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Berlin wächst und wird immer teurer – das betrifft nun auch die Randgebiete

An alte Zeiten erinnert nur noch die kleine, grüne Pförtnerloge. Vor 100 Jahren siedelten sich hier, am Ufer der Dahme, Unternehmen und Fabriken an, angelockt von guten Transportmöglichkeiten auf diesem Nebenfluss der Spree, und forcierten die industrielle Entwicklung in Berlin-Grünau.

Die Unternehmen von einst sind verschwunden. Heute wird an einem neuen Wohnquartier gebaut, nicht ganz zentral, doch mit S-Bahn und Tram gut angebunden und direkt am Wasser gelegen. Die österreichische Buwog, inzwischen vom deutschen Wohnungskonzern Vonovia übernommen, startete 2015 mit dem Bau von Eigentums- und Mietwohnungen, Reihenhäusern, einer Kita.

Die ersten Wohnungen des 52° Nord genannten Quartiers sind bezogen, aber bis die 100.000 Quadratmeter vollständig bebaut sein werden, vergehen noch einige Jahre.

„2012, als die Buwog das Grundstück kaufte, wurden wir belächelt“, erzählt Michael Fröhlich aus dem Vertriebsteam. Kaum jemand habe sich damals vorstellen können, dass der industriell geprägte Berliner Südosten einen solchen Aufschwung hinlegen würde. Vom Alexanderplatz braucht man gut 45 Minuten hierhin.

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Jottwede nennt der Berliner so eine Lage, janz weit draußen. Doch das wird in Kauf genommen. „Mittlerweile“, sagt Fröhlich, „ist Grünau ein beliebtes Wohnquartier geworden.“

Immer mehr Menschen ziehen zum Leben und Arbeiten nach Berlin. Durchschnittlich 45.000 Menschen jährlich seit 2011. Die Folge: ein wachsender Nachfrageüberhang am Markt für Wohnimmobilien mit entsprechend steigenden Preisen. 2017 wurden in den zwölf Berliner Bezirken 12.814 Wohnungen neu gebaut. 18,9 Prozent mehr als 2016, doch längst nicht genug.

Um die steigende Nachfrage zu befriedigen, müssten es 20.000 neue Wohnungen pro Jahr sein, zumindest bis 2021, schätzt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen.

Noch vor zehn Jahren, erinnert sich Jacopo Mingazzini, Vorstandschef der Accentro AG, die auf den Kauf von Häusern und die Vermietung von Wohnungen spezialisiert ist, „wurde in einigen Stadtteilen über den Abriss von Wohnungen nachgedacht. Seitdem hat sich die Welt einmal komplett auf den Kopf gestellt.“

Das gilt auch für die Preise. Nach erheblichen Steigerungen vor allem in den zentralen Lagen Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln, aber auch im westlichen Charlottenburg-Wilmersdorf rücken nun Gebiete, die über Jahre weniger beachtet wurden, in den Fokus von Mietern, Käufern und Investoren.

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Allein entlang der Dahme finden sich mehrere große Neubauprojekte, teilweise mit eigenem Bootssteg. Das Gebiet gehört zu Treptow-Köpenick, einem der am schnellsten wachsenden Berliner Bezirke. Nirgendwo in Berlin gibt es mehr Wasser- und Waldflächen. Blöcke mit Gründerzeithäusern sind hier ebenso zu finden wie alte Industriehallen und locker bebaute Wohngebiete, durchsetzt mit viel Grün und Schrebergärtchen.

In Treptow-Köpenick befindet sich auch die Wissenschaftsstadt Adlershof mit ihren mehr als 1.000 Unternehmen. Hier allein sollen in den kommenden Jahren Wohnungen für rund 2.500 Menschen entstehen.

Einen echten Geheimtipp unter den Stadtteilen gibt es kaum noch

Auch in Spandau, lange Jahre das Schmuddelkind im Westen der Stadt, mehren sich die Bauprojekte, und es wird teurer. Mit Haselhorst, Siemensstadt und Hakenfelde befinden sich gleich drei Spandauer Stadtteile in der Liste der Top-Quartiere mit überdurchschnittlichen Wertsteigerungen im letzten Jahr (siehe Grafik).

