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Bertelsmann erzielt Milliardengewinn – und befindet sich mitten im digitalen Wandel

Michelle Obama ist überall. Ihr Konterfei schmückt den Eingangsbereich von Bertelsmann. Es leuchtet von der Wand und es ist Teil der Erfolgsgeschichte, die Penguin-Random-House-Chef Markus Dohle zu erzählen hat.

Es ist Presseabend in der Berliner Repräsentanz des Medienunternehmens aus Gütersloh. Und eines ist klar: Die Biografie „Becoming“ der früheren First Lady, erschienen im November 2018 bei der Bertelsmann-Tochter Penguin Random House, hat kräftige Erholung für das dümpelnde Buchgeschäft gebracht. Fast zehn Millionen Exemplare wurden bisher verkauft – und die Nachfrage bleibt weiterhin hoch. Der Erfolg von „Becoming“ stellt sogar die Verkaufszahlen der Bücher von Barack Obama in den Schatten.

Dohle, verantwortlich für die Buchvermarktung, lacht an diesem Abend besonders viel. Denn die Zahlen, die Bertelsmann-Chef Thomas Rabe am nächsten Tag verkünden wird, lassen Penguin Random House als Gewinner dastehen.

Am nächsten Morgen wirft Rabe eine Reihe Charts an die Wand. Seit Jahren befindet sich der Gütersloher Medienkonzern, bei dem 117.000 Menschen arbeiten, in einem tiefgreifenden Wandel. In jedem der acht Unternehmensbereiche – von der TV-Tochter RTL Group über den Dienstleistungsgiganten Arvato bis hin zum kleinen Musiklabel BMG oder auch dem Verlagshaus Gruner + Jahr – müssen neue, digitale Geschäftsfelder ausgelotet werden.

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Der historische Kern des Unternehmens ist das Buchgeschäft, gebündelt bei Penguin Random House. Dessen Umsatz stieg im Geschäftsjahr 2018 um 1,9 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro, das operative Ebitda zog um 1,3 Prozent auf 528 Millionen Euro an. Für das Wachstum sorgte zum einen die Obama-Biografie „Becoming“, aber auch der zunehmende Absatz von Hörbüchern.

Insgesamt erzielte der Bertelsmann-Konzern im Geschäftsjahr 2018 einen Umsatz von 17,7 Milliarden Euro, das waren 2,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Als Wachstumstreiber erwiesen sich die Digitalgeschäfte der Medientöchter RTL Group (TV-Sender) und Gruner + Jahr (Verlagshaus), außerdem die Dienstleistungstochter Arvato und das Bildungsgeschäft. Das operative Ebitda lag leicht erhöht bei 2,6 Milliarden Euro. Unterm Strich blieb ein leicht verringerter Konzernüberschuss von 1,1 Milliarden Euro.

„Das organische Wachstum ist so hoch wie seit Jahren nicht“, sagte Rabe am Dienstag bei der Bilanzpressekonferenz. „Knapp die Hälfte unseres Umsatzes stammt aus Digitalgeschäften.“ 2011 lag dieser Anteil bei 30 Prozent. Für Rabe, der das Unternehmen seit 2012 führt, ist die digitale Transformation Teil seiner Agenda.

Kooperation statt Konkurrenzdenken

Zum Vergleich: Das Medienunternehmen Axel Springer, das zwar weder einen TV-Sender noch einen Musikverlag hat, dafür aber einen florierenden Kleinanzeigenmarkt im Internet, weist eine Digitalumsatzquote von gut 70 Prozent aus. Mit der Stärkung der Digitalkompetenz wollen deutsche Unternehmen wie Bertelsmann oder Axel Springer eine Antwort auf die erstarkenden Tech-Konzerne wie Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google, kurz FAANG, finden.

Bertelsmann wandelt sich zusehends: „Wir arbeiten zwischen den verschiedenen Unternehmen eng zusammen – das war früher undenkbar“, sagt ein hochrangiger Manager. Früher habe ein starkes Wettbewerbsdenken in der Führungsetage geherrscht, jeder Spartenchef sei nur auf den eigenen Vorteil bedacht gewesen. Heute fordere Konzernchef Rabe enge Teamarbeit ein.

Vor einigen Jahren führte er eine übergreifende Vermarktungseinheit für Werbeplätze in den Medien ein, die sogenannte Ad Alliance. Beflügelt von dem Erfolg kam dieses Jahr eine weitere Kooperation hinzu: die Content Alliance, in der die Inhalte des Konzerns gebündelt und vermarktet werden. Chefin der neuen Inhalte-Gemeinschaft ist Julia Jäkel, Vorstandsvorsitzende des Verlagshauses Gruner + Jahr.

