrennungsmotoren enden soll.

„Emissionsfreie Automobile sind die Zukunft“, sagt der scheidende Daimler-Chef Dieter Zetsche und hat für diese elektrische Zukunft des Konzerns eigens die neue Submarke Mercedes EQ kreiert. Und bei BMW lässt man sich vom Misserfolg der beiden konzerneigenen Elektromodelle i3 und i8 nicht beirren und will bis Ende 2021 fünf, bis 2025 gar mindestens zwölf rein elektrische Modelle anbieten.

So viel Zukunft war selten in der Ankündigungspolitik der drei deutschen Autokonzerne. Und selten sah die Gegenwart so trostlos aus.

Weil die deutschen Autokonzerne die Umstellung auf den neuen EU-Prüfzyklus WLTP verpennt haben, sind viele Modelle derzeit nicht lieferbar. Betroffen sind auch manche der ohnehin raren Hybridvarianten. Bei echten Elektroautos sieht es noch finsterer aus.

Die Auslieferung des Audi e-tron sollte eigentlich bereits im Dezember beginnen, doch noch immer warten die ersten 15.000 vorgemerkten e-tron-Kunden auf ihre Fahrzeuge. Der erste Mercedes EQ lässt sich noch nicht einmal vorbestellen. Stattdessen stehen die Showrooms der Konzerne voll mit schwer vermittelbaren Dieselmodellen.

Deutsche Autobauer haben wertvolle Zeit vertan

Jetzt rächt sich, dass Volkswagen, Daimler und mit Abstrichen auch BMW nach der Aufdeckung des Dieselskandals 2015 wertvolle Zeit vertan haben. Kaum jemand in den Konzernzentralen wollte damals wahrhaben, dass die liebste Antriebstechnik der deutschen Autobauer mit dem Abgasbetrug von Volkswagen einen irreparablen Imageschaden erlitten hatte. Störrisch hielten die Automanager an ihrem Lieblingsantrieb fest, verwiesen immer wieder darauf, dass neuere Diesel die Abgasgrenzwerte problemlos erfüllen.
Volkswagen, BMW und Daimler wurde es anfangs leicht gemacht, die neue Realität trotz Dieselbetrug zu ignorieren. Das Geschäft lief ja weiterhin blendend. Vor allem das scheinbar unaufhaltsame Wachstum in China beflügelte die Fantasie der Konzernstrategen.

Erst im vergangenen Jahr begann sich der Wind zu drehen. Ein Absatzeinbruch der Autokonzerne im dritten Quartal 2018 zog die gesamte deutsche Wirtschaftsleistung ins Minus – ein kleiner Reminder, wie stark der deutsche Wohlstand von rollenden Reifen und röhrenden Motoren abhängt.

Nun ist auch noch das Geschäft in den USA gefährdet: US-Präsident Donald Trump hat den Handelskonflikt mit der Europäischen Union wieder aufleben lassen und droht Europas Autobauern mit Einfuhrzöllen von 25 Prozent. Die Folgen wären fatal: Allein BMW würde nach Berechnungen des Londoner Marktforschers ISI Evercore durch die Zölle jährliche Gewinneinbußen von 1,7 Milliarden Euro verbuchen, das wäre fast ein Fünftel des Jahresüberschusses.

Daimler käme auf zwei Milliarden, der VW-Konzern sogar auf 2,5 Milliarden Euro. „Im schlimmsten Fall könnte es so kommen“, bestätigt Volkswagen-Chef Herbert Diess diese Negativprognose. Und noch gibt es keine Anzeichen, dass sich die diplomatischen Verspannungen in absehbarer Zeit legen könnten.

Vergebens war offenbar der Canossagang gen Washington, den die deutschen Automanager Dieter Zetsche, VW-Boss Herbert Diess und BMW-Finanzvorstand Nicolas Peter im Dezember unternommen hatten, um Trump milde zu stimmen. Dass die drei Autobosse kurzfristig sogar einen Termin beim Präsidenten persönlich bekamen, war damals noch als Versöhnungssignal des Weißen Hauses gewertet worden. Doch einmal mehr zeigt sich nun, dass das einzig Berechenbare an Donald Trump seine Unberechenbarkeit ist.

Die US-Zölle sind aber nicht der einzige Krisenherd. Das Wachstum in China schwächt sich ab. Der Brexit bedroht nicht nur das Exportgeschäft nach Großbritannien, sondern auch die Zukunft der hier produzierten BMW-Submarke Mini. Und während sich die deutschen Autokonzerne noch abmühen, die ab 2021 in der EU geltenden CO2-Grenzwerte zu erfüllen, hat die EU bereits die Latte höhergelegt: Bis 2030 soll der CO2-Flottenausstoß noch einmal um 37,5 Prozent sinken.