Einen echten Geheimtipp unter den Stadtteilen gibt es kaum noch. „Ganz Berlin liegt im Trend“, meint Jakob Mähren, ein junger Immobilieninvestor aus Berlin. Auch Platz zum Bauen gibt es im Grunde genug. „Im Gegensatz zu München oder Frankfurt ist Berlin noch eine riesige Spielwiese für Bauträger und Investoren, man muss es nur zulassen“, sagt Mingazzini.

Doch mit dem Zulassen hapert es. „Nicht nur, dass der Senat landeseigene Grundstücke für die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften vorhält, die meist aber gar nicht so schnell bauen können“, kritisiert Helmut Kunze, Regionsleiter Berlin beim Wohnprojektentwickler Bonava. Auch die Genehmigungsverfahren dauern laut Kunze viel zu lange.

Entsprechend groß ist die Nachfrage, wenn dann tatsächlich Wohnungen fertiggestellt werden. Wer sich heute für eine Eigentumswohnung im Quartier 52° Nord interessiert, zahlte beim Vertriebsstart 2015 noch 2.850 Euro pro Quadratmeter. Heute muss man dort mindestens 4.000 Euro pro Quadratmeter aufbringen.

Das ist noch immer deutlich weniger, als in den zentralen Berliner Lagen fällig werden. So baut die Buwog auch in der Europacity – in prominenter Nachbarschaft von Regierungsviertel und Hauptbahnhof. Dort muss für eine knapp 80 Quadratmeter große Wohnung inzwischen annähernd eine halbe Million Euro berappt werden – das entspricht rund 6.000 Euro pro Quadratmeter. Ähnlich sieht es für Neubauprojekte in Friedrichshain aus.

In unmittelbarer Nachbarschaft zur East-Side-Gallery, dort, wo Zalando sein neues Hauptquartier baut, entsteht das Upside Berlin: zwei Wohntürme, 86 Meter hoch. Auch hier müssen Käufer schon für die erste Etage knapp 6.000 Euro für einen Quadratmeter bezahlen. Wem der Blick auf Spree oder Fernsehturm wichtig ist, legt das Doppelte hin.

Durchschnittlich, also über ganz Berlin hinweg, stiegen die Preise für Eigentumswohnungen im vergangenen Jahr um 15,8 Prozent. Das Preisniveau liegt nach exklusiven Recherchen von VDP Research für das Handelsblatt nun bei durchschnittlich 3.400 Euro pro Quadratmeter.

Die Mieten stiegen nicht ganz so rasant. Hier ermittelte VDP Research ein Plus von immerhin 7,5 Prozent auf durchschnittlich 10,50 Euro bei neu abgeschlossenen Verträgen. Wer nicht mehr als sechs oder sieben Euro pro Quadratmeter bezahlen kann oder will, wird höchstens noch in Marzahn-Hellersdorf oder in Spandau fündig. Und so wird es wohl weitergehen.

„Ich muss Mietern die Hoffnung nehmen, dass der Mietpreisanstieg aufzuhalten ist“, sagt Immobilieninvestor Mähren. Der Trend werde nur gestoppt, wenn in erheblichem Maß Neubau entsteht. „Das, was jetzt passiert, reicht bei Weitem nicht.“

Der Berliner Immobilienunternehmer hat 2002 seine erste Wohnung gekauft und sattelte später auf Mehrfamilienhäuser um, deren Wohnungen er vermietet. Mähren sieht der Entwicklung seiner Heimatstadt geradezu fassungslos zu. Eines seiner ersten Häuser steht im damals wenig gefragten Neukölln. „Mit Sektpartys und Rostbratwurst haben wir die Leute davon überzeugt, eine Kaltmiete von sieben Euro pro Quadratmeter zu bezahlen“, erinnert sich Mähren.

