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Beförderung im Job: Zwei Psychologen erklären, wer zum Chef gemacht wird — und warum sich diese oft nicht dafür eignen

Wer steigt in Unternehmen zu Führungskräften auf? Und was zeichnet diese Personen aus? Für Beschäftigte ist klar, was sie sich von ihren Vorgesetzten wünschen. Einer aktuellen Analyse zufolge sind es vor allem drei Werte: Vertrauen gegenüber ihren Beschäftigten, Wertschätzung für deren Einsatz und die offene und transparente Art der Information. Weniger gut kommt es an, wenn Chefs jeden Fehler kritisieren, generell unangemessene Kritik üben, Angestellte klein halten oder im Stich lassen.

Das ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich auf der Grundlage von knapp 74.000 Bewertungen auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu. Dabei konnten Beschäftigte unter einer Reihe von Wertbegriffen die auswählen, die sie in ihrem Unternehmen am stärksten wahrnehmen. 40 davon waren dem Bereich „Führung“ zuzuordnen. Für jeden davon untersuchten die Forscher, wie sehr die Nennung des jeweiligen Wertbegriffes die Wahrscheinlichkeit erhöht oder verringert, dass die Befragten mit ihren Führungskräften zufrieden sind.

In der Realität gehen viele Menschen eher unmotiviert statt mit Elan ihrer Arbeit nach. 2020 hatten laut des Beratungsunternehmens Gallup 68 Prozent der Angestellten in deutschen Unternehmen eine geringe emotionale Bindung an ihr Unternehmen. Mehr als jeder Dritte war auf dem Absprung. Das spricht nicht für die Führungsstärke der Unternehmen: Schlechte Führung kostet sie Produktivität und im Zweifel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

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Woran liegt das? Experten zufolge hat es etwas damit zu tun, wie Unternehmen die Auswahl der Führungskräfte und die Führungskultur gestalten. Allgemein gilt: Es steigt auf, wer leistungsstark ist. Allerdings folgen Beförderungen in Unternehmen auf allen Ebenen vielen weiteren Kriterien. Dazu gehören ungeschriebene Gesetze wie ein gutes Netzwerk. Das gilt vor allem, je weiter oben jemand in der Hierarchie steht.

Führungskräfte kommen in der Regel aus den eigenen Reihen

Gerade in großen Unternehmen haben Chefs oft deutlich weniger Fachkompetenz als Durchsetzungsstärke. Sie nehmen hier häufiger Managementaufgaben wahr als in kleineren Unternehmen, zeigt eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln von 2017. In vier von zehn Unternehmen sind demnach Kompetenzen und bisherige Leistungen gleichermaßen von hoher Bedeutung. Die Studie zeigte aber auch: Führungskräfte kommen in aller Regel aus den eigenen Reihen.

Laut der Studie sind Leistung und Eignung für Beförderungen in Unternehmen maßgeblich. Doch in größeren Unternehmen entscheiden auch häufiger persönliche Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit oder Durchsetzungsstärke über die Beförderung. Und da nur drei Prozent der Unternehmen Top-Positionen mit Managerinnen und Managern extern besetzen, bleibt viel Spielraum für subjektive Entscheidungen.

„Steigt jemand in eine verantwortungsvollere Position auf, bleibt oft außen vor, welche Anforderungen eine neue Position mit sich bringt – und ob die Fähigkeiten der Person dem dann weiter standhalten können“, sagt Uwe Kanning, Wirtschaftspsychologe an der Hochschule Osnabrück. Er berät Behörden und Unternehmen bei personalpsychologischen Fragestellungen. "Ein guter Sachbearbeiter muss aber noch keine gute Führungskraft sein."

Gerade weiter oben in der Hierarchie werde die Eignung von Führungskandidaten zu wenig nach objektiv messbaren Leistungskriterien beurteilt, sondern eher nach subjektiven Kriterien der Entscheidungsträger, beobachtet Kanning.

