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Bayer vor der Monsanto-Übernahme – der Bilanzcheck

Der Covestro-Ausstieg hat die Bayer-Bilanz gerettet. Doch die Monsanto-Übernahme wird Bayer mehr kosten als erwartet. Der Deal bleibt ein Kraftakt.

Bayer-Chef Werner Baumann hätte die Aktionäre auf der Hauptversammlung liebend gerne mit frischen Neuigkeiten begrüßt. Doch auch 18 Monate nach der Übernahmevereinbarung mit Monsanto liegen noch nicht alle Kartellfreigaben vor. Vor allem die des US-Justizministeriums steht noch aus. Sie dürfte in den kommenden Tage erfolgen – mit Problemen wird dabei nicht mehr gerechnet.

Die Öffentlichkeit muss also weiter darauf warten, welche neuen Ziele sich Bayer nach der Übernahme setz. Der Konzern muss im Zuge der Kartellverfahren deutlich mehr Geschäft abgeben als erwartet. „Nach all den Zugeständnissen stellt sich die Frage, wie sinnvoll der Deal mit Monsanto noch ist“, sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz.

Die Synergieziele muss Bayer senken, wie der Konzern am Freitag bestätigte. Ursprünglich sollte die Fusion 1,3 Milliarden Euro an Synergien bringen, vor allem durch geringere gemeinsame Kosten. Jetzt geht Bayer von rund einer Milliarde Euro aus. Dieser Betrag soll im Jahr 2022 voll erreicht werden.

Klar ist: Die 62,5 Milliarden Dollar schwere Übernahme des US-Saatgutkonzerns wird ein Kraftakt für Bayer. Der Blick in die Bilanz ist zwiespältig: Das Management hat 2017 und in den ersten Monaten dieses Jahres alles getan, um die Leverkusener in eine starke bilanzielle Verfassung zu bringen. Doch der Zeitpunkt der Übernahme ist nicht ideal. Operativ ging es Bayer schon mal deutlich besser.

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So wird sich Baumann auf der Hauptversammlung in Bonn nicht nur kritischen Fragen zu Monsanto stellen müssen. In der Summe entfalten die bestehenden Geschäfte wenig Eigendynamik, es sind Schwächen erkennbar. Der Umsatz stagnierte bei 35 Milliarden Euro, der bereinigte Betriebsgewinn vor Abschreibungen (Ebitda) bei 9,3 Milliarden Euro.

Der Betriebsgewinn (Ebit) legte trotz der leicht negativen Währungseffekte immerhin um knapp drei Prozent auf 5,9 Milliarden Euro zu und auf bereinigter Basis sogar um 4,5 Prozent auf 7,1 Milliarden Euro. Dabei sind gut 1,2 Milliarden Euro an Sondereinflüssen herausgerechnet, darunter gut 300 Millionen Euro an Kosten, die bereits 2017 im Zusammenhang mit der geplanten Monsanto-Übernahme angefallen waren.

Operativ stagnierend

Unterm Strich sieht es mit einem Gewinnsprung von 4,5 auf 7,3 Milliarden Euro zwar günstiger aus. Doch diese Steigerung ist allein einem Nettogewinn von 4,85 Milliarden Euro aus nicht fortgeführten Geschäften zu verdanken. Der Ertrag kommt fast vollständig aus dem Verkauf und der Neubewertung von Anteilen der ehemaligen Kunststofftochter Covestro.

Der Reingewinn aus den fortgeführten Geschäften ist dagegen um fast 14 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro gesunken. Schuld daran sind vor allem höhere Finanzierungskosten in Vorbereitung der Monsanto-Übernahme sowie ein negativer Steuereffekt von mehr als 400 Millionen aufgrund der US-Steuerreform.

Operativ ist Bayer im vorigen Jahr nicht vorangekommen. Und auch die Problemzonen sind gleich geblieben. Das Pharmageschäft generiert weiterhin kräftig steigende Erträge. Die beiden anderen großen Divisionen Consumer Health und Crop Science büßten Umsatz und Gewinn ein. Sowohl die Umsatzrenditen als auch die Kapitalrenditen sind gesunken. Deren Schwäche zehrte den Zuwachs der Pharmasparte komplett auf.

