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Bayer im Bilanzcheck: Glyphosat-Streit bleibt eine Belastung

Werner Baumann kann sich auf der virtuellen Hauptversammlung dank solider Zahlen selbstbewusst den Aktionären präsentieren. Hauptthema wird aber der Unkrautvernichter sein.

In diesem Jahr stellt sich CEO Werner Baumann virtuell den Fragen der Aktionäre. Foto: dpa
In diesem Jahr stellt sich CEO Werner Baumann virtuell den Fragen der Aktionäre. Foto: dpa

Bayer-Chef Werner Baumann ist spürbar froh, derzeit in der Öffentlichkeit nicht ständig nur über das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat und einen Vergleich mit den Klägern in den USA reden zu müssen.

Durch den Ausbruch der Corona-Pandemie hat Baumann die Akzente verschoben: Der CEO positioniert Bayer als gesellschaftlich engagierten Konzern, der über ein relativ robustes Geschäft dank der Ausrichtung auf Arzneien und Landwirtschaftsprodukte verfügt.

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Diese Botschaft wird Baumann am Dienstag auch in seiner Rede an die Aktionäre auf der ersten virtuellen Hauptversammlung des Konzerns verkünden. Er bleibt allerdings vorsichtig, wie sich am Montag bei der Vorlage der Quartalszahlen zeigte. Die Prognose für 2020 behält Bayer als „Zielvorgabe“ bei, betonte jedoch, dass wegen Covid-19 eine „verlässliche Bewertung positiver wie auch negativer Effekte erst im weiteren Jahresverlauf möglich ist“.

Experten wie Markus Mayer von der Baader Bank gehen davon aus, dass der Konzern glimpflich durch die Coronakrise kommen wird und seine Jahresziele nicht einkassieren muss. Nach bisheriger Planung soll der Umsatz um drei bis vier Prozent auf 44 bis 45 Milliarden Euro steigen und der bereinigte Gewinn (Ebitda vor Sondereinflüssen) auf 12,3 bis 12,6 Milliarden Euro zulegen.

Die Ergebnisse des ersten Quartals stützen diesen Optimismus: Der Umsatz legte um sechs Prozent auf 12,8 Milliarden Euro zu, der bereinigte Gewinn wuchs um zehn Prozent auf 4,4 Milliarden Euro. Beides lag deutlich über den Erwartungen der Analysten.

Rezeptpflichtige Medikamente sind stark gefragt, ebenso frei verkäufliche Gesundheitsprodukte wie Vitaminpräparate, mit denen die Menschen in Coronazeiten ihr Immunsystem stärken wollen. Der Gewinn der Agrarsparte legte um 14 Prozent zu.

Mehr als 52.000 Kläger in den USA

Baumann kann sich also selbstbewusst den Aktionären präsentieren. Doch er weiß, dass sich Fragen und Kritik der Aktionäre weiterhin um das Thema Nummer eins drehen: Wann schließt Bayer einen außergerichtlichen Vergleich mit den mittlerweile 52.500 Klägern in den USA, die ihre Krebserkrankung dem Umgang mit dem Unkrautvernichter Glyphosat anlasten? Im Raum steht eine Vergleichssumme zwischen acht und zwölf Milliarden Dollar.

Um eine solche Belastung stemmen zu können, braucht Bayer einen Cashflow, der auch in der Coronakrise ausreichend freie Liquidität bringt. Die durch einen teuren Vergleich entstehende tiefe Wunde kann Bayer nur dann relativ schmerzfrei heilen, wenn der Monsanto-Zukauf operativ zu einem dauerhaften Erfolg wird und das Pharmageschäft auf Kurs bleibt. Das sind die zentralen Cash-Lieferanten.

2019 hat das Management zumindest den Grundstein gelegt, es war ein operativ erfolgreiches Jahr für Bayer. Die erstmals volle Konsolidierung von Monsanto führte zu einem bereinigten Gewinn, der auf einen Rekordwert von 11,5 Milliarden Euro stieg. Das Nettoergebnis verbesserte sich auf 4,1 Milliarden Euro.

Bayer musste 2019 wesentlich weniger Sondereffekte und böse Überraschungen wegstecken. Doch zieht der Monsanto-Kauf weiter Spuren durch die Bilanz. Dies zeigt sich im Ebit für 2019, in dem Sonderaufwendungen in Höhe von 2,8 Milliarden Euro enthalten sind. Die Effekte entfallen fast komplett auf die Agrarsparte Crop Science, wo Bayer weiterhin hohe Integrationskosten sowie Wertminderungen verbuchen musste.

Insgesamt konnte Bayer die Sonderaufwendungen aber drücken, 2018 lag der Wert noch bei 6,7 Milliarden Euro, wenn man den positiven Beitrag aus dem Verkauf von Firmenteilen an BASF außen vor lässt. Die Kapitalkosten von 6,8 Prozent verdiente Bayer aber auch 2019 nicht, denn die Rendite auf das eingesetzte Kapital lag bei nur 3,8 Prozent.

Die rechtlichen Auseinandersetzungen um Glyphosat zeigen ebenfalls Spuren: Im Ebit der Agrarsparte Crop Science verbuchte der Konzern 2019 Sondereinflüsse für Rechtsfälle in Höhe von 249 Millionen Euro. Im ersten Quartal 2020 kamen weitere 94 Millionen Euro hinzu.