„Performance und KPIs zählen zwar für die Besetzung von Führungspositionen, aber die Erfahrung zeigt, dass Karrierewege sich auch verselbständigen können“, sagt Rüdiger Hossiep, Psychologe und Eignungsdiagnostiker, der seit Jahren Führungskräfte coacht. "Es tummeln sich nicht selten Macchiavellisten unter den Chefs, die gerade bei ranghohen Beförderungen Leute nachziehen, die die Dinge in ihrem Sinne lenken, also Macht erhalten sollen."

Führungspositionen ziehen zu oft Menschen an, die wenig Fähigkeit zur Selbstkritik zeigen

Das Phänomen sei auf Arbeitgeberseite und auf Arbeitnehmerseite zu finden, so Hossiep. Er selbst erlebte das in den 80er-Jahren gerade bei großen Unternehmen immer wieder. „Führungskräfte besetzen manchmal ganze Bereiche mit den eigenen Leuten an den Schaltstellen.“ An Objektivierung und Transparenz sei bis heute gerade an der Konzernspitze nur wenigen gelegen. „Doch genau das ist es, was wir heute dringend brauchen.“

Da, wo es mehr um Macht als um Leistung geht, liegt also der Grund dafür, dass bisher kaum externe Spitzenkräfte Zugang finden. „Über die Beförderung einer Führungskraft entscheidet selten in erster Linie ihre Eignung im Sinne von etwas objektiv Messbarem“, sagt Wirtschaftspsychologe Kanning. "Hochstrukturierte Interviews und standardisierte Auswahlverfahren etwa, die helfen würden, gibt es kaum. Diese aber bräuchte es, damit Führung bis nach ganz oben stimmig ist und nicht mehr das Buddy-Prinzip vorherrscht."

Die Entscheidungsträger selbst seien ein Teil des Führungsproblems. Sie versuchen, intern zu rekrutieren. „Denn sobald externe Kandidaten für eine Kaderposition ins Spiel kommen, können Chefs nicht mehr so leicht denjenigen oben nachziehen, den sie selbst gern hätten.“ Herkunft, Werte, Hobby: Der Ähnlichkeitseffekt entscheide. „Menschen haben in der Auswahl eine stark verzerrte Wahrnehmung“, so Kanning.

Hinzu kommt, dass Führungspositionen zu oft Menschen anziehen, die wenig Fähigkeit zur Selbstkritik zeigen und Züge narzisstischer Persönlichkeiten tragen, belegen Studien. Sie haben gern Chefkollegen, die ähnlich ticken wie sie selbst. „Es herrscht das Prinzip ‚ich entscheide hier‘ und ‚ich reflektiere mich nicht“, sagt Kanning. „Die Bedürfnisse der übrigen Beschäftigten geraten da schnell aus dem Blick.“

Anders wäre es, wenn die Auswahl von Leitungspositionen objektiven Kriterien folgen würde. „Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass etwa IQ-Tests und hochstrukturierte Interviews das Potenzial einer Person sehr viel zuverlässiger erfassen als das Bauchgefühl eines Vorstands“, so Kanning. „Aber ein richtig professionelles Einstellungsinterview haben maximal fünf Prozent der Unternehmen."

"Das Streben nach Macht und Geld als Motiv hat sich über die Jahre verstärkt"

Weniger subjektive Kriterien in die Führungskräfte-Auswahl einzubeziehen zeige sich als nicht so leicht, so Eignungsexperte Hossiep. „Unternehmen bekunden zwar zeitgemäßes Führen, in Wahrheit aber sind die meisten sehr hierarchisch aufgestellt, es wird mit harten Bandagen um den Machterhalt gekämpft. Menschen kämen heute eher früher in hohe Verantwortung. „Das Streben nach Macht und Geld als Motiv hat sich über die Jahre hinweg noch verstärkt."

Hossiep ist Mitglied im Kuratorium Topmanagement-Diagnostik, das 2013 gegründet wurde. In diesem Kreis setzen sich rund 20 Personalexperten für ein gutes Assessment künftiger Führungskräfte durch individuelle Eignungs- und Potenzialdiagnostik ein. Manager sollen demnach idealerweise strukturierte Interviews durchlaufen, aufgabenbezogene Fallstudien lösen oder Konzepte zu geschäftspolitisch-strategischen Fragen und zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorlegen.

