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Bellevue-Experte: „Entrepreneurs denken langfristiger“

Im Gespräch mit FundResearch erläutert Jean-Pierre Gerber, Partner und Produktspezialist bei Bellevue Asset Management, die Vorteile eigentümergeführter Unternehmen und warum es sich lohnen könnte, in Europa zu investieren.

Mit dem BB Entrepreneur Europe (ISIN: LU0415391860) investiert die Schweizer Fondsboutique Bellevue Asset Management in Aktien eigentümergeführter Unternehmen. Fondsmanagerin Birgitte Olsen und ihr Team (NYSE: TISI - Nachrichten) erreichten 2014 aufgrund schwieriger Marktverhältnisse zwar lediglich ein Plus von knapp einem Prozent. Deutlich besser sieht es über die vergangenen drei Jahre mit einer Wertentwicklung von 39,6 Prozent aus und auch über fünf Jahre, in denen es um 76,4 Prozent nach oben ging. Auch der Start ins Jahr 2015 war mit einem Plus von 7,3 Prozent im Januar mehr als ordentlich.

Jean-Pierre Gerber, Partner und Produktspezialist bei Bellevue, spricht mit FundResearch über die Strategie des Fonds, die Vorteile von eigentümergeführten Unternehmen, die Schwierigkeiten im vergangenen Jahr und bewertet die Lage des Schweizer Franken sowie die des europäischen Aktienmarktes.

BB Entrepreneur Europe: Der Vorsprung zur Peergroup wird kleiner

Quelle: FINANZEN FundAnalyzer (FVBS)

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FundResearch: Herr Gerber, mit dem BB Entrepreneur investieren Sie in eigentümergeführte Unternehmen. Wann ist ein Unternehmen eigentümergeführt?

Jean-Pierre Gerber: Ein Unternehmen ist eigentümer- oder familiengeführt, wenn sich mindestens 20 Prozent der Stimmrechte in Besitz der Familie bzw. Eigentümergruppe befinden, wenn durch die Familie bzw. Eigentümergruppe ein maßgeblicher Kontrolleinfluss im Verwaltungs- oder Aufsichtsrat ausgeübt wird und eine Leitungsfunktion wahrgenommen wird. Das kann eine direkte oder indirekte Leitungsfunktion sein.

FundResearch: Müssen alle diese drei Voraussetzungen erfüllt sein oder reicht eine?

Jean-Pierre Gerber: Mindestens zwei dieser Voraussetzungen müssen erfüllt sein. In der Regel sind es aber alle drei.

FundResearch: Wie viele solcher Unternehmen gibt es? Wie groß ist das Anlageuniversum?

Jean-Pierre Gerber: Das Universum setzt sich aus rund 50 Prozent der börsennotierten Unternehmen zusammen, die diese Bedingungen erfüllen. Dies gilt im Übrigen auch für schweizerische und US-amerikanische Aktienmärkte.

FundResearch: Worin liegen die Unterschiede bzw. Vorteile der eigentümergeführten Unternehmen gegenüber Unternehmen, die von Managern geführt werden?

Jean-Pierre Gerber: Im Kern sind es vier Faktoren, die diese beiden Unternehmensarten unterscheiden. Das ist einmal das ungleich höhere Verantwortungsbewusstsein, das sich etwa auch messen lässt. Studien zufolge halten Entrepreneure rund 60 bis 65 Prozent des eigenen Vermögens im eigenen Unternehmen. Damit tragen sie eine sehr starke finanzielle Verantwortung, nicht nur sich selbst gegenüber, sondern auch gegenüber den anderen Familienktionären und nachfolgenden Generationen. Es ist auch die Verantwortung gegenüber den eigenen Mitarbeitern. Neben dem Umstand, dass in Krisenjahren eigentümergeführte Unternehmen, wenn überhaupt, erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt ihre Belegschaft abbauen, lässt sich dieas auch an weichen Faktoren erkennen: Der Chef spricht seine Angestellten mit Namen an, man kennt sich. Bottom-up spürt man in der Belegschaft oft einen hohen Respekt und Ehrfurcht vor dem Familieneigentümer. Das schafft eine gewisse Familiarität, wodurch auch Mitarbeiter meist eine Identität mit dem Unternehmen aufbauen, die in den großen managergeführten Konzernen oftmals weniger gegeben ist.