Dringend wie nie zuvor bräuchten die Autokonzerne in diesen Tagen die Unterstützung der Politik, auf die sie sich jahrzehntelang nahezu blind verlassen konnten. Was immer in der Vergangenheit an umweltpolitischer Unbill aus Brüssel nahte, wechselnde Bundesregierungen haben es zuverlässig abgeschmettert, verschleppt oder verwässert.

Doch das stählerne Band zwischen Politik und Autolobby ist überdehnt. Vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel ist durch die immer wieder gebrochenen Reformversprechen der Konzerne auf Distanz zur Autoindustrie gegangen.

Es ist ein ziemlich perfekter Sturm, der sich da über den deutschen Autobauern zusammenbraut. Daimler hat bereits die Dividende gekürzt, BMW eine Gewinnwarnung verkündet. Audi streicht Schichten im Ingolstädter Stammwerk und jede zehnte Stelle im Management.

Jetzt rächt es sich, dass die Konzerne die Jahre der Hochkonjunktur nicht genutzt haben, um sich auf die automobile Zukunft vorzubereiten. Zu lange wurde allein auf den Diesel gesetzt, um die schweren deutschen Prestigevehikel halbwegs effizient zu bewegen.

Inzwischen hat in den Vorstandsetagen immerhin ein Umdenken eingesetzt. Doch in den Autohäusern ist dieser Schwenk noch nicht angekommen. Ebenso wenig wie an den Finanzmärkten. Hier fällt das Urteil über die deutschen Autokonzerne niederschmetternd aus.

Trotz weiterhin hoher Gewinne und ordentlicher Dividenden sind Daimler, BMW und Volkswagen an der Börse geringer bewertet als ihr eigener Buchwert. Die Investoren rechnen also damit, dass die Autokonzerne in den kommenden Jahren massiv Kapital vernichten werden, oder anders ausgedrückt: dass sie dem perfekten Sturm nicht entkommen werden.

Noch haben es die Vorstandschefs der drei deutschen Autokonzerne in der Hand, die pessimistischen Investoren Lügen zu strafen. Doch es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, der sich da anbahnt. Ein Drama in fünf Akten, dessen Ausgang nicht nur über die Zukunft der Autokonzerne entscheidet. Sondern auch über die Zukunft des deutschen Wirtschaftsmodells, das noch immer am Auto hängt.

Die vier Automotive-Konzerne Volkswagen, Daimler, BMW und Continental stehen für ein Drittel der gesamten Gewinne der im Dax 30 notierten Unternehmen. Etwa 7,7 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Deutschlands gehen direkt oder indirekt auf die Autoproduktion zurück. Über 800.000 Menschen arbeiten in Deutschland bei Autobauern und Zulieferern.

Handelskrieg und Brexit: Wenn die Globalisierung zur Falle wird

Wenn Harald Krüger in die USA reist, dann fällt ein Satz ganz sicher. „South Carolina ist unsere zweite Heimat“, bekennt der BMW-Chef. Von 1993 an baute er als junger Projektingenieur gemeinsam mit seinem Ziehvater Norbert Reithofer das Werk Spartanburg auf.

Hier im Süden der USA, dem einstigen Armenhaus der Nation, begann Krügers Karriere. Heute ist Spartanburg mit fast 450.000 Autos pro Jahr der größte BMW-Produktionsstandort weltweit. Hier werden fast sämtliche Geländewagen der X-Baureihen gefertigt und in alle Welt geliefert.

Exemplarisch für die deutsche Autoindustrie hat BMW Absatz und Produktion radikal über den Globus verteilt und vernetzt. Mehr als drei Dutzend Fabriken in Deutschland, Südafrika, China und den USA bilden ein enges Netz aus Zulieferungen und Fertigung. Rund 100 Milliarden Euro Umsatz wird Krüger für das abgelaufene Jahr verbuchen, das ist fast doppelt so viel wie eine Dekade zuvor. „Unser Geschäftsmodell beruht auf freiem Welthandel“, predigt Krüger.

Dieses Geschäftsmodell ist nun ein Herd der Risiken. Beispiel USA: Zu seinem Amtsantritt 2015 durfte Krüger noch auf das Freihandelsabkommen TTIP hoffen. Das Abkommen hatte die Aufhebung sämtlicher Zölle zwischen den USA und der EU einschließlich Großbritannien zum Ziel.

Das wäre ein Segen gewesen, denn für jeden aus Spartanburg nach Deutschland importierten Geländewagen sind zehn Prozent EU-Einfuhrzoll fällig. Umgekehrt zahlt BMW für alle aus Deutschland in die USA verschifften Autos gerade einmal 2,5 Prozent. Aber auch das summiert sich, immerhin exportieren die Münchener pro Jahr 170.000 Pkws aus Deutschland in die USA, darunter viele hochpreisige Limousinen. Unter dem Strich hätte BMW ebenso wie Daimler und der VW-Konzern mit TTIP Milliarden gespart.

