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Bayer-Aufsichtsrat nimmt sich Glyphosat-Verfahrens an – Hedgefonds Elliott macht Druck

Ein neuer Ausschuss des Kontrollgremiums soll die Prozess-Strategie überwachen. Investor Elliott begrüßt den Schritt – und wünscht sich einen zeitnahen Vergleich mit den Klägern.

Das Unternehmen hat seit der Übernahme von Monsanto mehr als 40 Prozent an Wert verloren. Foto: dpa
Das Unternehmen hat seit der Übernahme von Monsanto mehr als 40 Prozent an Wert verloren. Foto: dpa

Der Aufsichtsrat von Bayer übernimmt die Kontrolle über das Vorgehen bei den US-Gerichtsverfahren um den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat. Ein neu geschaffener Sonderausschuss aus acht Kontrolleuren soll den Vorstand bei der weiteren Prozess-Strategie unterstützen, teilte der Konzern am Mittwochabend nach einer mehrstündigen Sitzung des Aufsichtsrates mit. Der Ausschuss wird beraten von einem im US-Produktrecht erfahrenen Anwalt, der eine „frische und unabhängige Sichtweise“ einbringen soll.

Damit könnte Bayer einen Schritt zu einer außergerichtlichen Lösung in den Verfahren machen. „Der Aufsichtsrat sieht die negativen Auswirkungen, die von der Unsicherheit im Zusammenhang mit den Gerichtsverfahren auf den Aktienkurs und die Wahrnehmung der Stakeholder ausgehen, und wird das Unternehmen dabei unterstützen, den Themenkomplex entschlossen und mit Umsicht voranzubringen“, sagte Aufsichtsratschef Werner Wenning.

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Die Bayer-Kontrolleure reagieren damit auf die wachsende Kritik der Investoren an der Konzernführung. Die Aktionäre sind sauer, weil Bayer seit der Übernahme von Monsanto mehr als 40 Prozent an Wert verloren hat. Grund sind die bisher drei verlorenen Prozesse um mögliche Krebsgefahren von Glyphosat, in denen Bayer zu hohen Schadenersatzzahlungen verurteilt wurde.

Auf der Hauptversammlung Ende April hatten die Anteilseigner ihren Unmut deutlich gemacht und den Vorstand in einer historisch einmaligen Aktion nicht entlastet. Der Aufsichtsrat bekam nur 60 Prozent Zustimmung, was ebenfalls als Klatsche galt. Wenning kündigte am gleichen Abend noch an, das Votum „sehr ernst“ zu nehmen und über Konsequenzen zu beraten.

Die liegen nun nach der Sitzung des Aufsichtsrats auf dem Tisch. Die Beschlüsse erfolgten offenbar in Austausch und Abstimmung mit größeren Anteilseignern von Bayer. Anders ist nicht zu erklären, dass der Hedgefonds Elliott am Mittwochabend schon 30 Minuten nach der Pressemitteilung von Bayer ein umfangreiches Statement dazu veröffentlichte.

Es war das erste Mal, dass sich der als unbequemer Investor geltende Hedgefonds überhaupt zu Bayer äußerte. Bislang war nur bekannt, dass Elliott weniger als drei Prozent an dem Leverkusener Unternehmen hält. Laut der Erklärung von Mittwoch verfügt der Fonds direkt und indirekt über Anteile im Wert von 1,1 Milliarden Euro. Das entspricht rund zwei Prozent des gegenwärtigen Börsenwertes von Bayer.

Elliott begrüßt die Schaffung eines Sonderausschusses im Aufsichtsrat und wertet dies bereits als Wechsel in der Prozess-Strategie. Man sei zuversichtlich, dass die Erklärung einen grundlegenden Wechsel in Bayers bisherigem Ansatz zur Bewältigung der rechtlichen Herausforderungen darstelle, heißt es in der Elliott-Erklärung. Der Sonderausschuss werde ein „neues Maß an Kontrolle und eine neue Perspektive auf die bisherige Prozessstrategie, die einer grundlegenden Überarbeitung bedarf, eröffnen.“

Der Investor spielt damit auf die bisher harte Linie von Bayer in den Glyphosat-Prozessen an. Der Konzern sieht keine von dem Unkrautvernichter ausgehende gesundheitliche Gefahr und beruft sich auf zahlreiche wissenschaftliche Studien sowie vor allem auf die Einstufung führender Regulierungsbehörden wie dem US-Umweltamt EPA. Sie halten Glyphosat für nicht krebserregend.