FundResearch: So etwas kann es aber durchaus auch bei managergeführten Unternehmen geben.

Jean-Pierre Gerber: Absolut. Das ist kein Ausscheidungskriterium. Aber tendenziell – und das lässt sich in Studien messen – genießen Familienunternehmen eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit. Dies ist ebenso eine wichtige Voraussetzung für das Erbringen einer relativ höheren operativen Leistung bzw. Produktivität.

FundResearch: Und die weiteren Faktoren?

Jean-Pierre Gerber: Langfristigkeit. Familienunternehmen investieren meist viel langfristiger als managergeführte Unternehmen. Interessanterweise scheint dies auch mit der Verweildauer des Managements zu korrelieren. Statistisch sind CEOs von managergeführten Unternehmen durchschnittlich etwa 3,5 Jahre im Amt. Bei Familienunternehmen sind es ungefähr 8,5 Jahre. Der Horizont, über den der Unternehmenserfolg erzielt werden soll, ist ungleich länger. Damit ist auch die Strategie langfristiger ausgelegt. Drittens verfügen Familienunternehmen typischerweise über eine solidere Eigenkapitalfinanzierung. Beträgt die Eigenkapitalquote 52 Prozent bei den Entrepreneurs, so liegt diese bei Nicht-Familienunternehmen bei 30 Prozent. Dies erlaubt eigentümergeführten Unternehmen auch in konjunkturell schwierigen Zeiten an der Belegschaft länger festzuhalten und sogar antizyklisch etwa in die Expansion neuer Märkte zu investieren. Viertens sind die Führungsstrukturen bei familiengeführten Unternehmen informeller, schneller, agiler und unabhängiger. Letztlich kommen viele dieser Entrepreneur- bzw. Family Business-Studien zu ähnlichen Schlussfolgerungen: Die Gewinnstabilität ist höher und auch die operativen Margen sind tendenziell jenen von Nicht-Familienunternehmen überlegen. Und daraus ergibt sich denn auch die Hypothese der Anlagestrategien auf eigentümergeführte Unternehmen, die im mehrjährigen Vergleich durchschnittlich leicht höhere Erträge abwerfen sollten.

FundResearch: Der Fonds fokussiert sich auf Europa. Warum? Gibt es hier die attraktiveren Entrepreneurs?

Jean-Pierre Gerber: Wir sind eine Boutique und daher spezialisiert auf ausgewählte Wachstumsthemen und Regionen. Wir werden kaum US-amerikanische Familienunternehmen-Portfolios bewirtschaften, weil wir einfach nicht nah genug dran sind. Die langjährige und ausgewiesene Kernkompetenz von Frau Olsen und ihrem Team liegt in der Region Europa.

FundResearch: Nach welcher Strategie suchen Sie die Unternehmen aus?

Jean-Pierre Gerber: Das machen wir mit einem aktiven, Benchmark-unabhängigen, fundamentalen Ansatz. Wir legen unseren Fokus auf 40 bis 50 Familienunternehmen, die das Portfolio bilden – aus einem europäischen Universum von rund 600. Neben dem Filter des Entrepreneur-Universums wenden wir aber auf jedes Unternehmen auch eine klassische qualitative und quantitative Fundamentalanalyse an. Ein Unternehmen muss in seinem Markt über eine starke Wettbewerbsposition verfügen, rentabel wirtschaften, gute Wachstumsperspektiven nachweisen und attraktiv bewertet sein.

FundResearch: Bevorzugen Sie bestimmte Branchen?

