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Betrug bei Arbeitszeiten: So begründeten die Richter, warum der Ehemann von Familienministerin Franziska Giffey seinen Job verlieren musste

In ihrem 28-seitigen Urteil bemühen sich die fünf Richter der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Berlin redlich, Milde walten zu lassen. Doch am Ende gelingt ihnen das nicht – im Gegenteil. Was das Gericht sachlich zu den Betrugsvorwürfen gegen den ehemaligen Berliner Beamten Karsten Giffey – dem Ehemann von Familienministerin Franziska Giffey (SPD) – schreibt, klingt eher wie eine schallende Ohrfeige: "Jedenfalls wären Unzufriedenheit über ein zu schleppendes berufliches Vorankommen und persönliche Probleme mit Vorgesetzten keine Gründe, die das Dienstvergehen in ein deutlich milderes Licht rücken könnten", schreiben die Richter beispielsweise zu Giffeys Erklärung, warum er bei seinen Arbeitszeiten so stark geschummelt hat.

Eine anonymisierte Abschrift des Urteils gibt es hier zum Download.

Insgesamt 54 Mal hat Karsten Giffey im Jahr 2016 während seiner Arbeitszeit unerlaubt Vorträge und Seminare gehalten. Insgesamt werden ihm mehr als 151 Stunden unentschuldigten Fehlens zur Last gelegt. "Der vom Beklagten insgesamt verursachte Betrugsschaden liegt über 3.000,- Euro und ist damit bereits für sich betrachtet von erheblicher Bedeutung", schreiben die Richter.

Giffey betrog nach Ansicht der Richter systematisch und mit Vorsatz

Doch die Schwere seines Vergehens sehen die Richter vor allem darin, dass Giffey bewusst gewesen sei, was er tat. "Belastend ist darüber hinaus das jedenfalls für die Falscheintragungen in den Arbeitszeitbögen offensichtliche Motiv des Beklagten, ein anderes gravierendes Dienstvergehen, nämlich die Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten während der Arbeitszeit, zu verdecken und damit letztlich zu erreichen, für diese Zeit von zwei Stellen eine Vergütung zu erhalten." Giffey schummelte bewusst bei seinen Arbeitszeitbögen, um seine unerlaubten Vortragstätigkeiten zu verheimlichen und doppelt abzukassieren.

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Ins Rollen gekommen ist der Fall durch den Vorgesetzten Giffeys im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), wo Giffey als Veterinär gearbeitet hatte. Dem Vorgesetzten waren vermehrt Abwesenheitszeiten aufgefallen, woraufhin er Giffey bat, seinen Terminkalender für zu öffnen. Daraufhin reagierte Giffey in einer Mail an seinen Vorgesetzten zunächst verärgert: "Dies sei sehr verletzend und zeige ihm erneut, dass seine Arbeit nicht wertgeschätzt, sondern infrage gestellt werde. Er wünsche sich künftig mehr einen kollegialen Umgang", schrieb Giffey laut der Urteilsbegründung.

Doch der Referatsleiter ließ nicht locker und konfrontierte Giffey im Dezember 2016 mit dessen unerlaubten Nebentätigkeiten. Der Veterinär räumte in der Folgezeit zwar die Vorwürfe ein, aber nur zögerlich und zunächst auch nicht wahrheitsgemäß.

Angeblich persönliches Tief Grund für Betrug

Giffeys Begründung: Ihm habe die dienstliche Anerkennung und Wertschätzung durch Kollegen und Dritte gefehlt. Zudem habe ihm eine berufliche und persönliche Perspektive im Sinne einer Personalentwicklung bzw. –weiterentwicklung gefehlt. Er habe sich deshalb in einem persönlichen Tief befunden. Dass er die Nebentätigkeiten nicht beantragt oder angezeigt habe, sei ihm durchgerutscht.

Die Richter halten diese Erklärung für unglaubwürdig: "Der Beklagte handelte vorsätzlich, da er sowohl die Kernzeitregelung kannte und wusste, dass er sich bei Ausübung nicht genehmigter Nebentätigkeiten ohne dienstlichen Grund und ohne besondere Genehmigung von seinem regelmäßigen Dienstort entfernte und dem Dienst damit ungenehmigt fernblieb."

Auch Giffeys Erklärung, eine beantragte Dienstreise, die er in Wahrheit wegen einer Nebentätigkeit nicht angetreten hatte, versehentlich abgerechnet zu haben, glauben die Richter nicht: "Die Kammer geht hinsichtlich der unrichtigen Dienstreisekostenabrechnung von Vorsatz aus, da es schlicht nicht vorstellbar ist, eine nicht durchgeführte Dienstreise wenige Wochen später „versehentlich“ abzurechnen, zumal der Beklagte ersichtlich unwahre Detailangaben auf dem Formular dazu gemacht hat (z.B. private Unterkunft genommen, daher keine Hotelkosten)."

Urteil bringt Berlins Sozialsenatorin in Erklärungsnot

Für politischen Zündstoff in der Berliner Landesregierung könnte eine Passage des Urteils sorgen: Der mit den Disziplinarermittlungen gegen Giffey befasste Beamte kam in einem Bericht für die verantwortliche Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) Ende Februar 2018 zu dem Schluss, dass "der Beklagte die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nahezu endgültig zerstört habe und die Verhängung der Höchstmaßnahme nicht unverhältnismäßig wäre."

Ende Februar ernannte Breitenbach einen neuen verantwortlichen Ermittler, der im Oktober einen neuen Bericht dazu erstellte. Auf dieser Basis entschied sich Breitenbach schließlich dazu, trotz der strafrechtlich relevanten Vorwürfe weder die Staatsanwaltschaft einzuschalten, noch tatsächlich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis vor Gericht zu beantragen. Dies hatte ihr zuletzt öffentlich den Vorwurf eingebracht, Giffey schützen zu wollen. Inzwischen prüft die Berliner Staatsanwaltschaft laut "Tagesspiegel" mehrere Strafanzeigen gegen Breitenbach wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt.