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Biografie-Brüche: „Da stimmt doch was nicht mit dir“ – Diese junge Kölnerin gab ihren Job in der Filmbranche auf und wurde Bestatterin

Penny Jaros.
Penny Jaros.
Wie verlaufen Berufswege? Nur noch selten linear. Mit 22 das Studium hinwerfen, um zu gründen, mit 35 oder 40 Jahren das Berufsleben noch mal komplett neu denken, mit 50 einen hohen Posten verlassen? Oft sind es erst die Brüche in der Berufs-Biografie, die unser Arbeitsleben ausmachen. Ein Umbruch verlangt Mut - und befreit. Das kann ein Talent sein, dem wir spät folgen, oder eine sich plötzlich bietende Chance.
In unserer Reihe #Biografie-Brüche befragen wir Menschen nach ihrem Weg.

Den Anfang macht Penny Jaros. Die Kölner Bestatterin fand auf Umwegen zum Beruf, der sie erfüllt. Seit 2020 leitet sie die mymoria-Bestattungsboutique in Köln. mymoria wurde 2015 als digitaler Bestattungsdienstleister gegründet. Seit 2020 begleitet das Team Menschen in Köln und München auch vor Ort - in einladenden, hellen und offenen Räumlichkeiten. So bietet Penny Jaros in Köln nicht nur Dienstleistungen an, sondern auch kuratierte Produkte wie Kerzen, Bücher, Karten.

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Business Insider schilderte Penny Jaros ihren Berufsweg.

Penny, welche Geschichte steckt hinter Deinem Biografie-Bruch?

Eine Reihe vieler Zufälle. Ich landete nach meinem Philosophie- und Politikstudium in der Filmbranche. Dort arbeitete ich anfangs als Praktikantin und später als Set-Aufnahmeleiterin für große Kino-, Serien- und Fernsehproduktionen. Dazu war ich projektweise bei Produktionsfirmen angestellt, für die ich Filmdrehs organisatorisch leitete. Es lag an mir, sicherzustellen, dass alle haben, was nötig ist: Trailerpark, Strom, Zeit, Versorgung. Logistik. Fünf Jahre lang war ich morgens die Erste am Set, abends die letzte, die ging – für spannende Projekte wie „Tschick“, „Nebel im August“, Amazon- und Netlix-Produktionen, „Benjamin Blümchen“ oder Krimi-Produktionen.

12- bis 16-Stunden-Tage waren für mich normal. Einen Knopf im linken Ohr, das Telefon am rechten Ohr, gefühlte 150 Menschen um mich herum, jeder will was anderes – und immer schnell. Denn jede Stunde, die man länger dreht, kostet Geld. Nichts lässt sich auf morgen oder übermorgen schieben, dann ist man schon wieder an einem neuen Ort. Die Lösung zu finden, war mein Part. Es waren 38 Projekte in fünf Jahren – 38 Mal 50 bis 120 neue Gesichter, neue Namen, Persönlichkeiten und Bedürfnisse. Tolle Sets, immer wieder andere Hotels. Lange hatte ich Spaß daran. Ich kann gut priorisieren, bin aktionistisch.

In welchem Moment wurde dir klar, dass du gehen wirst?

Es gab diesen Tag am Set, an dem ich plötzlich wusste: Das ist es nicht mehr. Mir war klar geworden, ich meckere nur noch, statt Spaß an der Sache zu haben. Ich hätte drüberstehen und mehr erreichen können. Es lief ja gut. Aber ich war nicht mehr bereit. Da habe ich einfach aufgehört. Ohne einen Plan B, nur mit dem Wissen: Ich brauche jetzt Detox-Zeit. Was passt in meinen Kopf, wenn ich nicht beim Film bin? Ich wusste es nicht. All die Jahre gab es keinen Raum für etwas anderes. Ich nahm ihn mir dann: ein halbes Jahr nur für mich.

Bestatterin - warum fiel die Wahl gerade auf diesen Job?

Der Gedanke, im Umfeld von Tod und Trauer zu arbeiten, war mir länger im Kopf herumgegangen. In den letzten Jahren sind viele Freunde und Verwandte von mir gestorben. Bei den äußeren Abläufen dachte ich oft: Alles wirkt so starr. Abschied muss doch anders gehen. Offener, näher, lebendiger. Ich kannte Palliativmediziner und mag die Hospizbewegung. Mir gefallen moderne Formen der Trauerbegleitung. Damit mal was machen, dachte ich immer mal. Getraut habe ich mich nie. Wenn ich es vor Freunden und in der Familie erwähnte, sagten sie nur: ‚Da stimmt doch was nicht mit dir. Das ist doch total traurig!‘ Erst nach meinem Ausstieg aus der Filmindustrie kam etwas in mir in Bewegung.

Eines Abends saß ich mit einem Freund zusammen, einem Professor. Ich sagte: ‚In der Bestatterbranche müsste man mal was anders machen‘ und scherzte: ‚Das ist doch im Grunde auch nur Event Management.‘ Er sah mich nur an und sagte: ‚Warum nur im Scherz? Du hast doch Soft Skills, die reinpassen würden. Eine gute Empathie. Du kannst dich auf Menschen einstellen. Probier das.‘ Da war es soweit. Ich ging in die ehrenamtliche Ausbildung zur Sterbe- beziehungsweise Familienbegleiterin im Stephanus-Kinderhospiz und schloss ein Praktikum bei Memento, einem modernen Bestatter in Berlin, an. Ich lernte unglaublich tolle Menschen kennen.