Jean-Pierre Gerber: Rund die Hälfte des Universums besteht aus Midcap-Unternehmen. Jeweils ein Viertel machen Large- und Smallcaps aus. Bei der Sektorallokation lässt sich feststellen, dass Banken im Vergleich zum Europe Stoxx Index untervertreten sind. Gleiches gilt für Versorger, Gesundheits- und Telekomunternehmen, also defensive Branchen, die im Universum tendenziell untervertreten sind. Wir sind naturgemäß im Bereich von Industrie-, Konsum- oder Technologiefirmen stärker gewichtet. Wir schauen aber nicht in erster Linie auf die Sektoren, sondern suchen spannende Ideen, die mindestens 20 bis 30 Prozent Upside erlauben. Bei starken Kursentwicklungen hinterfragen wir natürlich auch, ob der Business-Case weiterhin intakt ist und weitere Aufwertungen gerechtfertigt sind oder wir den Titel zurückgewichten müssen, weil er zu teuer geworden ist. Ähnliches gilt für die Ländergewichtung. Deutschland ist top gewichtet, was sich aus dem bottom-up-Stock Picking ergibt. Aber wir haben inzwischen für einzelne europäische Peripheriestaaten wieder eine bessere Einschätzung gewonnen, insbesondere Portugal und Spanien und teilweise auch Italien, wo wir einzelne Unternehmen dazugekauft haben.

FundResearch: Seit Auflegung des Fonds Mitte 2009 läuft der Fonds seiner Peergroup „Aktienfonds Europa“ davon. Das vergangene Jahr war mit einem Plus von einem Prozent ungewöhnlich schwach. Was war los?

Jean-Pierre Gerber: Im vergangenen Jahr haben sämtliche eigentümergeführte Strategien unterperformt. Während sich diese Strategien im ersten Halbjahr sowie im vierten Quartal im Rahmen des Marktes entwickelten, so schlug insbesondere das dritte Quartal negativ zu Buche. Es wurden vor allem geleveragte Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil, defensivere Unternehmen sowie Dividendenperlen gesucht, Qualitätsunternehmen blieben auf der Strecke. Ich gehe jedoch nicht davon aus, dass das langfristig bestehen bleibt, sondern dass die Solidität eines Unternehmens wieder zum Tragen kommt. Immerhin vermochte der Fonds im Januar 2015 bereits wieder einen Kursanstieg von 7,3 Prozent zu verzeichnen und übertraf wieder den Markt und die Masse der europäischen Aktienfonds.

FundResearch: Der Fonds hat ein starkes Exposure in der Schweiz. Wie bewerten Sie die Entkoppelung des Wechselkurses des Schweizer Franken vom Euro darauf?

Jean-Pierre Gerber: Das Portfolio bestand Ende des letzten Jahres zu zwölf Prozent aus Schweizer Aktien. Mit der Aufhebung der Wechselkursuntergrenze der SNB wurden viele Schweizer Exportunternehmen wiederum mit einer harten Realität konfrontiert, nachdem sie sich erst in den vergangenen drei Jahren strukturell auf das neue Mindestniveau von 1,20 CHF pro Euro eingestellt hatten. Es stellt sich natürlich die Frage, nach dem neuen Gleichgewichtskurs, der sich aber wohl kurz- und mittelfristig infolge hoher Marktvolatilität kaum dort stabilisieren dürfte. Davor lag der Wechselkurs ja zwischen 1,40 und 1,50. Das war ebenso ein schmerzhafter Prozess, der industriell unter anderem durch Strukturreformen bewältigt wurde. Jetzt müssen sich Schweizer Unternehmer erneut flexibel und agil zeigen und ihre Kostenstrukturen entsprechend anpassen. Das wird sich natürlich auch auf den Arbeitsmarkt der Schweiz auswirken. Der Tourismus-Sektor leidet derzeit ebenso stark. Hier sind Innovationen gefragt, um die Kunden zu halten und Stornierungen zu vermeiden. Tourismusdirektoren gehen bei guten Kunden teilweise selbst mit auf die Skipiste. Andere Destinationen haben den Euro künstlich auf ein Niveau von 1,10 oder 1,15 Franken gekoppelt. Dadurch erhalten Touristen aus der Eurozone einen Rabatt auf die Hotelrechnung von zehn bis fünfzehn Prozent.

