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BDI-Hauptgeschäftsführer Lang warnt vor Zuspitzung des Konflikts zwischen USA und China

Joachim Lang beobachtet, dass die deutschen Industriefirmen wegen des Streits besorgt sind. Peking riskiere zudem eine vertane Chance im Verhältnis zu Europa.

Das Verhältnis zu China ist in diesem Jahr eines der wichtigsten Themen für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) – ein einfaches ist es keinesfalls. Die deutsche Wirtschaft sorgt sich über den sich zuspitzenden Streit zwischen den USA und China und das von Peking geplante Sicherheitsgesetz für Hongkong.

Der Konflikt zwischen den USA und China belaste die Stimmung im Welthandel, davon sei die international aufgestellte deutsche Wirtschaft besonders betroffen, urteilt BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang im Interview mit dem Handelsblatt.

Das Anfang des Jahres beschlossene Teilhandelsabkommen zwischen den USA und der Volksrepublik sei „in guten Zeiten schon herausfordernd für China“ gewesen. Deshalb überrasche es nicht, wenn China jetzt die US-Kritik an Hongkong nutzt, um die Agrarimporte aus den USA zu stoppen. Das wiederum gebe US-Präsident Donald Trump „einen willkommenen Hebel“, China zu bestrafen.

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Das vom Nationalen Volkskongress in Peking beschlossene Sicherheitsgesetz für die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong sieht Lang kritisch. „Die Unternehmen sind besorgt, dass die ohnehin angespannte Lage durch den Beschluss des Nationalen Volkskongresses weiter verschärft wird.“ Bisher habe sich Peking bei den Protesten in Hongkong zurückhaltend gezeigt. „Aber offenbar verfolgt es diesen Kurs nicht weiter. Das führt zu erheblicher Unruhe.“

Der BDI-Hauptgeschäftsführer hofft trotz der stockenden Gespräche zwischen der EU und China über ein Investitionsabkommen noch auf einen Abschluss in diesem Jahr. „China wäre gut beraten, es abzuschließen, denn das Gelegenheitsfenster beginnt sich zu schließen.“

Eine Verschlechterung der Wahrnehmung Chinas in Europa sei bereits deutlich zu spüren. „Der kritisch-konstruktive Dialog droht zu kippen. Dem sollte Peking beherzt entgegentreten.“ Es gebe durchaus deutlich vernehmbare Stimmen in China, die vor zu viel Konfrontation warnten.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Lang, China hebelt mit dem Sicherheitsgesetz das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ aus. Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft in Hongkong?
Die Unternehmen sind besorgt, dass die ohnehin angespannte Lage durch den Beschluss des Nationalen Volkskongresses weiter verschärft wird. Bisher hatte sich Peking bei den Protesten in Hongkong zurückhaltend gezeigt, aber offenbar verfolgt es diesen Kurs nicht weiter. Das führt zu erheblicher Unruhe. Die Unternehmen sind durch Covid ohnehin geprüft. Während China wirtschaftlich wieder hochläuft, entsteht in Hongkong jetzt eine Sondersituation, die alles andere als hilfreich ist.

Ist das der Anfang vom Ende des Finanzplatzes Hongkong?
Es führt jedenfalls zu einem Nachdenken darüber, wie lange die Freiheiten, die Hongkong genießt, noch aufrecht erhalten bleiben. Bisher sind alle davon ausgegangen, dass die vereinbarten 50 Jahre seit der Rückgabe an China gelten, also bis 2047. Da sind wir noch nicht einmal in der Halbzeit. Jetzt müssen wir uns anschauen, was China mit dem Sicherheitsgesetz genau bezweckt und inwieweit es ein weiterer Schritt ist, die Schlinge um Hongkong immer fester zu ziehen.

