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Berlin reagiert erleichtert auf die Wahl von Biden – Experten warnen vor hohen Erwartungen

Neben Kanzlerin Merkel und Außenminister Maas freuen sich wohl viele deutsche Politiker über den Ausgang der US-Wahl. Doch die transatlantischen Beziehungen bleiben herausfordernd.

Bereits 2013 empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den damaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden in Berlin. Foto: dpa
Bereits 2013 empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den damaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden in Berlin. Foto: dpa

Als erstes gratulierte der Vizekanzler. Es war Punkt 18 Uhr am Samstag, als Olaf Scholz seinen Tweet abschickte. „Congratulations, Mr. President-elect“, schrieb der SPD-Politiker. „Auf gute Zusammenarbeit.“ Scholz hofft, ein „neues und spannendes Kapitel in den transatlantischen Beziehungen“ aufschlagen zu können.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ sich etwas mehr Zeit, formulierte dafür etwas ausführlicher. „Herzlichen Glückwunsch“, ließ sie über ihren Sprecher erklären. „Die amerikanischen Bürgerinnen und Bürger haben entschieden. Joe Biden wird der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.“

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Auch Kamala Harris, „der gewählten ersten Vizepräsidentin“ in der US-Geschichte, gratulierte Merkel. Die transatlantische Freundschaft, erklärte sie, sei unersetzlich, „wenn wir die großen Herausforderungen dieser Zeit bewältigen wollen“.

Der Grund für Merkels Abwarten: Die Staats- und Regierungschef der EU hatten sich darauf verständigt, ihre Glückwünsche gleichzeitig um 21:00 zu übermitteln. Oft tut sich Europa mit außenpolitischen Absprachen schwer, zumindest als Samstag aber ging alles glatt.

Sofort fiel auf: Die Sätze der Kanzlerin enthielten keine Einschränkung, kein wenn oder aber. Anders als 2016, als sie dem damaligen Wahlsieger Donald Trump eine Zusammenarbeit auf Grundlage der gemeinsamen Werte der Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen angeboten hatte.

Jetzt beginnt eine neue Zeit. Vier Tage lang war in den entscheiden die Bundesstaaten ausgezählt worden. Das Ergebnis war knapp. Doch um 17:24 deutscher Zeit stand fest: Joe Biden hat die nötige Mehrheit, Trump ist abgewählt. Seine disruptive Präsidentschaft geht nach einer Amtszeit zu Ende.

In Berlin ist die Hoffnung groß, dass sich das transatlantische Verhältnis, das Trump in den vergangenen vier Jahren beinahe zertrümmert hatte, rekonstruieren lässt. Außenminister Heiko Maas (SPD), auch er meldete sich auf Twitter zu Wort, bot den Amerikanern schon einen „New Deal“ an, ein neues transatlantisches Projekt.

Viele Experten dämpfen die Erwartungen jedoch. „Die Wahl zeigt, dass das Land tiefer denn je gespalten ist. Die zwei Blöcke stehen sich unversöhnlich gegenüber“, sagte Norbert Röttgen, Vorsitzender Auswärtigen Ausschusses des Bundestags und Kandidat für den CDU-Parteivorsitz, dem Handelsblatt. „Diese Gräben zu überwinden, wird viel Zeit und Kraft der Biden-Administration in Anspruch nehmen.“

Es sei zwar „in der Außen- und Klimapolitik mit einem Kurswechsel zu rechnen“. Aber Röttgen warnte: „Es wird keine Rückkehr zu alten Zeiten geben.“ Für Europa sei es daher wichtig „nicht passiv auf Bidens Forderungen zu warten, sondern selbst aktiv Vorschläge zur NATO, einer gemeinsamen Klimaaußenpolitik und zu einer Chinastrategie in die Partnerschaft einbringen“.

Vom Koalitionspartner kommt eine ähnliche Einschätzung. „Es bleibt auch mit einem Präsidenten Biden dabei, dass Europa mehr an internationaler Verantwortung selbst übernehmen muss“, sagte der SPD-Außenpolitiker Christoph Matschie dem Handelsblatt. „Die USA werden sich in den kommenden Jahren sehr stark um ihre innenpolitischen Probleme kümmern müssen.

Für Rachel Rizzo vom Center for a New American Century, einer Denkfabrik in Washington, ist klar: „Eine von Bidens obersten außenpolitischen Prioritäten wird die Reparatur der amerikanisch-europäischen Beziehungen sein“, sagte sie dem Handelsblatt. Deutschland stehe im Zentrum dieses Vorhabens. Dies bedeute allerdings auch, „dass es nicht der Zeitpunkt für Deutschland ist, selbstgefällig zu werden“. Biden werde erwarten, „dass die europäischen Staats- und Regierungschefs die Verteidigungsausgaben weiter aufstocken“. Dies werde insbesondere für Deutschland gelten.

Zentrale Streitthemen werden also bleiben, aber atmosphärisch wird sich vieles verbessern. Solche Stilfragen sind in der internationalen Politik keine Petitesse, sondern letztlich die Voraussetzung dafür, dass die transatlantischen Differenzen ausgeräumt werden können.

„Bei all dem werden wir sehen, dass Biden die europäischen Staats- und Regierungschefs so behandeln wird, wie alle US-Präsidenten vor der Wahl von Donald Trump sie behandelt haben“, sagte Rizzo vorher: „wie unsere Verbündeten, die uns in den letzten 75 Jahren geholfen haben, die Weltordnung aufrecht zu halten.“

Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger rechnet damit, dass auch mit Biden das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa nicht sofort harmonisch wird. „Es wäre ein großer Fehler anzunehmen, dass durch den möglichen Machtwechsel in Amerika all das zurückgedreht würde, was den Europäern in letzter Zeit Kopfzerbrechen bereitet hat“, sagte Kissinger der „Welt am Sonntag“. Eine neue Regierung mit Biden an der Spitze werde „genau darauf schauen, welche Uneinigkeiten zwischen Europa und den Vereinigten Staaten Streitigkeiten über die Methoden waren und bei welchen es um substanzielle Auseinandersetzungen ging.“

Harmonie könne nicht als gegeben vorausgesetzt werden. „Für Harmonie ist erhebliche Dialogbereitschaft vonnöten, sowohl in Europa als auch den Vereinigten Staaten“, sagte der 97 Jahre alte Friedensnobelpreisträger.

Der deutsche Diplomat Boris Ruge, stellvertretender Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, erinnerte daran, dass 70 Millionen Menschen in den USA für Trump gestimmt haben. Auch Trumps Parteifreunden, den Republikanern, gelang es, im Kongress stärker abzuschneiden als erwartet. „Die deutsche Politik ist daher gut beraten, den Draht zu den Republikanern nicht abreißen zu lassen“, sagte Ruge dem Handelsblatt.