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Bayers schlechte Aussichten vor der Monsanto-Übernahme

Während andere Geschäfte gut laufen, bekommt Bayer im Agrar-Geschäft Probleme. Ausgerechnet in der Sparte, in die Monsanto integriert werden soll. Bayer-Chef Werner Baumann scheint sich verkalkuliert zu haben.

Neulich stand Werner Baumann vor der Belegschaft in Wuppertal und machte einen Witz. Ein Mitarbeiter hatte den Vorstandsvorsitzenden des Pharma- und Agrarkonzerns Bayer nach dem glücklichsten Moment seines Lebens gefragt. Der 54-Jährige schwärmte sofort von jenem Augenblick vor gut 18 Jahren, als ihm seine Frau eröffnete, dass sie Drillinge bekämen. Tatsächlich seien es dann Zwillinge geworden, erklärte Baumann nach einer kurzen Kunstpause. Seine Frau hatte sich einen Scherz erlaubt. Die Mitarbeiter kicherten.

Ob Leverkusen, Dormagen oder Wuppertal – die Bayer-Mitarbeiter erleben in diesen Tagen einen wie verwandelten Vorstandsvorsitzenden. Die Steifheit, für die Baumann intern so oft gescholten wurde, hat sich verflüchtigt. Der Bayer-Vordere lässt, wo immer er zu Besuch ist, die Redemanuskripte im Büro liegen und redet lieber frei von der Seele. Baumann lächelt viel und scherzt und scherzt.

Doch die Charmeoffensive ist vor allem Fassade: Der Konzern, der sein Geld mit Medikamenten und Pflanzenschutzmitteln macht und sich gerade von seiner Chemiebeteiligung Covestro trennt, steht vor einer Zäsur. Die Übernahme des US-Konkurrenten Monsanto für 66 Milliarden Dollar geht in die entscheidende Phase. Und den erfolgsverwöhnten Baumann plagen unerwartet viele Schwierigkeiten.

Da wären eine Gewinnwarnung, eine teils verunsicherte Belegschaft und schlechter als erwartete Geschäfte ausgerechnet in dem Bereich, in dem der Saatgutkonzern Monsanto eingegliedert werden soll. Ausgerechnet Baumann, der als einer der versiertesten Dealmaker der Wirtschaft gilt, könnte sich verrechnet haben.

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Erstes Anzeichen: Im ersten Halbjahr 2017 zeigte das Geschäft mit Pflanzenschutzmitteln und Saatgut keine nennenswerten Umsatzsprünge, berichten Eingeweihte. Gerade die Agrarsparte, zu der bald Monsanto gehören soll, wird Investoren und Belegschaft neuerdings als treibende Kraft auf dem Weg in die Zukunft präsentiert.

In anderen Bereichen wie dem Pharmageschäft oder bei der Chemietochter Covestro läuft es dagegen gut – wobei Bayer erst vor wenigen Tagen einen Rückschlag in seiner Medikamenten-Sparte verkraften musste, nachdem ein hoffnungsvolles Krebsmittel vorerst in den klinischen Prüfungen scheiterte. Bayer verweist dazu auf den 27. Juli, wenn der Konzern die Quartalszahlen veröffentlicht. Dem Tag sehen sie bei Bayer durchaus mit einigem Unbehagen entgegen.

Denn noch ist die Gewinnwarnung nicht richtig verdaut, die Bayer erst Anfang des Monats ausgab. Der Grund war das schwache Pflanzenschutzgeschäft im wichtigen Markt Brasilien. Es wird das Bayer-Betriebsergebnis 2017 mit 300 bis 400 Millionen Euro belasten. Seit dem Desaster um den Cholesterinsenker Lipobay im Jahr 2001 hat der Konzern nicht mehr ad hoc seine Gewinnprognose einkassieren müssen.

Sorge um die Bonushöhe

Nach der Gewinnwarnung fürchten viele Mitarbeiter nun um die Höhe ihres Jahresbonus, der zum Großteil von den Ergebnissen im Agrargeschäft abhängt. „Da ist jetzt richtig Feuer unter dem Dach“, fasst ein Topmanager die Stimmung zusammen. Bei der Belegschaft scheint der Rückhalt zu schwinden.