Wähle man eine Führungskraft nur über klassische Vorstellungsgespräche, sagt Wirtschaftspsychologe Kanning, ließen sich bestenfalls zehn Prozent ihrer Leistung prognostizieren. "Gleicht man die Erwartungen an eine Stelle aber ab mit den konkreten Kompetenzen einer Person, wie sie sich anhand standardisierter Tests und einem hochstrukturierten Interview ergeben, steigt die Güte einer Prognose ihrer Leistung auf über 35 Prozent."

Von selbst erledige sich ein schlechter Führungsstil nicht, glaubt Experte Hossiep. Im Mittelstand laufe es mitunter deutlich besser. Hier sei Konzernlenkern selbst aus ureigenem Interesse am Wohlergeben ihres Betriebs und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelegen. „Es wird im Ganzen genauer hingesehen, wem man seinen Betrieb überantwortet. Führung ist die Achillesferse für Leistung und Zufriedenheit der Beschäftigten."

In den USA gibt es oft Intelligenztests für künftige Chefs

Bewährt habe sich neben hochstrukturierten Interviews auch der Einsatz von Intelligenztests für künftige Chefs. „45 Prozent der Leistung in Toppositionen lässt sich über einen Intelligenztest vorhersagen“, sagt Kanning. „Der Umgang mit strategischen Aufgaben und die Verarbeitung komplexer Informationen sind ein Bestandteil des Alltags von Führungskräften. Erkennt aber jemand etwa in laufenden Verhandlungen die Schwäche einer Argumentation nicht oder verspätet, hat er ein Problem.“ In den USA, so Kanning, werden Intelligenztests bei 50 Prozent der Führungskräfte-Einstellungsprozesse eingesetzt, in Deutschland bei gerade einmal vier Prozent.

Training und Coaching hingegen seien sinnvolle Maßnahmen, um kleineren Schwächen in der Führung zu begegnen. Der IW-Studie zufolge bieten gerade Betriebe, in denen die persönliche Kompetenz der Führungskräfte viel zählt, ihren Topmanagern Führungskräftetrainings, systematischen Potenzialanalysen und eine individuelle Karriereplanung häufiger an.

Dass Führungstrainings das Potenzial haben, die eigene Rolle zu verdeutlichen, weiß Rüdiger Hossiep. Er hat im Laufe seines Berufslebens zahlreiche solcher Trainings geleitet. Worum es dabei vor allem geht? "Führungskräfte sollen sich ihrer eigenen Person bewusst werden", sagt er. "Sie sollen Bescheid wissen über sich selbst, wissen, wie sie wirken und woran sie arbeiten wollen. Wir können nicht anderen den Weg ausleuchten, wenn wir in Bezug auf uns selbst im Dunkeln tappen."

Führen, das sei nichts, was sich in zwei Tagen im Schnelldurchlauf lernen lasse, weiß Hossiep. „Führung braucht Reife, und um die zu erlangen, braucht es Zeit." Zur Reife gehört auch, Wissen über interne Prozesse zu haben und sich dessen bewusst zu sein. Das Wissen fehlt vielen Führungskräften. In den Unternehmen zum Beispiel würden Informationen Stufe um Stufe bis in die Führungsetage weitergereicht. „Oben aber kommt oft alles als Erfolg an", so Hossiep. "Führungskräfte wissen leider häufig nicht, was wirklich Sache ist oder hinterfragen die eigene Wahrnehmung nicht kritisch. Es werden also oft andere die Schuld daran tragen, wenn etwas nicht passt." Es brauche insgesamt mehr Konfliktkultur.

Manchmal fragt er in seinen Trainings, ob Chefs ihre Spitznamen in Unternehmen kennen. Das sein Fragen, bei denen ein toter Winkel gefährlich werden könne. Mit ihnen müsse man sich befassen. Jeder Chef habe einen Spitznamen, sagt der Psychologe. "Wissen Sie, wie Jan Marsalek von Wirecard intern genannt wurde? Armageddon."