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Bis zu eine Billion Euro für Ökostrom: Energiekonzerne planen Rekordinvestitionen

Die europäische Energiebranche will bis 2030 massiv in Wind- und Solarenergie investieren – auch deutsche Konzerne wie RWE und EnBW mischen mit.

„Der Markt für erneuerbare Energien ist höchst attraktiv, das Potenzial riesig. Das haben auch Finanzsektor und Investoren erkannt“, sagt der RWE-Finanzvorstand. Foto: dpa
„Der Markt für erneuerbare Energien ist höchst attraktiv, das Potenzial riesig. Das haben auch Finanzsektor und Investoren erkannt“, sagt der RWE-Finanzvorstand. Foto: dpa

Europas Energiebranche beteiligt sich mit milliardenschweren Rekordausgaben am Green Deal der Europäischen Union. Allein der spanische Energiekonzern Iberdrola will bis 2025 gut 34 Milliarden Euro in erneuerbare Energien investieren, Enel aus Italien bis 2030 rund 70 Milliarden Euro. Aber auch deutsche Konzerne wie RWE und EnBW beabsichtigen, noch mehr Geld in Wind- und Solarparks zu stecken.

In Summe heißt das: In diesem Jahrzehnt wird Europas Energiebranche mindestens 650 Milliarden Euro in die erneuerbaren Energien investieren, so das Ergebnis einer exklusiven Analyse der Unternehmensberatung Kearney für das Handelsblatt. Bei guten Rahmenbedingungen, also wenn Wind- und Solarenergie noch länger gefördert werden, könnte sogar die Marke von einer Billion Euro übersprungen werden.

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„Die Mittel für den Green Deal der EU, aber auch die Corona-Hilfen eröffnen die große Chance, eine neue, nachhaltige Industrie schneller aufzubauen, als das in normalen Zeiten der Fall wäre“, sagte Markus Krebber, Finanzvorstand und designierter Chef von RWE dem Handelsblatt.

Die erneuerbaren Energien haben zwar schon im abgelaufenen Jahrzehnt ihren Siegeszug angetreten. In Europa stieg ihr Anteil an der Stromproduktion von knapp 20 auf rund 40 Prozent. Mit der Anhebung der EU-Klimaziele für 2030 – im Vergleich zu 1990 sollen die CO2-Emissionen nun um 55 statt wie bisher 40 Prozent sinken – soll die Energiewende aber noch einmal beschleunigt werden.

Die Energiekonzerne sind bereit mitzuziehen: „Die Energiebranche startet gerade eine Investitionsoffensive“, sagt Kearney-Experte Andreas Stender.

Ein Teil geht auf einen Nachholeffekt zurück. Die Investitionen stagnierten zuletzt, weil in vielen Ländern – wie auch in Deutschland – Unsicherheit über die weiteren Rahmenbedingungen bestand. Kearney rechnet aber schon für 2022 in Europa mit einem Anstieg der jährlichen Investitionen in die erneuerbaren Energien auf 90 Milliarden Euro – von rund 60 Milliarden Euro in 2020.

Der Investitionsboom hat mehrere Gründe:

  • Da ist zum einen die politische Unterstützung, die nicht zuletzt durch den Green Deal bekräftigt wurde. Nach der Energiewende soll nun auch die Verkehrs- und Wärmewende gelingen: Autos und Heizungen sollen klimafreundlich werden. Das wird nur mit zusätzlichem grünem Strom gelingen.

  • Für den sogenannten grünen, also aus Ökostrom erzeugten Wasserstoff, mit dem die Industrie ihren CO2-Ausstoß reduzieren will, werden noch einmal gewaltige Mengen an Wind- und Solarenergie benötigt.

  • Gleichzeitig werden Windräder und Sonnenkraftwerke zunehmend wettbewerbsfähig – dank technologischer Reife, Skaleneffekten und Digitalisierung. „Die Kosten für Wind und Solar sinken weltweit immer weiter – jedes Jahr“, erklärt Energieexperte Ulf Moslener von der Frankfurt School of Finance.