Statt TTIP kam Trump. Der US-Präsident zettelte einen Handelskrieg mit China an – mit BMW als Opfer. Denn Peking belegte Autoeinfuhren aus den USA mit 40 Prozent Zoll, betroffen sind auch die Geländewagen aus Spartanburg. 300 Millionen Euro kostete das den Konzern bislang, im Herbst 2018 musste Krüger die erste Gewinnwarnung seit Jahren aussprechen. Dass China die Strafzölle seit Januar ausgesetzt hat, kann Krüger kaum trösten.

Denn nun droht es ganz dicke zu kommen: Mit der Einstufung der europäischen Autohersteller als „nationale Bedrohung“ der USA hat das Handelsministerium in Washington die deutschen Konzerne direkt ins Visier genommen. 90 Tage hat die Trump-Regierung nun Zeit, um über die angedrohten 25 Prozent Einfuhrzoll zu entscheiden.

Ob die Zölle noch abgewendet werden können? „Es gibt nur eine Person, die darüber entscheidet: Donald Trump“, sagt eine Verbandsvertreterin in Washington. Sie klingt resigniert, so, als hätten die Mühen der vergangenen Monate wenig ausrichten können.

Die EU-Kommission hat hingegen noch Hoffnung, dass Trump auf die Autozölle verzichtet. Der Widerstand aus der amerikanischen Industrie und im Kongress sei viel härter als vor knapp einem Jahr, als der Präsident Schutzzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte verhängte, heißt es in Brüssel.

In EU-Kreisen wird damit gerechnet, dass sich Trump einige Bedenkzeit nimmt. Die Frist endet erst am 18. Mai. Sollte er die Strafzölle anordnen, werde er die EU womöglich für einen längeren Zeitraum davon ausnehmen, so die Hoffnung in Brüssel, um Raum für Verhandlungen über ein Handelsabkommen zu schaffen. Darauf deutet auch Trumps erster eigener Kommentar zu den Autozöllen hin: Die seien vor allem dann eine Option, wenn man sich nicht mit der EU auf ein Handelsabkommen einige.

Aus Sicht von Handelskommissarin Cecilia Malmström ist es daher die beste Verteidigungsstrategie, die laufenden Gespräche mit der US-Regierung voranzutreiben. Wenn Trump aber neue Zölle erlasse und die EU nicht ausnehme, werde man die Gespräche sofort abbrechen und mit Vergeltungsmaßnahmen beginnen.

US-Importe in die EU im Wert von 20 Milliarden Euro könnten dann ihrerseits mit hohen Zöllen belegt werden, warnte kürzlich der Generaldirektor für Handel in der EU-Kommission, Jean-Luc Demarty. Die entsprechende, noch vertrauliche Liste liegt bereits in Malmströms Schublade. Dem Vernehmen nach finden sich darauf viele Landwirtschaftsprodukte, um die republikanischen Senatoren aus den Agrarstaaten des Mittleren Westens gegen Trump in Stellung zu bringen.

Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will die US-interne Opposition gegen die Zölle anfachen, wenn er am Sonntag in die Vereinigten Staaten aufbricht. Heil: „Ich spreche mit meinem Amtskollegen Alexander Acosta, mit Vertretern der Autoindustrie und der Gewerkschaft United Auto Workers, um ihnen klar zu sagen: Für Deutschland ist Protektionismus keine Antwort auf die Globalisierung und Digitalisierung.“

Für BMW ist Trumps Zoll-Ultimatum besonders bedrohlich, weil fast zeitgleich zu den US-Zöllen ein harter Brexit droht. Mit Mini und Rolls-Royce haben zwei von drei Konzernmarken ihren Sitz auf der Insel, die schon Ende März ohne Abkommen die EU verlassen könnte. Für Krüger, der nach seiner Zeit in Spartanburg die Mini-Fabrik in der Nähe von Oxford leitete, stehen milliardenschwere Investitionen auf dem Spiel.

Mehrfach haben die BMW-Manager der britischen Regierung May klargemacht, dass mit einem harten Brexit die Zukunft der rund 10.000 Beschäftigten in England gefährdet sei. Doch auch für BMW wäre der plötzliche Austritt der Briten ohne Zollabkommen ein Desaster: Großbritannien ist nach China, den USA und Deutschland der viertgrößte Absatzmarkt der Münchener.

Klar ist: Kommt der harte Brexit, hat BMW ein kaum zu kalkulierendes Problem. Kommen die US-Strafzölle, dann stehen die Münchener wie die gesamte deutsche Autoindustrie vor einem Desaster. Für Krüger, der zurzeit um die Verlängerung seines Vertrags kämpft, werden die kommenden 90 Tage zur Nervenprobe.

Elektromobilität: Manöver des letzten Augenblicks

In einer Ecke des Autohauses lässt sich die Zukunft von Mercedes erahnen: Neuer schwarzer Teppich wurde verlegt, daneben laufen blau-weiße Linien auf dem Boden, die wie stilisierte Stromkabel aussehen. Eine hübsche Ladesäule mit Mercedes-Stern steht schon bereit, auch zwei große blaue Buchstaben: EQ, das Stromerlabel des Herstellers.

