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Die Bilanz zum Wohngipfel fällt mager aus – Große Koalition verfehlt ein Hauptziel

Die Bundesregierung zieht an diesem Dienstag die Bilanz ihrer Wohnungsbaupolitik. Ein großes Hauptziel wurde verfehlt: für 1,5 Millionen neue Wohnungen zu sorgen.

Was beim „Wohngipfel“ im Kanzleramt im September 2018 vereinbart wurde, klang vielversprechend: mehr und günstiger Bauen, mehr Menschen ins Wohneigentum bringen und den Mietenanstieg in Ballungsräumen abbremsen. Doch was haben Union und SPD tatsächlich erreicht? Die Bundesregierung dürfte bei ihrem virtuellen Bilanzgipfel an diesem Dienstag überwiegend positive Ergebnisse präsentieren. Experten bescheinigen der Koalition aber eine allenfalls durchwachsene Bilanz. Ob Ökonomen, die Immobilienbranche oder sozial orientierte Verbände der Wohnungswirtschaft: Sie alle sehen erheblichen Bedarf nachzusteuern.

„Gäbe es für die Umsetzung des im September 2018 von Bund, Ländern und Kommunen beschlossenen Maßnahmenkatalogs für mehr bezahlbare Wohnungen eine Schulnote, wäre das eine 4,4“, heißt es in einer Umfrage des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW unter seinen Mitgliedern. Die Umfrage hat der Verband selbst unter seinen 3000 Mitgliedern durchgeführt. Dazu gehören kommunale, genossenschaftliche, kirchliche, privatwirtschaftliche sowie landes- und bundeseigene Wohnungsunternehmen. „In einigen Themenfeldern wie der angestrebten Beschränkung der Baukostensteigerungen oder der verbilligten Abgabe von öffentlichen Liegenschaften wäre es sogar eine Fünf – stark versetzungsgefährdet“, so das Ergebnis der Umfrage.

„Beim bezahlbaren Bauen und Wohnen in Deutschland ist auch zwei Jahre nach dem Wohngipfel der Bundesregierung noch sehr viel Luft nach oben“, sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko. Zwar habe der Bund manche gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, „doch es hakt oft bei der Umsetzung dieser Maßnahmen auf Landes- und kommunaler Ebene“. Von den eigentlich geplanten 1,5 Millionen neuen Wohnungen würden bis zum Ende der Legislaturperiode nur 1,2 Millionen Wohnungen gebaut sein – also 300.000 weniger als vorgesehen.

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Michael Voigtländer, Experte für Immobilienmärkte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, kritisiert: „Das hat nicht geklappt, das muss man ganz klar sagen. Die Bautätigkeit ist nur geringfügig gestiegen.“ Ein Grund für den Ausfall: Der Bund habe den Kommunen nicht genug Hilfestellungen und Anreize gegeben. „Es hätte eine echte Stadterweiterungsförderung betrieben werden müssen“, meint der Experte. „Vielleicht hätte ein spezieller Fonds aufgelegt werden müssen, wie es das im Ausland teilweise gibt, damit dann auch die entsprechende Infrastruktur geschaffen werden kann.“

Auch bei der Reduzierung der Baukosten sei „gar nichts passiert“. Die Politik habe das Thema „komplett verschlafen“. Dabei ließe sich durchaus überlegen, welche Standards abgesenkt werden könnten, um auch günstigeren Wohnraum zu schaffen, etwa für Studierende. Voigtländer verweist auf die Niederlande: Dort könne man ein Einfamilienhaus von guter Qualität zu Baukosten von 1400 oder 1500 Euro pro Quadratmeter bauen. In Deutschland fängt das eher bei 2500 Euro an.

Beim Vorhaben, die Kosten für den Erwerb von selbst genutztem Wohnraum abzusenken, blieb die Große Koalition auf halbem Wege stecken. Die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat zwar gesetzlich geregelt, dass Maklerkosten nur noch bis zu einer Obergrenze von 50 Prozent der insgesamt zu zahlenden Gebühr an die Käufer weitergegeben werden dürfen. Die Grunderwerbsteuer hat sich die Regierung aber noch nicht vorgenommen – obwohl das im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.

„Das geht leider im Föderalismus verloren“, erklärt IW-Experte Voigtländer. Bund und Länder würden sich gegenseitig „den Schwarzen Peter“ zuschieben. Dabei wären unterschiedliche Tarife denkbar, je nachdem, ob es um Ersterwerber gehe, die für sich selbst Wohnraum kaufen wollten, oder ob es um Kapitalanleger gehe. In Großbritannien etwa gebe es einen Freibetrag plus Stufentarif. „Aber in Deutschland ist es für alle, die neu in den Markt eintreten wollen, sehr schwierig“, sagt der Ökonom. „Sie brauchen enorm viel Startkapital.“

Mietermarkt: Mietpreisbremse funktioniert nicht richtig

Für den Mietermarkt fällt das Expertenurteil ebenfalls verhalten aus. „Die Politik hat viel unternommen, um gutes Wohnen bezahlbar zu machen“, sagt der Chef vom Immobilienkonzern Vonovia, Rolf Buch. Allerdings sei das Thema Wohnen eine soziale Frage und nicht innerhalb einer Legislaturperiode zu lösen. Dem Konzern gehörten Ende 2019 in Deutschland mehr als 400.000 Wohnungen.