  • Die Energiebranche, die viel zu lange an den fossilen Energieträgern festgehalten hat, hat jedenfalls endlich die Zeichen der Zeit erkannt: „Die Unternehmen haben die erneuerbaren Energien als einen großen Wachstumsbereich ausgemacht“, sagt Kearney-Berater Stender.

  • Unterstützt werden sie dabei von Finanzinvestoren. Die Zinsen sind niedrig, Investments in erneuerbare Energien attraktiv. Es sei viel Geld im Markt, berichten Branchenvertreter.

Obwohl die Kosten für Wind- und Solarenergie sinken, werden sie häufig noch gefördert. Zwar sinken die fixen Prämien, mit denen grüner Strom lange üppig vergütet wurde – und in einigen Ländern herrschen schon freie Marktbedingungen. In vielen Ländern gibt es aber noch immer solche Prämienmodelle.

Sie funktionieren nach einem ähnlichen Muster: Sinkt der Strompreis im Großhandel unter eine bestimmte Grenze, erhalten die Betreiber von Öko-Kraftwerken einen Zuschuss. Das ist eine Absicherung, die vor allem die Geldgeber honorieren. Je besser die Absicherung ist, umso weniger Eigenkapital wird bei der Finanzierung der grünen Kraftwerke verlangt.

Wie viel Geld letztlich im kommenden Jahrzehnt investiert wird, hängt deshalb vor allem von zwei Faktoren ab: Wie schnell sinken die Kosten weiter, und wie lange werden die erneuerbaren Energien noch gefördert. „In den kommenden fünf Jahren sind die Bedingungen in vielen Ländern sehr gut“, sagt Stender: „Wie es danach weitergeht, hängt davon ab, wie schnell die erneuerbaren Energien endgültig in den Markt entlassen werden.“

Je länger das dauert, umso leichter fällt die Finanzierung. Die 650 Milliarden Euro seien „eher konservativ“, sagt Berater Stender, die Billionenmarke durchaus möglich.


„Was wir gerade sehen, ist ein Megatrend. Den Unternehmen wird zunehmend bewusst, dass sie die Klimaziele der Länder und der Europäischen Union nur erreichen können, wenn sie in den nächsten Jahren investieren“, beobachtet auch Energieexperte Moslener.

Aktien von Wind- und Solarunternehmen steigen

Gerade im Jahr 2020, als die Weltwirtschaft von der Corona-Pandemie geschüttelt wurde, erwiesen sich die grünen Energien als krisenfest. Während viele Branchen mit Milliardenverlusten kämpften, feierten Wind- und Solarbranche einen Rekord nach dem anderen.

Weltweit wurden laut einem Bericht von Bloomberg New Energy Finance und der Frankfurt School of Finance 2019 schon gut 282 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energien investiert. Damit steigen die installierten Kapazitäten in den kommenden Jahren um satte zwölf Prozent – so viel wie noch nie. Und 2020 dürfte sich diese Summe noch einmal deutlich vergrößert haben.

An den Börsen kennen die Aktien von Wind- und Solarunternehmen nur einen Weg: nach oben. Seit Ausbruch der Coronakrise haben die meisten Erneuerbare-Energien-Konzerne deutlich besser performt als ganze Börsenindizes und sogar der komplette Energiesektor. Im Oktober hatten beispielsweise die Papiere globaler Solarunternehmen ihren Wert im Vergleich zum vergangenen Jahr mehr als verdoppelt.

„Der Strombedarf wird steigen, weil immer mehr Anwendungen elektrisch werden“, sagt RWE-Finanzvorstand Krebber. Grüner Strom werde fossile Energieträger verdrängen: im Wärmemarkt, im Verkehrsbereich und für die Produktion von grünem Wasserstoff, der für industrielle Prozesse benötigt wird. „Der Markt für erneuerbare Energien ist also höchst attraktiv, das Potenzial riesig. Das haben auch Finanzsektor und Investoren erkannt“, sagt Krebber.