Ein Elektroauto von Mercedes gibt es hier allerdings nicht. Neben der Ladesäule steht nur ein schwarzer Smart. „Das ist leider das Einzige, was ich Ihnen gerade elektrisch anbieten kann“, sagt der Verkäufer im schwarzen Anzug, mit weißem Hemd und zurückgegelten Haaren. „Aber da werden bald einige Modelle kommen.“

Als Nächstes starte der EQC auf dem Markt und noch dieses Jahr diverse Plug-in-Hybride. „Wir sind jetzt gerade einfach in einem Vakuum“, sagt der Verkäufer. Er würde stattdessen einen Hybrid oder einen Diesel empfehlen. Konfigurieren könne man derzeit die Hybridvariante der E-Klasse. „Wobei die Lieferzeit da bereits im dritten Quartal liegt.“

Was für ein prosaischer Gegensatz zum 4. September 2018! Jenem Tag, auf den Daimler-Chef Dieter Zetsche nach eigenem Bekunden „hingefiebert“ hat wie ein kleines Kind auf die Bescherung an Heiligabend. Man habe den Schalter umgelegt, erklärte der 65-Jährige damals in Stockholm.

Die Marke mit dem Stern werde unter Strom gesetzt. 16 riesige Videoleinwände hielten jedes Detail fest, als mit dem EQC der erste rein elektrische SUV von Mercedes im Kunstmuseum Artipelag seine Weltpremiere feierte. 600 Gäste flogen die Schwaben zu dem pompösen Event ein.

Mehr als fünf Monate nach der Präsentation des EQC müssen sich die Kunden aber weiterhin gedulden. Der sportliche Geländewagen kommt später als ursprünglich geplant. Nach wie vier mangle es sowohl an Batteriezellen, die Daimler zukauft, als auch an Batterien, die das Unternehmen in Eigenregie zusammenschraubt.

Was als Frontalangriff auf den kalifornischen Elektroautopionier Tesla geplant war, verkomme so zu einem „Rohrkrepierer“, spottet ein Investor. 2019 wird Mercedes wohl nur knapp über 20.000 Einheiten des EQC produzieren. Zum Vergleich: Tesla fertigt ein solches Volumen bei seinem Model 3 inzwischen binnen weniger als vier Wochen.

Die stotternd anlaufende Elektrooffensive von Daimler zeigt exemplarisch, wie schwer es den deutschen Autoherstellern fällt, ihre Flotten zu elektrifizieren. „Tesla ist technologisch zwei bis drei Jahre voraus“, konstatiert Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center of Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen.

In den USA, dem zweitgrößten Pkw-Markt der Welt, verkauft die Firma um den exzentrischen Gründer Elon Musk bereits mehr Stromer als alle anderen Wettbewerber. Und selbst über alle Antriebsvarianten hinweg setzt Tesla dort die meisten Edelkarossen in der obersten Preiskategorie ab: Die Tesla-Modelle S und X schlagen 7er-BMW, Mercedes S-Klasse und Porsche Cayenne.

Die deutsche Vorzeigeindustrie stolpert mehr ins Elektrozeitalter, als dass sie rollt. Zaudernd und zögernd reagierten die Vorstände in Stuttgart, München und Wolfsburg auf den sich anbahnenden Antriebswechsel. Jetzt ist Eile geboten. Strenge Klimavorgaben aus Brüssel zwingen die Konzerne, rasch gegenzusteuern.

Analysten glauben an einen späten VW-Erfolg bei E-Autos

In der Folge überbieten sich die Unternehmen nun in ihren Ankündigungen. Allein innerhalb der nächsten drei Jahre will die deutsche Autoindustrie insgesamt mehr als 40 Milliarden Euro in Strommodelle investieren. Das größte Bekenntnis zu rein batterieelektrischen Antrieben hat Volkswagen abgegeben. Mehr als 30 Milliarden Euro pumpen die Wolfsburger bis 2023 in die Entwicklung und Produktion von Stromkarossen.

So rüsten die Wolfsburger beispielsweise die drei deutschen VW-Werke in Zwickau, Emden und Hannover in Windeseile von Verbrennern auf E-Antriebe um. Das erste Modell der Elektroautofamilie ID auf Basis des neu konzipierten Strombaukastens MEB soll 2020 in Serie gehen. Fünf Jahre später will der Konzern bereits mehr als eine Million reine Stromer pro Jahr verkaufen.

„VW kommt spät bei der Elektromobilität, aber wenn die Wolfsburger kommen, dann kann es gewaltig werden“, erklärt Frank Schwope, Analyst bei der NordLB. Auch Daimler und BMW könnten ihren bestehenden Rückstand noch aufholen, ist der Kapitalmarktexperte überzeugt.