Im Geschäft mit rezeptfreien Arzneien (Consumer Health) verdiente Bayer nur noch bescheidene 2,7 Prozent auf das eingesetzte Kapital, bei Kapitalkosten von 6,9 Prozent. Die Sparte ist damit bereits im dritten Jahr hintereinander ein Wertvernichter und liegt auch im Vergleich zu wichtigen Konkurrenten mit einer Marge von 9,3 Prozent weit zurück. Die negative Entwicklung von Consumer Health ging auch im ersten Quartal 2018 ungebremst weiter, während sich das Agrargeschäft der Division Crop Science erholte.

CEO Baumann räumt ein: „Wir sind nicht zufrieden mit der Entwicklung im Jahr 2017.“ Er hätte das operative Geschäft kurz vor der Übernahme gern in besserer Verfassung gehabt. Womöglich läge dann auch der Aktienkurs auf höherem Niveau.

Beachtliche Arbeit hat das Management bei der finanziellen Vorbereitung der Großübernahme geleistet. Dabei half der weiterhin hohe Cashflow von 8,1 Milliarden Euro, wovon etwa 1,5 Milliarden Euro noch Covestro beisteuerte. Es verbleibt ein Free Cashflow von fünf Milliarden Euro, der nur knapp zur Hälfte für die Dividende benötigt wurde. Weitere 3,7 Milliarden Euro an Liquidität flossen Bayer aus dem Verkauf von Covestro-Aktien zu.

Die Nettoverschuldung konnte so um gut acht Milliarden auf nur noch 3,6 Milliarden Euro zum Jahresende reduziert werden. In den ersten Monaten 2018 machte Bayer zudem weitere Fortschritte, vor allem durch den Verkauf zusätzlicher Covestro-Anteile. Zum Ende des ersten Quartals lag die Nettoverschuldung nur noch bei 1,6 Milliarden Euro.

Zum jetzigen Zeitpunkt dürfte Bayer nicht nur schuldenfrei, sondern eine Netto-Cashposition von etwa einer Milliarde Euro haben. Denn weitere rund 5,2 Milliarden Euro sind zuletzt in die Kasse gekommen: durch den Verkauf der restlichen Covestro-Aktien und durch die beim Staatsfonds Temasek aus Singapur platzierte Kapitalerhöhung. Abfließen werden 2,3 Milliarden Euro für die Dividende.

Diese Bilanzrelationen werden sich natürlich schlagartig ändern, wenn Bayer den Monsanto-Kauf begleicht. Für die Aktien des US-Konzerns müssen 57 Milliarden Dollar überwiesen werden. Dazu kommen Nettoschulden von Monsanto in Höhe von 5,5 Milliarden Dollar.

Das ergibt ein Gesamtvolumen auf Basis der aktuellen Wechselkurse von 53 Milliarden Euro. Rund 7,6 Milliarden Euro davon kann Bayer über den bereits vereinbarten Verkauf von Saatgut- und Pflanzenschutzaktivitäten an BASF refinanzieren. Stellt man außerdem die aktuelle Cash-Position von gut einer Milliarde Euro in Rechnung, verbleibt ein Nettofinanzierungsbedarf von etwa 44 Milliarden Euro.

Kapitalerhöhung kommt

Die interessanteste Frage für die Aktionäre ist: Wie viel davon wird sich Bayer über die angekündigte Kapitalerhöhung hereinholen? Je größer die ausfällt, desto stärker wird der Gewinn verwässert. Absehbar ist, dass die Kapitalerhöhung deutlich unter dem 2016 genannten Betrag von 17 Milliarden Euro liegen wird.

Die Kapitalerhöhung ist für Bayer keine ganz einfache Rechnung. Denn vorrangiges Ziel ist es, bei den Ratingagenturen ein Investment Grade zu erreichen. Das ist wichtig, damit Bayer bei der weiteren Verschuldung über Anleihen nicht zu hohe Zinsen zahlen muss. Eine Maßgabe dabei lautet: Die Verschuldung muss unter dem dreifachen Gewinn (Ebitda) liegen.

Bayer und Monsanto kommen nach Werten von 2017 auf ein Ebitda vor Sondereinflüssen von 12,2 Milliarden Euro. Das ergibt eine mögliche Verschuldung über Anleihen von 36,6 Milliarden Euro. Bayer will aber wohl einen niedrigeren Wert erreichen, um in der Bilanz einen Finanzierungspuffer zu haben. Somit könnte die Kapitalerhöhung zwischen acht und zehn Milliarden Euro erreichen.