Als meine Oma krank wurde, stieg ich für eine Weile aus und pflegte sie bis zu ihrem Tod im März 2020. Ein paar Bewerbungen liefen zu dem Zeitpunkt schon, etwa bei mymoria, einem modernen Bestattungshaus, das auch ganz anders ist als vieles, das man sonst aus der Branche kennt. Kurz nach dem Tod meiner Oma kam von ihnen tatsächlich ein Jobangebot. Ich konnte ihre neue Filiale in Köln leiten, eine helle, offene Bestattungsboutique in der Innenstadt, mit der wir das Thema Tod wieder mitten in der Gesellschaft sichtbar machen und nicht verstecken. Es war wie eine Fügung. Ich zog also von Berlin nach Köln. Das ist jetzt anderthalb Jahre her.

Die mymoria-Bestattungsboutique in Köln.
Die mymoria-Bestattungsboutique in Köln.

Spielte Geld eine Rolle bei der Entscheidung?

Nein – auch wenn ich am Filmset die Schlechtbezahlteste war. Viel Einsatz für wenig Geld ist in dem Job normal. Durch die Arbeit in Projekten ist alles sehr unsicher. Im Vorfeld etwa ist oft nicht klar: Wird der nächste Film auch finanziert? Es gibt dabei keinen großen Jahresplan. Alles poppt immer so rein. Aber das ist normal. Geld beeinflusste nicht meine Entscheidung.

Gibt es etwas, das sich für dich von Grund auf geändert hat?

Mein Selbstbewusstsein. Ich denke nicht mehr darüber nach, wie andere auf meine Arbeit reagieren. Auch mein Umgang mit Zeit, Leistung, Druck ist jetzt anders. Als Bestatterin bin ich nicht mehr mit chronisch auf der Suche nach einer Lösung für etwas. Wer mit dem Tod konfrontiert ist, kann nichts mehr retten. Ich helfe Angehörigen, die eine Bestattung bei mymoria in Auftrag geben, das Gehen eines Menschen für sie so angenehm wie möglich zu gestalten. Dabei gibt es kein ‚normal‘. Das wiederum hat sich im Vergleich zum Film nicht verändert.

Wie hat dein Umfeld auf deinen Weg reagiert? Mit Skepsis? Freude? Neid?

Zwiespältig. Ich war mit meiner Familie Italienisch essen. In einem Moment, den ich passend fand, nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte: ‚Ich möchte gern Bestatterin werden.‘ Es folgte ein betretenes Schweigen. Mein Vater konnte mich nicht ansehen. Über das Sterben zu sprechen, fällt ihm bis heute schwer. Er empfindet Schmerz dabei. Auch meine Oma, die damals noch lebte, fand meinen Wunsch merkwürdig.

Als ich Freunden sagte, was ich machen will, konnten einige das Wort ‚Bestatterin‘ nicht in den Mund nehmen. Sie redeten viel und immer drumherum. Die offenen unter ihnen haben mich total unterstützt. Da öffneten sich Türen. Manche sagten, dass sie als Kind nicht zur Beerdigung eines nahen Verwandten durften und bis heute darunter leiden. Gute Gespräche mit meinen Freunden sind heute total wichtig für mich. Ihnen erzählen zu können, was ich erlebe, ist wie ein Waschgang beim Wäschewaschen: Ich bin danach wie durchgespült und klar.

Der Arbeitsplatz von Penny Jaros.
Der Arbeitsplatz von Penny Jaros.

Vervollständige den Satz: Das Wichtigste für mich ist…

Ehrlichkeit. Viele Menschen, mit denen ich im Berufsalltag zu tun habe, sind zum ersten Mal Trauernde, wenn sie eine Beerdigung in Auftrag geben. Kaum jemand hat sowas öfter. Wer trauert, trifft oft auf Bestatterinnen und Bestatter, die sehr zurückhaltend sind. Sie raten Angehörigen zum Beispiel davon ab, sich Verstorbene noch mal anzusehen, weil sie vielleicht nicht mehr so schön aussehen. Ich und alle meine Kollegen bei mymoria machen es anders. Angehörige sollen selbst entscheiden können. Zum Beispiel umschreibe ich im Gespräch mit ihnen behutsam, aber ehrlich, wie die oder der Verstorbene aussieht. Ich verschnörkele nichts. Sie sollen die Wahl haben, ihren Menschen noch mal zu sehen. Offenheit, Ehrlichkeit und dabei empathisch bleiben, das möchte ich. Das macht mir die größte Freude. Und ich bekomme so viel zurück.

Eine Bestattung erinnert mich manchmal an ein Filmset. Du arbeitest konzentriert, richtest jeden Schritt gut aus. Baust das Setting für die Feier auf, begleitest die Bestattung in der Kapelle, baust alles zügig wieder ab und verlässt den Ort des Geschehens. All das gestaltest du so gut wie möglich. Am Ende steht kein Krimi, sondern das Gefühl, einer Familie zu einem schönen Abschied verholfen zu haben. Das macht mich zufrieden.

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