FundResearch: Verringern Sie den Schweiz-Anteil im Portfolio?

Jean-Pierre Gerber: Wir haben den Anteil etwa halbiert. Deutsche, französische, spanische oder italienische Unternehmen sind jetzt natürlich wettbewerbsfähiger an den internationalen Exportmärkten. Asiatische Unternehmen rechnen genau durch, ob sie ihre Maschinen in Deutschland oder in der Schweiz kaufen wollen. Wenn es mit der europäischen Konjunktur besser laufen sollte, so dürften nach strukturellen Anpassungen aber auch Schweizer Unternehmer davon profitieren. Außerdem müsste sich bei einer Abschwächung der Schweizer Wirtschaft ja auch die Frankenstärke abbauen.

FundResearch: Wie sieht das Management-Team hinter dem Fonds aus?

Jean-Pierre Gerber: Seit Gründung des Fonds ist Birgitte Olsen verantwortliche Managerin. Sie managt das Portfolio mit Michael Keusch und Karim Bertone. Brigitte Olsen hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der erfolgreichen Bewirtschaftung europäischer Aktienportfolios und wurde in der Vergangenheit mehrfach für Ihre Leistungen ausgezeichnet.

FundResearch: Wie sieht die Gebührenstruktur aus?

Jean-Pierre Gerber: Wir haben zwei Anteilsklassen. Die institutionelle kosten 0,9 Prozent jährlich. Die Retail-Klasse hat 1,6 Prozent Management-Fee. Performance-Gebühren gibt es nicht.

FundResearch: Der Ölpreis ist in den letzten Monaten stark gefallen und die EZB hat ihr Quantitative-Easing-Programm ausgepackt. Was erwarten Sie von der Entwicklung des europäischen Aktienmarktes in diesem Jahr?

Jean-Pierre Gerber: Das sind erstmal sehr starke Stimuli, die da gesetzt wurden. Ob das QE-Programm letztlich wirkt, wird sich weisen. Der niedrige Ölpreis führt dazu, dass Inputpreise billiger werden und somit die Produktionskosten senken. Zweitens profitieren Konsumenten von einem höheren verfügbaren Einkommen, wenn sich die Rechnung an der Tankstelle um einen Drittel ermäßigt. Schließlich kommt europäischen Exporteuren auch der günstige Euro zugute. Dies dürfte sich mittelfristig positiv auf den Konjunkturverlauf in Europa auswirken. Die bestehenden Unsicherheitsfaktoren darf man aber nicht aus dem Blick lassen. Was geschieht derzeit in Griechenland? Bleibt das Land in der Eurozone? Welche Signale werden an Spanien und Italien gesandt? Die USA als Abnehmer von europäischen Produkten wachsen, ebenso Asien – wenngleich auch etwas schwächer in China als in der Vergangenheit. Auf der anderen Seite müssen aber auch einzelne Länder in Europa – wie Italien oder Frankreich – ihre strukturellen Probleme in den Griff bekommen.

FundResearch: Das klingt, als sei die Zeit gekommen, wieder in europäische Aktien zu investieren.

Jean-Pierre Gerber: Die Aktienmärkte stehen derzeit auf oder Nahe deren Allzeithochständen. Der DAX beispielsweise hat die 11.000 Punkte bereits knacken können. Auch der Schweizer Index oder der Euro Stoxx sind auf historischen Höchstwerten angelangt. Aber wie messen sich diese? Sind das inflationäre Gründe? Kriege ich für mein Geld jetzt einfach mehr nominalen DAX-Wert? Und dass nach solch starken Kursanstiegen auch immer wieder eine technische Korrektur erfolgt, ist sicherlich nicht auszuschließen. Es gibt aber unseres Erachtens genügend Anzeichen, dass die europäischen Unternehmen fundamental gut aufgestellt sind. In einer Schwächephase europäische Aktien wieder auszubauen, ist langfristig sicherlich lohnenswert.

(PD)