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Bayer stellt auch die Tiermedizin zum Verkauf – Deal für Chemieparks rückt näher

Bayer treibt Teilverkäufe voran. Mit den Einnahmen will der Konzern Schulden tilgen, die Bilanz stärken – und sich für die US-Prozesse wappnen.

Das Misstrauensvotum der Bayer-Aktionäre auf der Hauptversammlung Ende April enthielt einen klaren Arbeitsauftrag: Das Management soll liefern, was die operative Verbesserung und die zügige Umsetzung des Konzernumbaus betrifft.

Bei der geplanten Trennung von weiteren Geschäften kommt Bayer nun gut voran: Finanzinvestoren stehen für die Übernahme der zum Verkauf gestellten Firmenteile Schlange, heißt es in Finanz- und Unternehmenskreisen.

In den nächsten Wochen könnte bereits der Verkauf des Chemieparkbetreibers Currenta perfekt gemacht werden, an dem Bayer 60 Prozent hält. Den Kreisen zufolge liefern sich die Private-Equity-Firmen EQT und Macquarie ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der Verkauf soll ein Volumen von mehr als einer Milliarde Euro haben.

Für die Tiermedizin hat das Bayer-Management bisher noch mehrere Optionen geprüft, jetzt aber steht fest, dass die Sparte Animal Health verkauft wird. Bayer will dazu bis zum Sommer das Info Memorandum an Kaufinteressenten versenden.

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In Finanzkreisen wird mit einem Verkaufspreis zwischen sechs und sieben Milliarden Euro gerechnet. Auch hier haben Finanzinvestoren die größten Chancen. Weil der Tierarznei-Markt stark konzentriert ist, dürfte die Übernahme durch einen Konkurrenten auf starke kartellrechtliche Bedenken stoßen.

Den Informationen zufolge haben Private-Equity-Fonds bereits Interesse signalisiert, darunter CVC, KKR, Blackstone, EQT, Bain und Cinven. Bayer wollte dies nicht kommentieren.

Die Trennung von beiden Geschäften ist Teil der von Bayer im November 2018 beschlossenen Neuordnung, zu der auch der Abbau von 12.000 Stellen gehört. Bayer-Chef Werner Baumann betont, dass diese Schritte unabhängig von der 63,5 Milliarden Dollar schweren Übernahme von Monsanto gemacht werden.

Klar ist aber: Bayer muss seine Bilanz wetterfest machen, die nach dem Monsanto-Kauf eine Nettoverschuldung von rund 36 Milliarden Euro aufweist. Zudem will der Konzern unter anderem mit den Verkäufen ausreichend finanziellen Spielraum für die Herausforderungen der nächsten Jahre schaffen.

Dazu gehören der zügige Schuldenabbau und die Stärkung der Pharmasparte mit dem Kauf oder der Lizenzübernahme aussichtsreicher Wirkstoffe.

Es geht aber ebenso um die Begleichung möglicherweise milliardenhoher Rechtskosten durch die Glyphosat-Prozesse. Nach den beiden ersten Verfahren in den USA ist Bayer in der Defensive. Analyst Richard Vosser von JP Morgan schätzt, dass auf den Konzern Belastungen von fünf Milliarden Euro zukommen könnten. Mehr als 13.400 Klagen sind anhängig.

In erster Instanz ist Bayer zu Schadensersatzzahlungen an die krebserkrankten Kläger von je 80 Millionen Dollar verurteilt worden. Derzeit steht in Kalifornien der dritte Prozess wegen angeblicher Gesundheitsgefahren durch den Unkrautvernichter vor der Entscheidung.

Beflügelt von den beiden ersten Siegen haben die Klägeranwälte die Schadensersatzforderung in diesem Verfahren hochgeschraubt. Das krebskranke Kläger-Ehepaar verlangt von Monsanto einen Schadensersatz von mehr als 55 Millionen Dollar und eine zusätzliche Strafzahlung in Höhe von einer Milliarde Dollar.

Diese sogenannten Punitive Damages werden verhängt, wenn einem Unternehmen arglistiges Handeln und bewusste Täuschung nachgewiesen wird.

Am Montag wollen die Geschworenen die Beratungen fortsetzen. Bei einer erneuten Verurteilung zu hohem Schadensersatz könnte die Bayer-Aktie weiter unter Druck geraten. Sie verlor seit der Übernahme von Monsanto im vorigen Jahr rund 40 Prozent an Wert.

Die Aktionäre machten ihrer Wut darüber auf der Hauptversammlung Ende April Luft. 55 Prozent sprachen sich gegen die Entlastung des Managements aus. Der Aufsichtsrat wurde nur mit 66 Prozent entlastet, was ebenfalls als Denkzettel gewertet wurde.

Bayers Kontrollgremium kündigte Konsequenzen an, über die in einem außerordentlichen Treffen beraten werden soll. Dass es dabei zu größeren personellen Folgen kommt – etwa dem Austausch des Vorstandschefs –, gilt als ausgeschlossen, heißt es in Unternehmenskreisen.

Von Investoren wird ein solcher Schritt auch weiterhin nicht gefordert, wie eine aktuelle Umfrage des Handelsblatts bei mehreren Fondsgesellschaften zeigt.

„Die Führung muss die Rechts- und Reputationsrisiken im Zuge des Monsanto-Kaufs in den Griff bekommen, ohne das operative Geschäft zu vernachlässigen“, sagte Janne Werning von Union Investment. „Vorstand und Aufsichtsrat haben jedoch eine zweite Chance verdient, zumal die Klagerisiken sich frühestens 2020 besser einschätzen lassen.“

Neue Kontrolleure?