Doch die Ausgangslage in Stuttgart und München sei schwieriger. So ist beispielsweise der Mercedes EQC letztlich nur ein Kompromiss. Man zwinge das Modell notdürftig auf die Fahrzeugarchitektur der Verbrenner, wird selbst in Konzernkreisen eingeräumt. Trotz langer Wartezeit ist das Modell wieder nur eine Zwischenlösung.

Daimlers echte Elektroplattform EVA, die einzig und allein für Stromer konzipiert wird und aufgrund des wegfallenden Motorblocks völlig neue Design- und Innenraumgestaltungen ermöglicht, ist noch in der Entwicklung. Erst Ende 2021 dürfte mit dem EQS das erste Mercedes-Fahrzeug von den Vorteilen des Strombaukastens profitieren.

In der Zwischenzeit versuchen die Schwaben mit Plug-in-Hybriden, einer Kreuzung aus Verbrennern und E-Autos, den Kohlendioxid-Ausstoß in der Flotte irgendwie abzusenken. Zuletzt musste Daimler dabei allerdings einen Rückschlag hinnehmen.

2018 stieg der CO2-Flottenwert für Pkws und Vans wegen der hohen Nachfrage nach spritschluckenden SUVs und der Umstellung auf das neue Prüfverfahren WLTP auf 134 Gramm pro Kilometer an. 2017 lag der Wert noch bei 127 Gramm. Klimaschutz geht anders.

Bereits ab 2021 darf die Neuwagenflotte von Mercedes nur noch rund 105 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, andernfalls drohen empfindliche Strafzahlungen. Um die Grenzwerte auf lange Sicht einhalten zu können, kalkuliert man in Stuttgart, dass 2025 bereits ein Viertel der verkauften Pkws rein elektrisch fährt.

Dafür investiert der Konzern mehr als zehn Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren. Und dann soll es erst richtig losgehen. „Die Zeitrechnung hört 2022 nicht auf“, bekundet Entwicklungschef Ola Källenius, der im Mai seinen Mentor Zetsche an der Daimler-Spitze ablöst.

Rivale BMW plant für 2021 den großen Angriff. Dann soll die fünfte Generation von Batteriezellen und Elektromotoren fertig entwickelt sein. Bis dahin behelfen sich die Münchener damit, den „Mini“ und den „X3“ in Stromer umzufunktionieren.

Immerhin: Anders als Daimler kann BMW schon heute auf eine erkleckliche Anzahl an verkauften Elektroautos verweisen. Im vergangenen Jahr lag der Anteil der elektrifizierten Modelle am Gesamtabsatz von 2,1 Millionen Fahrzeugen bei mehr als sechs Prozent. Der Löwenteil entfiel dabei auf Plug-in-Hybride. Vom reinen Stromer „i3“ verkaufte das Unternehmen dagegen nur rund 35.000 Einheiten. Schon vor sechs Jahren haben die Münchener den „i3“ auf die Straße gebracht.

Ein echter Erfolg ist das Modell aber bis heute nicht. Zu exotisch das Design, zu teuer die Karosseriekonstruktion mit Kohlefaser. Die Nachfolgefahrzeuge sollen nun endlich den Durchbruch bringen. Allein im vergangenen Jahr steckte BMW mehr als sieben Milliarden Euro in deren Entwicklung.

China: Der Wachstumsmotor in Fernost stottert

Als Volkswagen China im Januar 2018 zu einer Gesprächsrunde mit Journalisten einlud, um die Pläne für das Jahr vorzustellen, war der damalige Chinachef Jochem Heizmann noch voller Zuversicht. Bei Schnittchen und Kaffee sagte er voraus, dass man mindestens so schnell wie der Gesamtmarkt wachsen wolle. Für das ganze Jahr gehe man von rund vier Prozent aus, wobei das erste Quartal noch am schwächsten sein werde.

Doch dann kam alles anders. Seit Juli rutschen die Absätze immer weiter nach unten. Insgesamt schrumpfte der chinesische Neuwagenmarkt um 2,8 Prozent. Mit einem Auslieferungszuwachs von 0,5 Prozent war Volkswagen zwar besser als der Gesamtmarkt, blieb aber weit unter den selbst gesteckten Zielen. BMW musste im September seine Gewinnprognose zurückziehen, auch weil das Chinageschäft nicht so lief wie geplant.

„Es herrscht eine gewisse Zurückhaltung unter den Konsumenten“, meint Stephan Wöllenstein, der operative Geschäftsführer von Volkswagen China. Im Sommer war der chinesische Immobilienmarkt abgekühlt. Gleichzeitig hatte der Bankrott vieler Onlineplattformen, auf denen Kreditgeber und Kreditnehmer in Kontakt gebracht werden und auf denen rund 50 Millionen Nutzer registriert sind, die Chinesen verunsichert.