Bayer wird sich wegen Monsanto massiv verschulden. Das ist aber tragbar, wenn sich die Agrochemie-Division mit Monsanto zu der versprochenen Cash-Maschine entwickelt. Bayer ist schon heute eines der cashflowstärksten Unternehmen in Deutschland und wird diese Position mit den Amerikanern wohl noch ausbauen.

Der US-Konzern generierte im Schnitt der letzten drei Jahre immerhin rund 1,7 Milliarden Euro an freiem Cashflow nach Sachinvestitionen. Bayer kam zuletzt auf etwa vier Milliarden Euro, wenn man den Beitrag, den Covestro noch lieferte, außen vor lässt. Das spricht dafür, dass der Konzern in neuer Struktur theoretisch etwa sechs Milliarden Euro an Liquidität im operativen Geschäft generieren kann. Synergien der Fusion sind darin noch nicht eingerechnet.

Allerdings steht dieser Betrag nicht voll zur Schuldentilgung zur Verfügung. Zum einen wird der Konzern eine höhere Zinslast haben. Zudem muss die Dividendenzahlung abgezogen werden. Bayer wird seinen Aktionären mit Sicherheit keine Dividendensenkung antun. Die Ausschüttungssumme wird also steigen, weil nach der Kapitalerhöhung deutlich mehr Aktien auf dem Markt sind.

Alles in allem dürften damit aus dem operativen Geschäft zunächst kaum mehr als drei Milliarden Euro Free Cashflow jährlich für eine Schuldentilgung zur Verfügung stehen. Um eine schnellere Entschuldung zu erzielen und neuen strategischen Spielraum zu gewinnen, wird man in Leverkusen über weitere Desinvestitionen nachdenken müssen. Optionen dafür stehen weiter zur Verfügung: etwa in Gestalt der kleinen, aber bereits separat geführten Sparte Tiermedizin oder dem Geschäft mit Kontrastmitteln.


Die Stärken und Schwächen im Handelsblatt-Check

Stärke 1: Robustes Pharmageschäft

Die Pharmasparte ist unverändert das Zugpferd von Bayer. Sie lieferte 2017 knapp die Hälfte des Umsatzes und rund 70 Prozent des operativen Gewinns. Mit währungsbereinigt 4,3 Prozent Umsatzplus und einer Steigerung des bereinigten Ebits um 18 Prozent war sie auch das mit Abstand wachstumsstärkste Segment.

Im zweiten Jahr in Folge konnte Bayer damit das Pharmaergebnis deutlich überproportional zum Umsatz steigern, die Marge von 24 auf 27 Prozent verbessern und sich damit dem Industriestandard von derzeit rund 34 Prozent auf adjustierter Basis weiter annähern.

Gegenüber den Vorjahren, als die Erlöse noch um sieben bis zehn Prozent zulegten, hat das Bayer-Pharmageschäft allerdings an Schwung verloren. Dass nicht alles rund läuft, zeigen zudem auch die von der US-Zulassungsbehörde FDA beanstandeten Qualitätsprobleme in der Produktion in Leverkusen, die den Konzern zu einem vorübergehenden Produktionsstopp für mehrere ältere Pharmaprodukte zwang. Für 2018 rechnet Bayer daher nur noch mit einem niedrigen Wachstum bei Pharma.

Insgesamt sind die Perspektiven auf mittlere Sicht weiter solide. Die beiden Spitzenprodukte, der Blutverdünner Xarelto und das Augenmittel Eylea, sind 2017 zweistellig gewachsen. Sie verlieren erst ab 2020 ihren Patentschutz und dürften vorerst noch weiter zulegen, ebenso wie die jüngeren Krebsmittel aus dem Programm von Bayer.

Auf der anderen Seite hat sich allerdings auch die Umsatzerosion bei einigen älteren Produkten wie dem Blutermittel Kogenate beschleunigt. Hier dürfte sich der Wettbewerb noch weiter verschärfen.