In den bisherigen drei Prozessen in Kalifornien ist Bayer damit aber nicht erfolgreich gewesen. Die Laien-Jurys sahen es als erwiesen an, dass das von Monsanto vertriebene glyphosathaltige Mittel Roundup zur Krebserkrankung der Kläger beigetragen hat. Bayer setzt nun auf Berufungsverfahren, die sich aber noch Monate hinziehen werden.

Außergerichtlicher Vergleich als Alternative

Die Alternative wäre ein außergerichtlicher Vergleich mit den Klägern. Dafür müsste Bayer wahrscheinlich einen hohen Milliardenbetrag aufwenden. Aktuelle Schätzungen von Analysten belaufen sich auf mehr als zehn Milliarden Dollar. Zu einem solchen Vergleich drängt nun Elliott. Der Hedgefonds erwartet, dass die jüngsten Aufsichtsratsbeschlüsse „den Weg zu einem vernünftigen, fairen und zeitnahen Vergleich zu eröffnen“.

Laut Finanzkreisen sieht der Fonds die mögliche Belastung bei vier bis sechs Milliarden Dollar. Bayer könnte laut Elliott den Wert um 30 Milliarden Euro steigern – vor allem durch eine Lösung des Glyphosat-Rechtsverfahrens, aber auch durch „langfristige Wertschöpfungsmaßnahmen im Sinne aller Stakeholder“. Was genau der Fonds darunter versteht, erklärte er nicht. Bisher wurde darüber spekuliert, dass Elliott Bayer zu einer Aufspaltung in einen Pharmakonzern und einen Agrochemiehersteller drängen könnte.

Der Fonds setzt auf den Einfluss des vom Bayer-Aufsichtsrat engagierten Rechtsberaters John Beisner von der renommierten Kanzlei Skadden in Washington. Beisner ist erfahren, er hat den bisher teuersten Vergleich in amerikanischen Pharmaprozessen mit ausgehandelt: Der Hersteller Merck & Co musste 2007 rund 4,8 Milliarden Dollar an Kläger zahlen, die das Schmerzmittel Vioxx für schwere Nebenwirkungen verantwortlich machten. Der Anwalt hat aber auch erfolgreiche Berufungsverfahren geführt und etwa den US-Pharmakonzern Johnson & Johnson zum Sieg verholfen.

Der Bayer-Aufsichtsrat sprach die Möglichkeit eines Vergleichs in seiner Erklärung nicht direkt an. Allerdings begrüßen die Kontrolleure die nun startende Mediation zu den Glyphosat-Verfahren. Dabei handelt es sich um ein gerichtlich angeordnetes Schiedsverfahren, in denen die Bayer-Anwälte und die Anwälte der Kläger die Chancen eines möglichen Vergleichs ausloten sollen.

Bayer sehe der Mediation positiv entgegen und werde sich konstruktiv in den Mediationsprozess einbringen, erklärte der Aufsichtsrat und begrüßte die Benennung von Ken Feinberg als Mediator. Feinberg gilt als sehr erfahren in solchen Verhandlungen, er hat beispielsweise die milliardenhohen Ausgleichszahlungen des Ölkonzerns BP an Geschädigte der Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko verhandelt.

Der Sonderausschuss zu den Glyphosat-Verfahren soll mit acht Bayer-Aufsichtsräten besetzt werden – vier von der Kapitalseite und vier Arbeitnehmervertreter. Laut Bayer sollen mehrere Mitglieder des Ausschusses „umfassende Erfahrung mit komplexen Gerichtsverfahren“ haben. Über solche Erfahrung verfügen neben Wenning die Bayer-Aufsichtsräte Paul Achleitner, der als Chefkontrolleur der Deutschen Bank deren US-Prozesse begleitete, und Wolfgang Plischke, der als früherer Leiter des Pharmageschäfts von Bayer zahlreiche Verfahren zur Produkthaftung miterlebte.

Mehr: Der Bayer-Konzern verspricht neue Wege in der Unkrautbeseitigung – abseits von Glyphosat. Doch zunächst strebt Bayer eine neue Zulassung des umstrittenen Mittels an.