Alan Kang, Analyst bei der Beratungsfirma LMC Automotive, geht davon aus, dass sich der Abwärtstrend im ersten Halbjahr 2019 fortsetzen wird. Seiner Einschätzung nach wird der Gesamtmarkt im besten Falle um insgesamt ein Prozent wachsen. Der Kampf gegen Risiken im Finanzsystem, der Schuldenabbau, eine schwächelnde Weltwirtschaft sowie die Unsicherheiten des Handelskriegs werden aller Voraussicht nach zum langsamsten Wirtschaftswachstum der Volksrepublik seit Jahrzehnten führen.

Für weiteren Druck auf die Autohersteller sorgen zudem die neuen Quoten für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb. Wer mehr als 30.000 herkömmliche Fahrzeuge produziert oder importiert, muss nun ein bestimmtes Punktesystem erfüllen. Reine Elektroautos mit mehr als 300 Kilometer Reichweite bringen dabei viermal so viele Punkte wie Hybridantriebe.

Bisher war die Angebotspalette der deutschen Automacher im Elektrosegment spärlich. Anders als bei den Benzin- und Dieselfahrzeugen wächst der Markt für Elektrofahrzeuge in China nämlich ungebremst. Im Januar allein wurden 95.700 solcher Autos in China verkauft – satte 140 Prozent mehr als im Vorjahr. Diesen Boom verpassen die deutschen Hersteller gerade.

Ebenfalls in diesem Januar lud Volkswagen wieder zu einer Gesprächsrunde ein, um die Chinapläne für 2019 zu diskutieren. Dieses Mal gab es keine Schnittchen. „Das Schicksal der Volkswagen-Gruppe hängt von China ab“, verkündete Vorstandschef Herbert Diess, der das schwächelnde Chinageschäft mittlerweile selbst übernommen hat.

Er wolle seine Zeit vor Ort in China verdoppeln, mehr in Forschung und Entwicklung investieren, Partnerschaften mit chinesischen Technologiekonzernen aufbauen. Mit konkreten Prognosen fürs Chinageschäft aber hielt sich Volkswagen dieses Mal zurück.
Beziehung zur Politik: Das stählerne Band ist überdehnt.

Am Tag der IAA-Eröffnung in Frankfurt ist die Welt noch in Ordnung, damals an einem Donnerstag im September 2015. Angela Merkel tritt als letzte Rednerin auf die Bühne. Die Kanzlerin bedankt sich bei den Vertretern der deutschen Automobilindustrie für die Anstrengungen der vorangegangenen Jahre. Bei der Kohlendioxid-Minderung seien „beeindruckende Zahlen“ erreicht worden. Merkel: „Ich freue mich jetzt auf einen netten Rundgang. Schön, dass ich dabei sein darf.“

Es sind Worte, die sie einen guten Tag später wahrscheinlich bereut. Und sie hätte sich bei ihrem anschließenden Messerundgang wohl auch nicht mehr ganz so bereitwillig mit VW-Konzernchef Martin Winterkorn und dem Audi-Vorstandsvorsitzenden Rupert Stadler ablichten lassen.

Am Abend des darauffolgenden Freitags versenden die Nachrichtenagenturen eine Eilmeldung aus den USA: Die amerikanischen Umweltbehörden verhängen gegen den Volkswagen-Konzern eine sogenannte „Notice of Violation“. Volkswagen habe gegen Umweltgesetze verstoßen und die auf dem amerikanischen Automarkt verkauften Dieselfahrzeuge in krimineller Weise manipuliert.

Diese wenigen Stunden zwischen dem IAA-Auftritt Angela Merkels und der „Notice of Violation“ am darauffolgenden Abend sind ein Schlüsselmoment, der das Verhältnis zwischen Politik und deutscher Automobilhersteller bis heute prägt.

Die Kanzlerin ist aufs Tiefste verärgert, dass sie von den Automanagern damals auf der IAA vorgeführt worden ist. Die Wolfsburger hatten die Kanzlerin nicht gewarnt, obwohl VW zu diesem Zeitpunkt bereits über Wochen auf höchster Ebene mit den US-Behörden in Sachen Dieselbetrug verhandelt hatte.

„Angela Merkel hat das bis heute nicht vergessen“, erzählt ein Wolfsburger VW-Manager. Durch die Dieselaffäre hat zwischen Politik und Autoindustrie eine Entfremdung eingesetzt, die sich selbst in die wirtschaftsfreundlichen Parteien CDU, CSU und FDP hineinzieht, die in früheren Jahren stets aufseiten der Autokonzerne gestanden hatten. Wegen dieses grundlegenden Wandels funktioniert der Autolobbyismus in Berlin nicht mehr nach den gewohnten Mustern.

Bei der Politik dringt die Lobby nicht länger durch

Matthias Wissmann war bis zum vergangenen Jahr Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Der VDA ist Deutschlands wichtigster Branchenverband – in ihm haben sich Autohersteller wie Volkswagen und Daimler sowie Zulieferer wie Bosch und Continental zusammengeschlossen.