Unklar bleibt zudem, ob die Forschungs-pipeline der Bayer-Pharmasparte stark genug ist, um die Patentabläufe der heutigen Bestseller im nächsten Jahrzehnt einigermaßen aufzufangen. Viele Beobachter bewerten den Nachschub aus den Bayer-Labors bisher als zu schwach.

Der Konzern hat darauf zwar reagiert und zum Beispiel die Forschung in Bereichen wie Gen- und Zelltherapien verstärkt. Eine Allianz mit der US-Firma Loxo Oncology bereichert die Pipeline zudem um ein neuartiges Krebsmedikament, das schon 2019 eine Zulassung erhalten könnte. Um sein Pharmageschäft langfristig abzusichern, wird der Konzern aber wohl noch mehr solcher Deals benötigen.

Stärke 2: Top in der Agroforschung

Eines der zentralen Versprechen der Fusion von Bayer und Monsanto lautet: Zusammen wollen beide mit Innovationen in der Landwirtschaft dazu beitragen, eine rasant steigende Weltbevölkerung zu ernähren. Es wird von der Stärke der gemeinsamen Forschung und Entwicklung (F & E) abhängen, ob dieses wohlklingende Versprechen erfüllt werden kann.

Die Basis dafür ist mit der Übernahme gelegt: Beide Unternehmen werden zusammen über das mit Abstand größte Forschungsbudget unter den Agrarchemieunternehmen verfügen – es liegt bei jährlich rund 2,5 Milliarden Dollar, wovon allein Monsanto 1,6 Milliarden Dollar zusteuert.

Nun macht Geld allein keinen Forschungserfolg aus. Doch gilt die Monsanto-Plattform als technologisch und qualitativ beste in der Züchtung von Saatgut. Dabei geht es darum, Pflanzen widerstandsfähiger gegen Schädlinge und Krankheiten, aber auch gegen Witterungseinflüsse und Klimaveränderungen zu machen.

Ziel der Konzerne ist es, Saatgut stärker mit der Wirkung von Pflanzenschutzmitteln zu verbinden. Bayer steuert dazu seine Pflanzenschutz-Forschungsplattform bei, die in der Branche ebenfalls als eine der besten gilt.Aller vier führenden Agrochemieunternehmen setzen auf moderne Gentechnik. Monsantos Labors sind ebenso berühmt wie berüchtigt.

Die Amerikaner haben genmodifizierte Saaten entwickelt, die resistent gegen den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat sind. Das Pflanzenschutzmittel stammt ebenfalls aus den Monsanto-Labors. Dieses Geschäft unter der Marke Round-up erreicht ein Milliardenvolumen. Andere Entwicklungen sind weniger gut angekommen – etwa die „Anti-Matsch-Tomate“.

Bisher wurde in der Agrarforschung vorwiegend die Genmanipulation eingesetzt, bei der fremdes Erbgut in die Pflanzen-DNA eingebracht wurde. Bald soll dort die sogenannte Genschere verstärkt zum Einsatz kommen. Dabei werden bestimmte Abschnitte des Erbguts ausgeschaltet, die für Krankheiten oder nachteilige Eigenschaften verantwortlich gemacht werden.

Ob derartige Technologien kommerziell erfolgreich werden, hängt auch von der Akzeptanz in der Öffentlichkeit ab. Die steht der modernen Gentechnik in der Ernährung kritisch gegenüber.

Schwäche 1: Problemzone OTC

Die wohl größte Problemzone von Bayer zeigt sich im Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten, abgekürzt OTC, was für Over The Counter steht. Die Division Consumer Health ist bekannt für Marken wie Aspirin und die Heilsalbe Bepanthen.

Diese Mittel laufen noch gut, allerdings hat Bayer massive Probleme mit Produkten, die 2014 durch den Kauf des OTC-Geschäfts von Merck & Co. ins Portfolio der Leverkusener kamen. Rund zehn Milliarden Euro zahlte Bayer damals für Mittel wie die Sonnenschutzcreme Coppertone, das Antihistaminikum Claritin und Dr. Scholl‘s Fußpflege.

Diese Mittel verlieren seit vielen Quartalen beständig an Umsatz und Gewinn. Es zeigt sich, dass Bayer deutlich zu viel für die Sparte des US-Konzerns ausgegeben hat. Bayer musste 2017 bereits den Wert einiger Marken senken und Abschreibungen vornehmen, die den Gewinn drückten. Aber auch ohne Sondereinflüsse brach der Betriebsgewinn vor Abschreibungen (Ebitda) der Sparte um zwölf Prozent auf 1,2 Milliarden Euro ein.