„Über eine solche Zusammenarbeit haben wir schon lange geredet – aber sie ließ sich früher nicht durchsetzen“, sagt der Bertelsmann-Manager. Rabe habe mit seinem unprätentiösen Führungsstil eine ganz neue, offene Unternehmenskultur geschaffen, lobt der Manager.

Vor allem hat Rabe seinen umsatzstärksten Töchtern einen Neuanfang beschert. Beispiel RTL Group: Das börsennotierte Unternehmen erzielte 2018 mit 6,5 Milliarden Euro – 2,1 Prozent mehr als im Vorjahr – den größten Teil des Umsatzes. Das Ebitda gab leicht auf 1,4 Milliarden Euro nach. Das heißt: Bertelsmann verdient die Hälfte des Geldes mit der TV-Tochter.

Die neuen Konkurrenten sind auch Auftraggeber

Doch die muss sich in einem immer fragmentierteren Unterhaltungsmarkt behaupten. Streaminganbieter wie Netflix und Amazon Prime Video saugen die Aufmerksamkeit der Zuschauer ab. Erst am Montag stellte der iPhone-Hersteller Apple sein neues Unterhaltungsangebot vor – auch der Konzern aus Cupertino will in den Streamingmarkt einsteigen.

Das macht den Raum für die RTL Group enger. Im vergangenen Geschäftsjahr gab es deutliche Abstriche im Werbegeschäft, dafür aber Zuwachs im angedockten Filmproduktionsgeschäft von Freemantle. Das läuft gut – dank der vielen neuen Inhalteanbieter wie Netflix und Amazon Prime Video, mit denen die Bertelsmann-Produktionstochter ebenfalls Geschäftsbeziehungen hat. Zusammen mit Sendern und Streamingdiensten arbeitet RTL nach eigenen Angaben an mehr als 35 Ideen für fiktionale Serienproduktionen.

Die neuen Konkurrenten im Streamingmarkt sind also auch Auftraggeber – und damit Kunden für Bertelsmann. Der Medienkonzern erzielt bereits zwei Milliarden Euro Umsatz pro Jahr mit den amerikanischen Tech-Konzernen.

An der Spitze des RTL-Reichs hat Rabe vor einigen Jahren einen ausgewiesenen Streamingkenner gesetzt: den Niederländer Bert Habets. Er hat in seinem Heimatland bereits den On-Demand-Dienst Videoland eingeführt, Ende vergangenen Jahres folgte die Überarbeitung des deutschen Pendants „TV Now“. Zusammenaddiert sollen beide Dienste über eine Million Zuschauer verfügen.

In Deutschland soll der frühere Vox-Chef Bernd Reichart die Strategie umsetzen. Der überraschende Abgang der langjährigen Deutschlandchefin Anke Schäferkordt Ende 2018 hatte Spekulationen angefacht, dass die TV-Sparte überarbeitet werden muss.

Auch bei Arvato sind Weichen für den Umbau gestellt

Auch beim zweitgrößten Umsatzbringer des Konzerns, dem Dienstleistungsspezialisten Arvato, hat Rabe die Weichen auf Umbau gestellt. Er trennte Anfang 2019 einen Teil der Tochter Arvato, in der das Kundenmanagement, kurz CRM, gebündelt ist, vom Rest der Firma. Er fand in der marokkanischen Saham Group einen strategischen Partner und gründete mit dieser ein Joint Venture namens Majorel. Für Majorel arbeiten jetzt 48.000 Mitarbeiter. Sie erzielen einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro.

Mit der Zusammenführung verspricht sich Bertelsmann eine solidere Finanzierung der neuen Technologien in der Call-Center-Branche. Denn immer mehr übernehmen Computerprogramme, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind, die früheren Aufgaben der Beschäftigten. Dafür jedoch sind hohe Investitionen in Technologien nötig.

Gleichwohl sorgte Arvato im Geschäftsjahr 2018 für glänzende Zahlen: Der Umsatz der Dienstleistungsgeschäfte stieg um 7,2 Prozent auf 4,1 Milliarden Euro, das operative Ebitda verbesserte sich um 17,8 Prozent auf 377 Millionen Euro. Das personalintensive Geschäft weist eine verhältnismäßig schwache Marge von 9,2 Prozent aus.

Auch die Chefin der neuen, unternehmensübergreifenden Content Alliance, Julia Jäkel von Gruner + Jahr, spürt den digitalen Wandel an den Geschäftszahlen. Das Hamburger Verlagshaus weist einen leicht rückläufigen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro aus, und ein ebenfalls leicht nachgebendes Ebitda von 140 Millionen Euro.

Während der Werbemarkt schwächelte, zog das Geschäft von Territory, der Agentur für inhaltegetriebene Kommunikation an. Auch die Vermarktungsplattform Applike sorgte für profitables Wachstum. In der neuen Content-Gemeinschaft soll Jäkel nun dafür sorgen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Töchtern enger wird.