In die gleiche Richtung äußert sich ein größerer angelsächsischer Investor: „Das Management jetzt abzulösen wäre ein großes Risiko, da die Probleme komplex sind. Eine neue Person bräuchte viel Zeit, um sich in die Themenkomplexe einzuarbeiten“, heißt es dort. Der Aufsichtsrat sollte nach Meinung dieses Bayer-Aktionärs die Kommunikation mit Investoren verbessern und die finanziellen Anreize fürs Management überarbeiten.

Auch Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft sieht den Aufsichtsrat in der Pflicht. Aus seiner Sicht fehlen dort Fachleute für das um Monsanto erweiterte Agrarbusiness. In diese Richtung äußert sich auch Janne Werning, der die Kompetenzerweiterung als langfristig notwendig ansieht.

Eine Stärkung des Kontrollgremiums mit einem Agrochemieexperten hat Bayer ohnehin geplant. Aufsichtsratschef Werner Wenning sagte Anfang April in einem Handelsblatt-Interview: „Aufgrund des nun deutlich größeren Agrargeschäfts werden wir uns in diesem Bereich sicherlich auch noch weiter verstärken.“

In den nächsten Wochen könnte der Druck wachsen, diese Verstärkung schon vor der Hauptversammlung im kommenden Jahr vorzunehmen. Die meisten Aufsichtsratsmitglieder von Bayer sind noch für mehrere Jahre gewählt. Die nächste reguläre Wahl eines Bayer-Aufsichtsrats wäre 2020 die des Mediziners Otmar Wiestler, dem Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft.

Im Vorstand müsse man sich vorrangig darum kümmern, dass das operative Geschäft läuft, rechtliche Auseinandersetzungen gewonnen und die angekündigten Veräußerungen vollzogen werden, sagt ein angelsächsischer Investor.

Die Trennung von dem 60-prozentigen Anteil an Currenta und von der Tiermedizin folgen der neuen Ausrichtung und dem strategischen Anspruch des Konzerns. Currenta betreibt die großen niederrheinischen Chemieparks in Leverkusen, Dormagen und Krefeld und versorgt die dort produzierenden Firmen mit Energie, Umwelt- und Sicherheitsdienstleistungen.

Bayer hat in dem Park nur noch wenige große Anlagen, seitdem sich der Konzern von der Chemieproduktion weitgehend getrennt hat: 2016 wurde das Kunststoffgeschäft in die Firma Covestro ausgegliedert, 2005 bereits die Spezialchemie in Lanxess. Beide Firmen sind große Kunden von Currenta, Lanxess hält zudem die restlichen 40 Prozent der Anteile.

Für eine Übernahme des Bayer-Anteils standen aber Lanxess und Covestro letztlich nicht bereit. Nun wird die Firma mehrheitlich in Besitz eines Finanzinvestors gehen. Currenta kam 2017 auf einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro und einen operativen Ertrag von 103 Millionen Euro.

Der Verkaufsprozess für Bayers Tiermedizin dürfte sich bis in das kommende Jahr hinziehen. Bayer sieht in diesem Geschäft seinen Anspruch nicht mehr erfüllt, zu den führenden Anbietern auf dem Weltmarkt zu gehören.

So wird der Verkauf der Einheit begründet, die 2017 bei einem Umsatz von 1,5 Milliarden Euro einen bereinigten Gewinn (Ebitda) von 358 Millionen Euro erzielte.
Pariser Justiz ermittelt

Tatsächlich ist die Bayer-Sparte Animal Health durch Zusammenschlüsse von Konkurrenten zurückgefallen, zumindest was die Größe angeht, die in diesem Geschäft eine wichtige Rolle spielt. Marktführer Zoetis aus den USA kommt auf 5,8 Milliarden Dollar Umsatz, die deutsche Boehringer erreichte 2018 umgerechnet 4,7 Milliarden Dollar Umsatz. Um in diesem Geschäft weiter mitzuhalten, hätte Bayer zukaufen müssen.

Ein solcher Schritt wäre für die Leverkusener finanziell und kartellrechtlich schwierig. Für Finanzinvestoren ist dieses hochprofitable Geschäft aber ein ideales Investment.

Bayer würde sich nach dem Verkauf auf Humanmedizin und Agrarchemie konzentrieren. Von der erfolgreichen Integration Monsantos hängt dabei viel ab. Bisher bietet der frühere US-Konzern zwar gute Ergebnisbeiträge, aber auch einige böse Überraschungen – nicht nur, was die die Rechtsrisiken angeht.

Am Wochenende wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Paris gegen frühere Mitarbeiter von Monsanto und Public-Relations-Agenturen ermittelt. PR-Spezialisten von Publicis und Fleishman Hillard sollen im Auftrag von Monsanto detaillierte Listen von Politikern, Wissenschaftlern und Journalisten angelegt haben.

Darin wurden zweihundert Personen entsprechend ihren Ansichten zu dem Unkrautvernichter Glyphosat in Kategorien eingeteilt – etwa als „Verbündeter“ oder „Stakeholder, muss erzogen werden“ oder „zu überwachen“. Das Anlegen derartiger Listen ist in Frankreich strafbar. Bayer entschuldigte sich für den Vorfall und erklärte, den Fall mit einer externen Anwaltskanzlei aufklären zu wollen.