Deutsche Konzerne wie RWE und EnBW mischen mit

Der RWE-Konzern steht wohl wie kaum ein zweiter für den Wandel in der Branche, der von der Politik durchgesetzt wurde. Bis zuletzt kämpfte Deutschlands größter Kohlekonzern für seine Braunkohleförderung und seine Kohlekraftwerke – aber letztlich vergeblich. Als sich nach dem Atom- auch der Kohleausstieg abzeichnete, machte der Konzern aus der Not eine Tugend. Im milliardenschweren Tauschgeschäft mit Eon stieg RWE wieder in die erneuerbaren Energien ein - und will sich darauf jetzt sogar konzentrieren.

Allein bis Ende 2022 will RWE netto fünf Milliarden Euro in erneuerbare Energien investieren, gemeinsam mit Partnern, die sich an der Finanzierung beteiligen, könnten das bis zu neun Milliarden Euro werden. Dadurch soll das Grünstrom-Portfolio um 50 Prozent auf mehr als 13 Gigawatt wachsen, was in etwa einer Kapazität von 13 Atomkraftwerken entspricht. Darüber hinaus hat das Unternehmen weitere Projekte von mehr als 22 Gigawatt in Planung.

Aber auch andere deutsche Unternehmen beteiligen sich am Milliarden-Wettrennen. EnBW baut in Brandenburg einen Komplex mit drei riesigen Solarparks auf einer Fläche von rund 550 Fußballfeldern. Der Konzern macht Solarenergie neben Windenergie zu einer wichtigen Säule in der Wachstumsstrategie und stockt die Ausbauziele auf. Insgesamt will der Konzern bis 2025 rund vier Milliarden Euro in erneuerbare Energien investieren.

Sogar Stromproduzent Uniper, den Eon 2016 mit den alten fossilen Kraftwerken abgespalten hat, um sich auf die erneuerbaren Energien zu konzentrieren, steigt nun selbst wieder in das Geschäft ein. Bis 2025 will der Konzern ein Gigawatt grüne Kraftwerkskapazität installieren, bis 2030 könnten es schon drei Gigawatt sein.

Immer mehr Erneuerbare-Energien-Anlagen werden ohne staatliche Förderung gebaut – wie auch die Solarparks von EnBW in Brandenburg. Bis 2025 dürfte sich dieser Anteil laut Experten verdreifachen. Noch ist das zwar mit einem gehörigen Risiko verbunden – aber eines, auf das sich immer mehr Unternehmen einlassen.

„Es ist mittlerweile einfach unternehmerisch kluges Handeln“, findet Stefan Dohler, Chef des Energiekonzerns EWE aus Oldenburg. Auch der norddeutsche Versorger hat seine Investitionen massiv aufgestockt – eine Milliarde sollen bis 2030 direkt in erneuerbare Erzeugung investiert werden.

Großkunden wie Amazon fragen grünen Strom nach

„Der Ausbau der Erneuerbaren ist der Schlüsselpunkt. Jeder Energiekonzern, der dieses Thema gerade nicht sehr konsequent angeht, hat ein hohes Risiko“, warnt Dohler. Er selbst vereinbarte vor wenigen Tagen für sein Unternehmen ein Joint Venture mit dem Windanlagenbauer Enercon. Gemeinsam will man massiv in Onshore-Windparks investieren.

Aber auch kleinere Regionalversorger und sogar Kommunalversorger konzentrieren ihre Investitionen inzwischen auf die erneuerbaren Energien.

Getrieben wird der Boom auch von einer steigenden Nachfrage der Kunden nach grünem Strom. „Es ist definitiv Schwung reingekommen, und der wird in den nächsten Jahren auch noch mal anziehen“, sagt Volker Malmen, Deutschlandchef des weltgrößten Windparkbetreibers Ørsted aus Dänemark.