Kritisch äußert sich Buch über den Berliner Mietendeckel, der nicht nur die Wohnungsknappheit befördere, sondern auch altersgerechte und energetische Sanierungen verhindere. „Am Ende steigen die Energiekosten, und die Klimawende im Gebäudebestand gerät ins Stocken“, so der Manager von Deutschlands größtem Wohnungskonzern. Buch ist davon überzeugt, dass der Wohnungsmarkt eine Regulierung brauche – auch um das soziale Gleichgewicht zu erhalten. „Aber wir sollten prüfen, was die Regulierung für die Menschen konkret erreicht, und die Instrumente justieren.“

Der Mietendeckel in Berlin wurde von der rot-rot-grünen Regierung im Februar 2020 verabschiedet und hat die Mietpreise von rund 1,5 Millionen Wohnungen eingefroren und teilweise abgesenkt.

IW-Ökonom Voigtländer sieht das ähnlich: „Ich kann es schon verstehen, dass die Politik in angespannten Märkten versucht, die Mietsteigerung etwas zu dämpfen.“ Aber die Mietpreisbremse funktioniere nicht richtig – was auch daran liege, dass sich intransparente Mietspiegel nicht als Bezugspunkt für eine solche Regulierung von Neuverträgen eigneten.

Zudem dränge sich der Eindruck auf, dass sowohl Vermieter als auch Mieter die Vorschriften ignorierten: Mieter seien froh, überhaupt eine Wohnung zu bekommen; für Vermieter sei es leicht, die Mietpreisbremse zu missachten, weil das Interesse an Wohnungen so hoch sei. Der IW-Experte weiß, dass es auch anders ginge: „In anderen Ländern gibt es einfache und transparente Vorschriften, die sagen: Eine Mieterhöhung bei Neuverträgen ist nur noch im Umfang der Inflationsrate plus drei Prozent möglich.“

Einen Rundumschlag macht der Chef der LEG, dem mit rund 145.000 Mietwohnungen und rund 400.000 Bewohnern drittgrößten börsennotierten Wohnungsunternehmen in Deutschland. Er verteilt Lob und Kritik: „In meiner Bilanz gibt es Licht und Schatten“, meint Lars von Lackum. „Einiges wurde seit 2018 auf den Weg gebracht, etwa beim Wohngeld oder in der Mobilitätsförderung.“ Die zunehmende Mietpreisregulierung, der Mangel an günstigem Bauland und langwierige Genehmigungsverfahren behinderten dagegen die dringend notwendige Investitionstätigkeit der Wohnungswirtschaft – sowohl im Hinblick auf den Neubau als auch bei Modernisierungsmaßnahmen für mehr Klimaschutz. „Wir setzen uns daher unabhängig von Gipfelterminen für eine faire Lastenteilung zwischen Mietern, Vermietern und Gesellschaft ein“, erklärt von Lackum.

Opposition: Seehofer ist „Teilzeit-Bauminister“

In den Reihen der Opposition urteilt die FDP besonders hart. Horst Seehofer (CSU), der nicht nur Bau-, sondern auch Innen- und Heimatminister ist, titulieren die Liberalen als „Teilzeit-Bauminister“. Die Wohnraumoffensive der Großen Koalition sei gescheitert, sagt der baupolitische Sprecher, Daniel Föst. Seehofer habe „viel zu wenig“ unternommen, um die Wohnkosten zu senken. Die Bilanz sei eindeutig: Der Neubau stocke, die Eigentumsquote sinke zum ersten Mal seit 1993, und der Klimaschutz in Gebäuden komme nicht voran. In den Metropolen herrsche weiter Wohnungsnot, und die Mieten stiegen.

Erst am Montag hatte die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht darauf verwiesen, dass die Preise am deutschen Wohnimmobilienmarkt weiter steigen – trotz Coronakrise. „Aktuellen Schätzergebnissen zufolge lagen die Preise in den Städten nach wie vor zwischen 15 und 30 Prozent über dem Wert, der durch demografische und wirtschaftliche Fundamentalfaktoren angezeigt ist.“

Die Wohnraumnachfrage in Deutschland habe im bisherigen Verlauf der Pandemie nicht nachgelassen. Immerhin sei das Angebot an Wohnraum 2020 abermals ausgeweitet worden. Das zusätzliche Angebot dürfte vergangenes Jahr den Zuwachs des Vorjahres, als gut 290.000 Wohnungen fertiggestellt worden waren, übertroffen haben.

Die Zahl der Baugenehmigungen war im abgelaufenen Jahr mit schätzungsweise mehr als 350.000 Einheiten ebenfalls überdurchschnittlich. Selbst in den Monaten mit pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen blieb die Zahl der erteilten Genehmigungen stabil. Die Kapazitätsauslastung im Bausektor sank im Jahresverlauf etwas, allerdings von einem zuvor überaus hohen Stand.