Matthias Wissmann war selbst lange Politiker, etwa als Verkehrsminister unter Kanzler Helmut Kohl. Damit standen ihm auch als VDA-Präsident in Berlin alle Türen offen. „Meist reichte ein Brief an die ,Liebe Angela‘“, erzählt ein Insider.

Diese Art von Lobbyismus funktioniert nicht mehr. Das liegt nicht nur daran, dass mit dem früheren Ford-Deutschlandchef Bernhard Mattes jetzt ein ehemaliger Automanager statt eines Ex-Ministers an der Spitze des VDA steht. „Wegen der grundsätzlichen gesellschaftlichen Verschiebungen hätte auch ein Matthias Wissmann heute Probleme, mit seinen Wünschen durchzudringen“, heißt es in Verbandskreisen.

Ein Beispiel für die problembeladene Beziehung: Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprach sich im vergangenen Jahr anfänglich noch gegen eine Hardwarenachrüstung für ältere Diesel-Pkws aus – zu teuer, zu aufwendig, zu wenige spürbare Erfolge bei der Stickoxid-Reduzierung in den Innenstädten.

Am Ende änderte der Minister dann seine Haltung und verlangte die Hardwarenachrüstung von der Automobilindustrie. „Er will nicht als der Politiker wahrgenommen werden, der immer nur die Wünsche der Automobilhersteller erfüllt“, heißt es in seinem Berliner Umfeld.

In der Autobranche hat sich andererseits Frust über die Politiker breitgemacht. Dass die Branche etwa bei Investitionen zum Aufbau einer Zellproduktion für Elektroautos zögere, habe auch mit dem Misstrauen in die Politik zu tun. „Denn vielleicht werden wir in einigen Jahren dazu gezwungen, dass wir plötzlich Autos mit Brennstoffzellen-Antrieb bauen müssen“, mutmaßt ein Auto-Vorstand.

Nicht nur in Berlin sind die atmosphärischen Veränderungen zwischen Politik und Autolobby deutlich spürbar, sondern auch in Brüssel. Als Ende vergangenen Jahres in Brüssel über die neuesten, bis 2030 gültigen Grenzwerte verhandelt wurde, war Deutschland weitgehend isoliert. Sogar Autoländer wie Frankreich und Italien verweigerten die Unterstützung. Nur Ungarn – Standort von drei Werken deutscher Autohersteller – signalisierte Widerstand und stellte sich an die Seite Deutschlands.

Doch das reichte nicht. Am Ende war die weitere Kürzung der Kohlendioxid-Emissionen um 37,5 Prozent beschlossene Sache.

In der Automobilindustrie regt sich gleichwohl Hoffnung, dass der Druck auf die Branche in nächster Zeit nachlassen könnte. Es sind dabei allerdings weniger die Politiker, auf die die Autohersteller setzen. Die Manager hoffen darauf, dass die Bürger ihrerseits Druck auf die Politik ausüben. „Es brodelt in der Bevölkerung“, sagt ein Branchenvertreter.

Die „Gelbwesten“-Bewegung in Frankreich sei ein warnendes Beispiel dafür, wie die Politik mit ihren Forderungen über die tatsächlich realisierbaren Ziele hinausschieße. Am Ende könnte ausgerechnet eine wachsende Zahl von Dieselfahrverboten der Automobilindustrie helfen, weil dadurch die Protestbewegung an Zulauf gewinnt.

So weit ist es mit der einst bestvernetzten Branche der Republik gekommen: Notgedrungen setzt sie auf den Druck der Straße statt auf den kurzen Draht ins Kanzleramt.

Der Umbau: Wie die Konzerne beweglicher werden wollen

Die Autobranche verändert sich dramatisch. Die Zeit der Verbrennungsmotoren läuft ab, das Auto als Statussymbol verliert an Bedeutung. Junge Menschen machen immer seltener einen Führerschein, und wenn doch, dann hat der Kauf eines Autos an Reiz verloren. In der „Sharing-Economy“ lassen sich schließlich auch Autos teilen.

Viel zu lange Zeit hat die Branche den Umschwung ignoriert. Inzwischen hat sie aber geschaltet. Bis zum Jahr 2025 wollen allein die deutschen Hersteller rund 100 unterschiedliche E-Modelle im Angebot haben. Besonders für Volkswagen bedeutet dies einen kaum zu bewältigenden Kraftakt. Neben den Kosten für die Entwicklung von E-Autos und neuen Technologien muss der Konzern die finanziellen Folgen der Dieselaffäre schultern.

Bereits vor einigen Monaten sondierte das Topmanagement verschiedene Optionen für Kooperationen. Die Überlegungen gingen laut Beteiligten sogar so weit, den japanischen Toyota-Konzern um eine Zusammenarbeit bei Hybridantrieben zu bitten.