Die Probleme sind zum einen hausgemacht: Merck & Co. hat vor dem Verkauf nur noch wenig Kraft auf die Weiterentwicklung der OTC-Marken verwendet. Diese Investitionen, etwa ins Marketing, muss Bayer nun nachholen. Es zeigt sich deutlich, dass die zugekauften Marken stark unter dem harten Wettbewerb vor allem in den USA leiden. Zum anderen werden alle klassischen OTC-Anbieter vom E-Commerce getroffen.

Der Verkauf von Schmerzpillen oder Vitaminpräparaten verlagert sich zunehmend auf Onlineplattformen wie Amazon. Dort aber herrscht der pure Preiswettbewerb mit neuen Anbietern. Bayer kommt mit diesen Herausforderungen offensichtlich weniger gut zurecht als größere Konkurrenten.

Die Gewinnmarge von Johnson & Johnson aus den USA und Glaxo-Smithkline aus Großbritannien war im vergangenen Jahr mit 18 bis 19 Prozent doppelt so hoch wie die von Bayer Consumer Health.

Der früheren Sparten-Chefin von Bayer, Erica Mann, wird vorgeworfen, nicht energisch genug auf den anhaltenden Rückgang reagiert zu haben. Seit Anfang März führt der Niederländer Heiko Schipper die Division, der bis dahin das globale Geschäft mit Babynahrung beim Schweizer Nestlé-Konzern geleitet hat.

Schwäche 2: Haftungs-Risiken

Der Kampf gegen Schadensersatzforderungen von amerikanischen Klägern gehört gewissermaßen zur Routine im Pharmageschäft. Bayer befindet sich mit seinen zahlreichen Rechtsfällen in bester Gesellschaft mit Konzernen wie Johnson & Johnson, Pfizer oder Merck & Co.

Allerdings ist die Welle an Klagen, mit denen sich der Leverkusener Konzern inzwischen herumschlagen muss, ein Unsicherheitsfaktor. Denn die Zahl der Kläger nimmt weiter rapide zu.

Per Ende März lagen laut Bayer gut 43.000 Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Pharmaprodukten in den USA vor, wobei der Löwenanteil auf Ansprüche entfällt, die im Zusammenhang mit dem Gerinnungshemmer Xarelto und dem Verhütungsprodukt Essure geltend gemacht werden. Die Zahl der Klagen hat sich damit seit Ende 2016 um rund 60 Prozent erhöht, und der Trend zeigt weiter nach oben.

Zudem wird sich Bayer mit der Übernahme von Monsanto zusätzliche Angriffsflächen einhandeln, etwa im Zusammenhang mit dem umstrittenen Herbizid Glyphosat oder genmodifizierten Saaten.

Den Gesamtaufwand für Rechtsfälle hat Bayer für 2017 mit 258 Millionen Euro ausgewiesen, und damit in ähnlicher Höhe wie im Vorjahr. Inwieweit sich aus den Klagen weitergehende Belastungen ergeben könnten, bleibt schwer abzuschätzen. Kosten für mögliche Vergleiche können bilanziell erst erfasst werden, wenn sich ihre Höhe einigermaßen konkret abzeichnet. Zudem ist der Konzern in gewissem Umfang gegen solche Haftungsrisiken versichert.

Im Fall Essure übersteigen laut Bayer die bilanziellen Vorsorgemaßnahmen aber bereits den Versicherungsschutz. Es geht in diesem Fall um ein Medizinprodukt zur dauerhaften Schwangerschaftsverhütung, das Bayer vor einigen Jahren zusammen mit der US-Firma Conceptus erworben hat.

Wegen der Probleme mit Essure musste der Konzern auch bereits eine Wertberichtigung auf Conceptus vornehmen. Ein größerer Vergleich mit den inzwischen mehr als 16 000 Klägerinnen, die Essure für Gesundheitsschäden wie Perforationen, Blutungen oder Depressionen verantwortlich machen, könnten die Kosten für den Fehleinkauf Conceptus noch deutlich nach oben treiben und zusätzliche Ergebnisbelastungen bringen.