Außergerichtliche Einigung möglich

Rückstellungen macht Bayer bisher nur für die Anwalts- und Prozesskosten – nicht für einen möglichen Vergleich mit den Klägern. Das ist bilanzrechtlich erst dann möglich, wenn Höhe und Zeitpunkt von Vergleichszahlungen konkreter werden. Stand Ende 2019 haben die Leverkusener rund 1,2 Milliarden Euro für alle Rechtsstreitigkeiten zurückgestellt, davon dürfte ein Drittel auf die Glyphosat-Verteidigung entfallen.

Im Umgang mit den Glyphosat-Klagen fährt Bayer weiter eine zweigleisige Strategie. Die Revisionen gegen die bisherigen für die Leverkusener negativ ausgefallenen Urteile laufen, dort wird es im ersten Fall am 2. Juni eine Anhörung geben, eine Entscheidung wird für Ende August erwartet.

Parallel arbeiten die Anwälte beider Seiten an einer außergerichtlichen Einigung. Dass Bayer diesen Weg im Juni vorigen Jahres einschlug, hat zur Befriedung des Verhältnisses mit den aufgebrachten Investoren beigetragen.

Seither ist es ruhig geworden um die Klagewelle, aber nur, weil alle Prozesse auf Eis liegen. Klar ist: Am Ende wird es einen außergerichtlichen Vergleich geben, weil Bayer sonst die Prozesswelle nicht abschütteln kann. Der Konzern will sich aber keinen Zeitplan diktieren lassen.

Aktuell führt die Coronakrise mit den heftigen Auswirkungen in den USA zu einer für Bayer günstigen Situation: Weil bis Ende Juni keine Prozesse mit Jurys und Publikum in den USA stattfinden können, fehlt den Gegneranwälten ein Druckmittel bei den Verhandlungen.

Zudem wird Bayer versuchen, die nun schlechteren konjunkturellen Aussichten in die Vergleichssumme einzupreisen – sie soll nach einer Neubewertung der wirtschaftlichen Lage geringer ausfallen.

In Sachen Rechtsbelastungen wird es für Bayer aber dabei nicht bleiben. Denn auch im Pharmasektor haben die Klagen zugenommen. Wegen möglicher Gesundheitsschäden durch das Verhütungsmittel Essure liegen mittlerweile über 33.000 Klagen von Amerikanerinnen vor.

Es ist aber absehbar, dass Bayer auch hier am Ende einen Vergleich eingehen muss. Die Rechtskosten in diesem Fall belasteten das Ebit der Pharmasparte im ersten Quartal 2020 mit 252 Millionen Euro.

Operativ läuft Bayers Pharmasparte weiter gut, das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten hat 2019 in allen zentralen Kennzahlen zugelegt und diesen Kurs im ersten Quartal 2020 überwiegend fortgesetzt. Entscheidend wird aber sein, welche Neuentwicklungen Bayer in den nächsten Jahren erfolgreich auf den Markt bringen kann. Wichtige Umsatzträger wie der Blutverdünner Xarelto verlieren ihren Patentschutz.

Die Lage hat sich zwar etwas entspannt, weil Bayer statt im Jahr 2024 nun in den USA wohl erst 2027 mit Konkurrenz durch Generika rechnen muss. Doch von den bisher sichtbaren Neuentwicklungen zeigen sich Analysten und Investoren noch nicht überzeugt. Möglicherweise muss Bayer Kapital für kleinere Übernahmen oder Lizenzkäufe bereitstellen.

Plan für die Finanzkraft

Der Cash-Beitrag der Pharmasparte ist weiter hoch, was relativ gesehen auch für die Division Consumer Health mit rezeptfreien Arzneien gilt. Sie arbeitet sich erkennbar aus der Schwächephase heraus.

Bei Crop Science zeigte sich 2019, wie stark das zugekaufte Geschäft von Monsanto ist. Der bereinigte Gewinn stieg kräftig, und mit einer Marge von aktuell 38 Prozent ist Bayer führend. Läuft das Geschäft trotz der Coronakrise weiter gut, dürfte es 2020 noch mehr einbringen, weil Cash-wirksame Sondereffekte sinken.

Bayer hat einen Plan, wie die Finanzkraft bis 2022 ausgebaut werden soll. Dem Konzern stehen demnach zwischen 2019 und 2022 in Summe rund 31 Milliarden Euro zur Verfügung: 23 Milliarden Euro soll der Free Cashflow (FCF) bis dahin beitragen. 2019 war der FCF bedingt durch die Cash-wirksamen Sonderkosten auf 4,2 Milliarden Euro gefallen.

Bayers Geschäfte haben aber das Potenzial für deutlich mehr. Weitere acht Milliarden Euro kommen aus Teilverkäufen wie der Abgabe der Sparte Tiergesundheit in die Kasse.

Im Gegenzug soll die Nettoverschuldung von aktuell 35 Milliarden Euro bis 2022 um sieben bis acht Milliarden Euro sinken. Dazu kommen Dividendenzahlungen, die Bayer über vier Jahre hinweg rund zwölf Milliarden kosten könnten. Blieben unter dem Strich für Bayer in dem Zeitraum frei verfügbare Mittel in Höhe von zehn bis elf Milliarden Euro.

Das ist ungefähr der Spielraum, der für einen außergerichtlichen Vergleich bei Glyphosat infrage kommen könnte. Für eine externe Stärkung des Pharmageschäfts blieb dem Konzern dann aber nur noch wenig Luft.

Bayers Plan kann gelingen, ist aber mit großen Unsicherheiten behaftet. Globale Krisen wie Corona und die Folgen oder interne böse Überraschungen, wie sie bei Bayer immer wieder vorkommen, könnten die Rechnung durchkreuzen.

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