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Benjamin Netanjahu zieht erneut die Notbremse

Wegen rasant steigender Infektionszahlen hat Israels Regierung den zweiten Lockdown verschärft, den sie vor einer Woche beschlossen hatte. Er soll bis zum 11. Oktober in Kraft bleiben.

Der Ausnahmezustand ist für das Land eine gefährlich hohe Belastung, zumal sich die Wirtschaft noch nicht vom ersten Lockdown im Frühjahr erholt hat. Das Finanzministerium schätzt die Kosten der Abriegelung auf umgerechnet neun Milliarden Euro.

Dabei handelt es sich um eine vorsichtige Schätzung. Denn sie berücksichtigt weder die Transferzahlungen an die neuen Arbeitslosen noch eine Verlängerung des Ausnahmezustandes nach Mitte Oktober. Experten bezweifeln, dass die Zahl der Neuinfektionen in den nächsten Wochen genügend stark fallen wird, um ab Mitte Oktober eine Rückkehr zur Normalität zu erlauben. Sie rechnen höchstens mit einer Lockerung des Lockdowns.

Der zweite Lockdown drängt die Konjunktur ins Worst-Case-Szenario der israelischen Notenbank. In diesem Szenario geht das BIP um sieben Prozent zurück, begleitet von einer Arbeitslosigkeit von fast 14 Prozent am Jahresende. Betroffen ist auch Israels erfolgsverwöhnte Hightech-Industrie, die stark vom Export abhängig ist.

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Die Notwendigkeit eines radikales Lockdowns ist innerhalb der Regierung umstritten. Die Wirtschafts- und Finanzminister mahnten, dass er viele Menschen in den wirtschaftlichen Ruin treiben werde. Auch der von Premier Benjamin Netanjahu zum „Corona-Zar“ ernannte Ronni Gamzu wollte eine totale Ausgangssperre verhindern, weil die sozialen Kosten zu hoch seien.

Wöchentliche Demonstrationen reflektieren die zunehmend scharfe Kritik an Netanjahu. Nur 27 Prozent der Bürger trauen seiner Coronapolitik, ergab diese Woche eine Umfrage des Israel Democracy Institute. Anfang April hatten das noch 60 Prozent angegeben.

Auch Medien, die als Netanjahus Sprachrohr gelten, gehen jetzt auf Distanz zu ihm und werfen ihm Führungsschwäche vor, weil er Entscheide immer wieder vor sich herschiebe und damit die Ausbreitung der Epidemie begünstigt habe.

Sogar Staatspräsident Reuven Rivlin hat das Kabinett und dessen Chef scharf gerügt und bat das Volk für die Fehler der Regierung um Verzeihung. Das sei jetzt eine zweite Chance. Und er fürchte, „dass wir keine dritte bekommen werden“.

Israel, das nach der ersten Welle wegen der tiefen Infektionszahlen als vorbildlich gegolten hatte, hat jetzt eine der weltweit höchsten Infektionsraten. Am Donnerstag waren 7500 Fälle registriert worden. Deutschland hat bei einer neunmal größeren Bevölkerung derzeit rund 2150 Neuinfektionen.

Verunsicherung durch Zickzackkurs

Die Verantwortung trägt zu einem großen Teil Netanjahu. Statt schnell und konsequent zu handeln, gab er immer wieder Interessengruppen nach, die eine Kooperation im Kampf gegen die Epidemie verweigerten, insbesondere arabische und ultraorthodoxe Gemeinschaften. Dass Netanjahu ihrem Druck nachgab, war verhängnisvoll: Die höchsten Infektionszahlen finden sich in arabischen und ultraorthodoxen jüdischen Städten und Wohnvierteln.

Zudem hat es die Regierung im vergangenen halben Jahr versäumt, eine der Krise angepasste Wirtschaftspolitik zu verfolgen. Für dieses Jahr hat sie zum Beispiel keinen Haushalt verabschiedet. Kosten im Zusammenhang mit der Epidemie finanziert sie von Fall zu Fall aus Spezialkassen.

Die Ausgaben lassen sich nicht mehr kontrollieren. Das erhöhe die ökonomische Unsicherheit mitten in der Coronakrise zusätzlich, sagt Joseph Zeira von der Hebräischen Universität in Jerusalem. Schlechtere Noten von Ratingagenturen und damit höhere Zinsen für den Schuldendienst des Landes will der Ökonomieprofessor nicht ausschließen.

Denn Netanjahus Wirtschaftspolitik sei „kurzfristig und unorganisiert“, meint Shmuel Even vom Institute for National Security Studies (INSS). Auch für das nächste Jahr liegt noch kein Haushaltsplan vor.

Statt eine klare Anti-Corona-Strategie zu entwickeln, hat die Regierung die Bürger mit einem Zickzackkurs verunsichert. Oft wurden Verbote wenige Stunden vor Inkrafttreten ausgesprochen, dann wieder kurzfristig zurückgenommen, um dann doch noch in Kraft zu treten. So erfuhren die Eltern zum Beispiel am Mittwoch vor einer Woche erst am Abend, dass die Schulen ab Donnerstag geschlossen blieben, nachdem es zuvor geheißen hatte, es werde bis Freitag unterrichtet.

Jetzt wird der öffentliche Verkehr bis auf Weiteres weitgehend eingestellt, alle Schulen bleiben geschlossen, und die Menschen dürfen sich nur einen Kilometer von ihrem Haus entfernen. Nur systemrelevante Geschäfte, die „lebensnotwendige“ Produkte anbieten, dürfen geöffnet sein. Restaurants und Einkaufszentren bleiben geschlossen.