Baumann versichert zwar auf seiner Betriebsversammlungstour in diesen Tagen, dass sie sich wegen der Monsanto-Übernahme keine Sorgen um ihre Arbeitsplätze bei Bayer machen müssten. In einer internen Mitarbeiterumfrage gaben 33 Prozent bei der Frage, ob sie einen Jobwechsel zu einem anderen Unternehmen ins Auge fassen, entweder keine klare Antwort oder bestätigten Abwanderungsgedanken. Bayer verwies darauf, dass 67 Prozent keine Wechselabsichten hegten. Das sei ein guter Wert.


Liberty Link ade

Etliche Aufgaben könnten ohnehin bald wegfallen. Denn um die Kartellbehörden von der Monsanto-Übernahme zu überzeugen, wird Bayer sich wohl von einigen Produkten trennen müssen, die es auf einen Wert von über einer Milliarde Dollar bringen – voraussichtlich seiner Pflanzenschutz- und Saatgutmarke Liberty Link sowie einigen Sorten von Gemüsesaatgut. Als Käufer für die Bayer-Sparten stehen etwa BASF oder ChemChina bereit. Bis zum August oder September, hoffen indes weiterhin Insider, sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein.

Liberty Link wird von vielen Landwirten alternativ zum Monsanto-Produkt Glyphosat verwendet. Die Internationale Agentur für Krebsforschung schlägt Alarm, Glyphosat sei „wahrscheinlich krebserregend“, etliche andere Institute halten dagegen Glyphosat für sicher. Fest steht, dass Glyphosat innerhalb der EU umstritten ist und viele Landwirte verunsichert sind, ob sie das Mittel weiter verwenden sollen. Eine Entscheidung über die weitere Zulassung von Glyphosat in Europa soll voraussichtlich im Herbst fallen.

Solche Unwägbarkeiten drücken schon mal auf die Stimmung. Auch bei der Entwicklung der weltweiten Agrarmärkte – und damit den Aussichten für die Monsanto-Übernahme – scheint sich Baumann verschätzt zu haben. Nach jahrelanger Branchenkrise sollte das weltweite Geschäft mit Pflanzenschutzmitteln und Saatgut schon in diesem Jahr wieder leicht anwachsen, um dann pünktlich zum Abschluss der Monsanto-Übernahme in einigen Monaten wieder anzuziehen, kalkulierte der Bayer-Manager. Doch davon ist nicht viel zu sehen.

Schönreden statt Klartext

Vor allem, dass Bayer auf seinem wichtigsten Agrarmarkt Brasilien seine Ware kaum noch loswird, hat Investoren überrascht. „Mich wundert schon, dass Wettbewerber bisher nicht über ähnliche Einbrüche berichtet haben“, sagt ein Fondsmanager, der dem Konzern ansonsten wohlgesinnt ist. „Bayer hat früher sehr konservativ gerechnet und stets mehr geliefert als versprochen“, konstatiert ein langjähriger Bayer-Insider, der den Konzern gut kennt.

Durch die geplante Monsanto-Übernahme scheine Baumann aber „versucht zu sein, das Agrargeschäft positiver darzustellen, als es ist“. Bayer teilte mit, man gehe weiterhin von einem „volatilen Marktumfeld“ aus, rechne aber „in Summe mit einer leichten Erholung des Gesamtmarktes“. Inzwischen meldete auch der Konkurrent Syngenta Probleme in Brasilien – eine Gewinnwarnung wie Bayer musste das Unternehmen aber nicht herausgeben.

Als Krisenmanager wurde bereits Bayer-Agrarvorstand Liam Condon nach Brasilien entsandt. Laut Bayer handelte es sich dabei um eine seit Monaten geplante Routine-Reise. Einige Führungskräfte mussten in Brasilien gehen, weil sie die Lage falsch eingeschätzt hätten, berichten Insider. Schon seit zwei Jahren, so heißt es intern weiter, blieben viele brasilianische Großhändler auf Pflanzenschutzmitteln von Bayer sitzen, da die Nachfrage der Landwirte mit den ehrgeizigen Verkaufsplänen nicht Schritt hält.