Bei jener Technologie also, die man in Wolfsburg lange als technische Spielerei der Japaner verachtet hat und die den Deutschen nun als Brücke vom Verbrenner zum reinen E-Antrieb fehlt. „Das wäre aber dann doch zu viel für die VW-Seele gewesen“, sagte ein Volkswagen-Manager. Toyota ist schließlich immer noch der Rivale um den Titel als weltgrößter Automobilhersteller.

Mit dem US-Wettbewerber Ford ist Volkswagen bereits eine breite Allianz eingegangen. In Feldern wie autonomem Fahren und der Elektromobilität wollen sich die Unternehmen gegenseitig helfen. In einem ersten Schritt werden sie bei Transportern und Pick-ups zusammenarbeiten. In einem nächsten könnte Ford die E-Plattform von VW nutzen. „Niemand wird es heute allein schaffen können“, sagt ein hochrangiger Manager von Volkswagen. Dafür sei der finanzielle Kraftakt einfach zu groß.

Neben den neuen Technologien müssen die Autobosse schließlich das bestehende Produktionsnetz am Leben erhalten und in die Verbesserung bestehender Technologie investieren. VW-Chef Diess spricht hier von Umbaukosten, die sich auf über 100 Milliarden Euro summieren.

Die finanzielle Doppelbelastung zu meistern ist an sich schon schwer genug. Die Hersteller stehen dabei zudem unter Zeitdruck. Denn in das Geschäft drängen neue Wettbewerber. Am erfolgreichsten ist dabei sicherlich der US-Herausforderer Tesla, der bald eine Jahresproduktion von 500.000 E-Autos erreichen will. Tesla-Chef Elon Musk würde damit in die Klasse von Volvo vorstoßen.

Zum anderen sind da die Internetgiganten von der US-Westküste. Uber, Apple und andere Schwergewichte investieren massiv in neue Mobilitätsdienste. Google ist mit seiner Tochter Waymo am weitesten bei der Entwicklung selbstfahrender Autos. Waymo könnte rund 40 Milliarden Euro für die Entwicklung neuer System ausgeben, hat Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht erkannt. „Wir sind zwar stark, aber im Vergleich dazu sind unsere Finanzmittel doch eher klein.“

Zu viele Hierarchien, zu wenig Bewegung

Die traditionellen Autobauer müssen dringend beweglicher werden – aber sie tun sich schwer damit. Audi-Chef Bram Schot beklagte gerade erst im Handelsblatt-Interview, dass sein Unternehmen zu viele Hierarchien habe. Gleiches ist aus den Führungsetagen von Daimler und VW zu hören.

Um die Starre aufzubrechen, bauen die Firmen ihre Strukturen um. VW-Chef Diess will den einzelnen Marken mehr Freiraum geben. „Entscheidungen müssen auch auf unteren Ebenen gefällt werden können“, mahnt Diess im kleinen Kreis. Zu oft würden Themen in den Vorstand hocheskaliert. „Das lähmt das Gremium nur.“

Als Reaktion auf die vielfältigen Probleme, will VW seine Lkw-Sparte mit den Marken MAN und Scania in die Eigenständigkeit entlassen. Noch vor Ostern soll der Geschäftsbereich unter dem Namen Traton an die Börse gebracht werden. Mit dem Schritt spaltet der Konzern nicht nur eine Sparte ab, die mit dem Pkw-Bereich wenig gemeinsam hat. Der Börsengang spült VW auch noch dringend benötigtes Kapital in die Kassen. Der Wert von Traton dürfte bei rund 20 Milliarden Euro liegen, schätzen Analysten.

Auch Daimler will seine Struktur vereinfachen, um schneller zu werden und am Kapitalmarkt neue Begeisterung zu entfachen. Zukünftig soll das Unternehmen in eine Holding umgewandelt werden, unter deren Dach die Felder Pkw, Lkw und neue Mobilitätsdienste eigenständig ihr Geschäft betreiben können. Spätere Teilbörsengänge der Sparten nicht ausgeschlossen.

Wie sehr die Eitelkeiten in der Branche auf dem Rückzug sind, zeigt sich an einem Joint Venture von BMW und Daimler. Zetsche will zusammen mit BWM-Chef Harald Krüger an diesem Freitag in Berlin eine gemeinsame Mobilitätsfirma vorstellen. Die beiden Rivalen haben ihre Carsharing-Anbieter Car2go und DriveNow fusioniert. Die neue Firma könnte der Nukleus für weitere Angebote im Bereich der neuen Mobilitätsdienste sein.

Die Branche ist aufgewacht. Mit neuen Produkten und neuen Strukturen versuchen sich die Manager von Deutschlands wichtigster Branche gegen den perfekten Sturm zu wappnen. Doch viel zu lange haben sie zuvor zugeschaut, wie sich der Himmel über ihnen verdüstert. Es wird ein Wettlauf gegen die Zeit. Der Ausgang des Rennens ist offen.