„Heute würden die Mieter den Sekt mitbringen, wenn sie für sieben Euro eine Wohnung bekämen.“ Mähren sieht die Stadt auf dem Weg zu einer „normalen Metropole“: Im internationalen Vergleich sei Berlin immer noch preiswert – „auch wenn die Berliner das anders sehen“.

Droht ein Preiseinbruch?

Wie schon im vergangenen Jahr sind sich Beobachter uneins, ob in der Hauptstadt eine Preiskorrektur droht. Der radikalste unter den Pessimisten ist Harald Simons, Vorstand des Forschungsinstituts Empirica. Er rechnet für Berlin mit einem Kaufpreisrückgang in den nächsten fünf Jahren in Höhe von real 25 Prozent. Viele Anhänger hat er mit diesem Szenario nicht gefunden, im Gegenteil: „Ich habe mit ihm gewettet, dass es nicht so kommen wird“, sagt Accentro-Chef Mingazzini.

Simons‘ Annahme fußt auf der Analyse, dass sich die Struktur der Zuwanderung nach Berlin geändert hat. Während früher vor allem Deutsche aus anderen Teilen des Landes sowie Südeuropäer nach Berlin geströmt sind, sind es jetzt eher Menschen aus Südosteuropa. Mingazzini: „Ob der Zuzug aus diesen Regionen bald abebbt oder nicht – da kann viel drüber spekuliert werden. Daraus auf eine Preiskorrektur zu schließen halte ich für sehr gewagt.“

Der Accentro-Chef glaubt, dass Preise und Mieten in Berlin tendenziell weiter steigen werden, wenn auch nicht so rasant wie in den Vorjahren. Alle Faktoren sprächen dafür: eine Nachfrage, die auf absehbare Zeit größer ist als das Angebot, ein günstiges Zinsumfeld, eine hohe Kaufbereitschaft.

Auch Jakob Mähren glaubt nicht an einen Preisverfall. Vor allem die klassische Dreizimmerwohnung, 80 bis 100 Quadratmeter groß, sowie die praktische Singlewohnung seien in Berlin enorm gefragt: „Die werden einem regelrecht aus der Hand gerissen, egal, ob Miet- oder Eigentumswohnung. Und diese Wohnungen werden auch in zehn Jahren mehr wert sein als heute.“

Doch Berlin ist groß: mit knapp 892 Quadratkilometern größer als München und Köln zusammen. Mähren rät deswegen dazu, nicht nur die zwölf Bezirke oder 96 Ortsteile, sondern auch das individuelle Umfeld einer Immobilie genau unter die Lupe zu nehmen. Ein Kiez könne angesagt sein, die Nachbarstraße dagegen nicht. Und in den weniger gefragten Lagen könne es durchaus zu einer Preiskorrektur kommen.

Diese Unübersichtlichkeit, gepaart mit dem generellen Preisauftrieb, hat das Geschäft für Investoren schwieriger gemacht. „Wir halten es weiterhin für sinnvoll, in Berlin zu investieren, aber es ist nicht mehr leicht, an gute Projekte zu kommen“, sagt Florian Mundt von der Deutschen Investment Kapitalverwaltungsgesellschaft.

Die Preise für Häuser überstiegen mittlerweile die 30-fache Jahresmiete, selbst für unsanierte Häuser aus den 1950er-Jahren außerhalb der Toplagen. „Im saturierten Westen der Stadt sind die Preise mitunter so hoch, dass es für Investoren oft kaum lohnt, dort einzusteigen“, sagt Brigitta Mühlhans von Dr. Lübke und Kelber Immobilieninvestmentberatung.

Finanziell attraktiver, auch wegen der Nähe zum hoffentlich irgendwann fertigen Berliner Flughafen, sei der Südosten Berlins. Zu dem zählt auch Treptow-Köpenick. Mühlhans: „Hier erwacht gerade alles aus seinem jahrelangen Dornröschenschlaf.“ Jottwede ist plötzlich in.

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