Etliche Milliarden Dollar will Baumann über eine Kapitalerhöhung für die Monsanto-Übernahme von seinen Aktionären einsammeln. Die Geldgeber sind allerdings skeptisch. Baumann hatte zum Amtsantritt den Eindruck erweckt, unter seiner Führung werde sich nicht viel ändern. Dann verkündete er ausgerechnet die Übernahme von Monsanto, dem Unternehmen, das wie keines bei Gentechnikgegnern verschrien ist und den Spitznamen Monsatan trägt. Von einer „katastrophalen Kapitalmarktkommunikation“, einem „abrupten Kurswechsel“ und einem „massiven Vertrauensverlust“ ist bei Fondsmanagern die Rede. Auf der Hauptversammlung Ende April kritisierten viele Aktionäre die schwache Aktien-Performance von Bayer.


130 Transaktionen seit 2005

In kritischen Momenten wie diesen zückt der Bayer-Boss gerne einen Chart. Auf dem werden jede Menge Übernahmen gezeigt, die Bayer in der Vergangenheit schon erfolgreich gestemmt hat. Der Kauf des Berliner Pharmakonzerns Schering im Jahr 2006 etwa. 130 Transaktionen waren es für Bayer seit 2005, Gesamtvolumen 52 Milliarden Euro, rechnet Baumann vor. Und er, der 1988 bei Bayer im Bereich Konzernfinanzen begann und vom langjährigen Vorstandschef Werner Wenning gefördert wurde, war immer dabei – als Spartenvorstand, Finanz- und Strategievorstand im Konzern oder seit Mai 2016 als Vorstandsvorsitzender. Da werde er Monsanto auch noch hinbekommen, so die versteckte Botschaft.

Deals einfädeln ist seine Leidenschaft. Baumann lässt gerne Trockenübungen durchführen, bei denen Mitarbeiter fiktiv und detailliert die Übernahmen von Konkurrenzunternehmen durchspielen müssen. Doch in jüngster Zeit produziert die sonst fein geölte Dealmaschine immer öfter Ausschuss.

2013 etwa kaufte der Konzern das US-Unternehmen Conceptus für über 800 Millionen Euro. Wegen eines Verhütungsprodukts für Frauen, das Conceptus vertreibt und das wohl Nebenwirkungen wie Schmerzen oder Blutungen hat, sind inzwischen Tausende Klagen anhängig. Die Hälfte des Kaufpreises musste Bayer abschreiben.

Zum Desaster entwickelte sich der Kauf der rezeptfreien Medikamente vom US-Konzern Merck & Co. 2014. Für 14 Milliarden Dollar erwarb Bayer Marken wie Dr. Scholl’s (Fußpflege). Doch die Deutschen ließen sich bei der Übernahme von Merck-Managern mit fragwürdigen Angaben über die Potenziale der Medikamente täuschen. Kürzlich räumte Baumann ein, dass das Geschäft der Division Consumer Health schlechter laufe als prognostiziert; die für 2017 erwarteten Umsatzsynergien würden nicht erreicht.

Nun also Monsanto, die größte Übernahme seiner Karriere. Mit der Genehmigung durch die Kartellbehörden rechnet der Bayer-Chef zum Jahresende. Die Beamten der EU-Wettbewerbsbehörde stellten viele Fragen – etwa ob die Übernahme nicht die Innovationsfreude in der Landwirtschaft trüben könnte. Die Chancen, dass der Deal durchgeht, stehen dennoch gut, sagen Branchenkenner.

Die Frage ist nur, ob das für Bayer ein Gewinn wäre.

KONTEXT

Die Akteure mit den meisten Pflanzenpatenten

BASF

Angemeldete Patente: 777

Erteilte Patente: 211

Quelle: Europäisches Patentamt

DuPont

Angemeldete Patente: 756

Erteilte Patente: 227

Monsanto

Angemeldete Patente: 600

Erteilte Patente: 221

Bayer

Angemeldete Patente: 465

Erteilte Patente: 219

Syngenta

Angemeldete Patente: 376

Erteilte Patente: 142

Dow

Angemeldete Patente: 160

Erteilte Patente: 38