US-Präsident Trump will die Privilegien Hongkongs etwa im Handel schrittweise beenden. Richtig so?
Zu Hongkongs völkerrechtlichem Status einer Sonderverwaltungszone gehören Presse-, Versammlungs- und Redefreiheit und das Festhalten an einem marktwirtschaftlichen System. Die Frage bei der Reaktion der USA ist im Moment: Ist das ein Negativaspekt, der von China in Kauf genommen wird, oder ist es sogar ein beabsichtigter Nebeneffekt Chinas? Peking baut im Perlflussdelta andere Städte mit großem Tempo aus. Ein Abschleifen des Sonderstatus Hongkongs könnte diesen Städten zu Gute kommen. Das könnte aber auch ein Trugschluss werden. Wenn Kapital ein scheues Reh ist, dann verlagern die Unternehmen ihre Aktivitäten am Ende nach Singapur oder woandershin.

Der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt droht nach dem Burgfrieden wieder auszubrechen – und das in einer durch Corona äußerst fragilen weltwirtschaftlichen Lage. Sorgt Sie das?
Das Phase-1-Abkommen war in guten Zeiten schon herausfordernd für China. In Corona-Zeiten dürfte es für das Land sehr schwer werden, die Zugeständnisse im Abkommen überhaupt zu erfüllen. Dies würde dem US-Präsidenten einen willkommenen Hebel geben, China zu bestrafen. Deshalb überrascht es nicht, wenn China jetzt die US-Kritik an Hongkong nutzt, um die Agrarimporte aus den USA zu stoppen. Dieser Streit belastet die ohnehin nicht gute Stimmung im Welthandel. Davon sind wir als international aufgestellte deutsche Wirtschaft besonders betroffen, weil diese Entwicklung den Welthandel insgesamt bremst.

Zölle, Regulierung, Finanzströme: Wie weit wird die Entkopplung gehen?
Es wird zunächst zu einem natürlichen Abschmelzen wirtschaftlicher Konzentration in China kommen, weil die Unternehmen in der Coronakrise gemerkt haben, dass es wichtig ist, über mehrere Standorte in Asien vertreten zu sein. Auf einer anderen Ebene sehe ich die Entkopplung aufgrund politischen Drucks, vor allem aus den USA. Dieser Trend könnte sich beschleunigen. Aber auf Unternehmensebene erkenne ich noch keine größere Entkopplung vom chinesischen Markt.

Kann Europa nur zuschauen?
Das sehe ich anders. 2020 ist ein Jahr der europäisch-chinesischen Beziehungen, in dem wir Europäer mehr Gehör finden als sonst. Daraus sollten wir unbedingt etwas machen. Wir müssen China klar signalisieren, dass Europa es sowohl als Partner betrachtet wie als systemischen Wettbewerber, aber nicht als Gegner. Ein Entgegenkommen Chinas muss es vor allem bei öffentlichen Ausschreibungen geben. Chinesische Unternehmen haben bisher einen ungehinderten Zugang zum öffentlichen Auftragswesen in Europa, umgekehrt gilt das nicht. Das kann so nicht bleiben.

Der EU-Außenbeauftragte Borrell sagt, es gebe keine Fortschritte bei der Diskussion über einen besseren Marktzugang. Pokert Peking nur?
Es gibt zwei Interpretationen. Die eine sagt, China warte bis zur letzten Sekunde bei dem, was es Europa zugestehen kann, weil es die Zugeständnisse permanent mit denen an die USA abgleichen muss. Die andere sagt, Peking wird gar keine Zugeständnisse machen, weil man denkt, man habe es derzeit nicht nötig.

Glauben Sie an ein EU-China-Investitionsabkommen 2020?
China wäre gut beraten, es abzuschließen, denn das Gelegenheitsfenster beginnt sich zu schließen. Eine Verschlechterung der Wahrnehmung Chinas in Europa ist bereits deutlich zu spüren. Der kritisch-konstruktive Dialog droht zu kippen. Dem sollte Peking beherzt entgegentreten. Es gibt durchaus deutlich vernehmbare Stimmen in China, die vor zu viel Konfrontation warnen.

Wird das Coronajahr 2020 das Jahr sein, von dem wir in zehn Jahren sagen, da hat China wirtschaftlich wie geopolitisch zum Überholmanöver angesetzt?
Meine Vermutung ist, dass wir in zehn Jahren auf dieses Jahr zurückblicken und sagen, es hat als Katalysator gewirkt. Aktuell werden Effekte, die ohnehin eingetreten wären, beschleunigt.