Wo vor drei Jahren jeder seinen Strom so günstig wie möglich an der Börse gekauft hätte, steige die Nachfrage nach direkten Stromabnahmeverträgen zwischen Wind- oder Solarparkbetreibern und Großkonzernen weltweit immens, so der Manager.

Der dänische Konzern hat erst vor wenigen Wochen seinen bislang größten Deal in Europa mit dem Online-Riesen Amazon abgeschlossen. Der bekommt seinen Strom in den nächsten zehn Jahren jetzt unter anderem aus einem Offshore-Windpark vor der deutschen Nordseeküste.

Ørsted will bis 2025 rund 27 Milliarden Euro investieren – und gehört damit zu den größten Geldgebern in Europa.

Selbst Ölkonzerne reagieren auf die Klimadebatte

Dem Boom können sich selbst die Ölmultis nicht entziehen. Mit Milliardeninvestitionen drängen sie in den Markt für grüne Energien. Zusammen planen allein die europäischen Riesen BP, Shell, Total, Equinor und Eni, über die nächsten fünf bis zehn Jahre knapp 130 Milliarden Euro in die Erneuerbaren zu stecken. Denn der Druck von Politik, Gesellschaft und Aktivisten auf die fossilen Giganten wird immer größer. Und auch immer mehr Investoren fordern von den Milliardenkonzernen ein Umdenken.


„Was wir sehen, ist ein Strukturwandel im Energiesektor“, sagt Moslener von der Frankfurt School of Finance. Viele Länder in Europa und auch die EU selbst hätten sich ambitionierte Klimaziele gesetzt. „Und jetzt ändern die Konzerne auch ihre Strategie dementsprechend“, sagt er.

Die Unternehmen reagieren auf die Politik in vielen Ländern und Regionen. Die EU will bis 2050 sogar der erste klimaneutrale Kontinent werden. EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans und EU-Energiekommissarin Kadri Simson haben dazu schon eine explizite EU-Strategie für Offshore-Energie vorgestellt, also für grünen Strom, der vor den Küsten erzeugt wird.

Dabei soll die Kapazität in europäischen Offshore-Windparks von derzeit zwölf Gigawatt (GW) Leistung bis 2030 auf mindestens 60 GW und bis 2050 sogar auf 300 GW ausgebaut werden. Zudem sollen bis 2050 rund 40 GW an Meeresenergie sowie durch erneuerbare Offshore-Energie aus anderen Quellen wie schwimmenden Wind- und Solaranlagen installiert werden. Bis 2050 rechnet die Kommission allein dafür mit Investitionen von knapp 800 Milliarden Euro.

Dabei bleibt es nicht beim Bau von Wind- und Solarparks. Für die Energiewende muss auch das Netz besser werden. So investiert EWE zusätzlich drei Milliarden Euro in den Ausbau der Netze. Europaweit werden hier noch einmal gewaltige Summen bewegt. Inklusive den Investitionen ins Stromnetz wird der italienische Energiekonzern Enel bis 2030 sogar 190 Milliarden Euro in die Energiewende investieren, bei Iberdrola aus Spanien sind es bis 2025 rund 70 Milliarden Euro.

In Brandenburg baut EnBW einen gigantischen Komplex aus drei Solarparks. Der erste ist schon in Betrieb. Foto: dpa
In Brandenburg baut EnBW einen gigantischen Komplex aus drei Solarparks. Der erste ist schon in Betrieb. Foto: dpa
Windenergieanlagen in Brandenburg: Zuletzt schwächelte der Ausbau in Deutschland bei Onshore-Windenergie, europaweit kommt er aber gut voran. Foto: dpa
Windenergieanlagen in Brandenburg: Zuletzt schwächelte der Ausbau in Deutschland bei Onshore-Windenergie, europaweit kommt er aber gut voran. Foto: dpa