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Signal an die Investoren: Bayer-Chefaufseher legt Amt vorzeitig nieder

Der frühere PwC-Manager Norbert Winkeljohann übernimmt schon Ende April das Amt. Für ihn steht bei Bayer eine wichtige Entscheidung an.

Eine Karriere, wie sie Werner Wenning hingelegt hat, ist in der deutschen Wirtschaft einzigartig: Er hat es vom Lehrling bei Bayer an die Vorstandsspitze des Leverkusener Konzerns gebracht und ist von dort 2012 zum Aufsichtsratschef aufgestiegen. Bayer ist sein Lebenswerk, er gilt intern als „Präsident“, ohne dessen Zustimmung keine wichtige Entscheidung getroffen wird.

Ende April endet diese Ära: Der 73-jährige Wenning hat am Mittwoch überraschend seinen vorzeitigen Rückzug angekündigt. Er wird sein Amt auf der Hauptversammlung abgeben, obwohl er noch bis 2022 gewählt ist. Sein Nachfolger soll Norbert Winkeljohann werden, der frühere Deutschlandchef der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC.

Er sitzt seit 2018 im Bayer-Aufsichtsrat und ist von ganz anderem Typus: Anders als Wenning und auch dessen Vorgänger Manfred Schneider hat Winkeljohann sich nicht durch die Konzernebenen hochgearbeitet und dabei jede Ecke der Bayer AG kennen gelernt. Für Bayer ist seine Ernennung ein kultureller Einschnitt: Erstmals in der Geschichte des Unternehmens rückt ein „Konzernfremder“ auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden.

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Entsprechend groß waren am Mittwoch die Spekulationen, inwiefern dieser Schritt mit den Folgen der Monsanto-Übernahme zusammenhängt. Ob Wenning damit die Mitverantwortung dafür übernimmt, dass Bayer bald Milliarden für eine außergerichtliche Einigung mit den Glyphosat-Klägern in den USA übernimmt?

Absehbar ist: Durch den Rückzug Wennings verliert Vorstandschef Werner Baumann seinen wichtigsten Fürsprecher im Konzern. Und der neue Chefkontrolleur Winkeljohann muss seine Qualitäten gegenüber den Investoren erst noch beweisen – sie empfangen ihn noch nicht mit Begeisterung und offenen Armen.

Wenning selbst nährte am Mittwoch Spekulationen, dass Bayer vor einer außergerichtlichen Einigung mit den mehr als 42.000 Glyphosat-Klägern steht. „Im Hinblick auf die Handhabung der rechtlichen Themen in den USA haben wir Fortschritte gemacht und setzen dies fort“, sagte Wenning. „Daher ist jetzt ein guter Zeitpunkt, mein Amt an einen Nachfolger zu übergeben.“

Außergerichtlicher Vergleich rückt näher

In Unternehmenskreisen heißt es, dass Bayer bereit sei, einen außergerichtlichen Vergleich einzugehen, der aber finanziell machbar und vor allem zukunftssicher sein müsse. Bayer will vermeiden, dass in einigen Jahren die nächste große Welle an Klägern aufkommt, die das glyphosathaltige Mittel Roundup für ihre Krebserkrankung verantwortlich machen. An diesem Punkt arbeiten die Anwälte auf beiden Seiten derzeit. Als Vergleichssumme stehen zehn Milliarden Dollar im Raum.

Investoren erwarten, dass Bayer bis zur Hauptversammlung am 28. April eine Einigung gefunden hat oder zumindest in Grundzügen eine Lösung präsentiert. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Wenning geht, ohne dass die Rechtslasten für Bayer im Fall Glyphosat geregelt sind“, sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), dem Handelsblatt.

Analyst Markus Mayer von der Baader Bank geht davon aus, dass Wenning mit seinem Schritt auch den Druck von CEO Baumann nehmen könnte. Beide sind einander eng verbunden, Baumann gilt als Wennings Zögling, und sie haben die Monsanto-Übernahme mit vereinten Kräften über die Bühne gebracht.

Entsprechend wurden beide für die Folgen verantwortlich gemacht: Nach dem Kurssturz von bis zu 30 Prozent durch die verlorenen Prozesse um den Unkrautvernichter Glyphosat liefen Investoren Sturm gegen die Bayer-Führung. Die Kritik gipfelte auf der Hauptversammlung 2019 in einem Misstrauensvotum gegen den Bayer-Vorstand, dem die Entlastung verweigert wurde. Der Aufsichtsrat um Wenning wurde nur mit schwacher Quote entlastet. Einige Anteilseigner sahen die enge Bande zwischen Vorstandschef und Aufsichtsratsvorsitzendem sehr kritisch.

In Unternehmenskreisen von Bayer wird bestritten, dass Wenning mit seinem Rückzug für die Folgen des Monsanto-Deals sozusagen den „Kopf hinhalten“ will. Tatsächlich sprechen einige Fakten dagegen: Zum einen war der Rückzug schon länger geplant. Als Wenning 2017 zur Wiederwahl antrat, machte er intern und gegenüber Investoren deutlich, dass er nicht die volle Amtszeit von fünf Jahren zu erfüllen gedenke. Er tat das vor allem mit Blick auf die für den Aufsichtsrat vorgesehene Altersgrenze von 72 Jahren, die er im vergangenen Jahr überschritt.

Schon zur Hauptversammlung 2019 wollte er aufhören, doch angesichts der schwierigen Lage von Bayer bat ihn der Aufsichtsrat um Verlängerung. „Diesem Wunsch bin ich nachgekommen“, sagte Wenning am Mittwoch. In Unternehmenskreisen hieß es, er habe die Entscheidung zum Rückzug ganz persönlich getroffen, sie sei nicht dem Druck auf dem Unternehmen geschuldet. Weggefährten berichten aber auch, dass die Monsanto-Übernahme und deren Folgen den Aufsichtsratschef sehr stark beansprucht hätten.

Analysten von Winkeljohann noch nicht überzeugt

Dieser Herausforderung muss sich nun Winkeljohann stellen. Grundsätzlich wird die Wahl eines vom Bayer-Konzern unabhängigen Managers von Anteilseignern positiv bewertet, wie ein Umfrage des Handelsblatts unter großen Investoren zeigt. Der Zeitpunkt des Wechsels sei richtig, kommentierte Janne Werning, Head of ESG Capital Markets & Stewardship bei Union Investment. „Herr Wenning war eng mit der derzeitigen schwierigen Situation verbunden, und es kommt jetzt darauf an, Bayers weitere strategische Ausrichtung unabhängig zu überwachen.“

Allerdings zeigen sich die Investoren von Winkeljohann noch nicht überzeugt. Sie monieren seine fehlende Erfahrung als CEO eines großen Industriekonzerns in den für Bayer relevanten Gebieten. „Wir bewerten die geplante Nachfolge kritisch und hätten uns einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden mit internationaler industrieller Führungserfahrung und tiefer Expertise im Agrar- und Pharmageschäft gewünscht“, sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment. „Diese Qualitäten verliert der Bayer-Aufsichtsrat durch den Rücktritt Wennings.“

Ähnlich äußert sich Union-Manager Werning. „Herr Winkeljohann ist ein gutes Aufsichtsratsmitglied. Für einen Aufsichtsratsvorsitz hätten wir uns jedoch mehr Branchenexpertise gewünscht, gerade auch weil das vorgesehene neue Aufsichtsratsmitglied Herr Baier diese nicht mitbringt.“ An die frei werdende Stelle im Kontrollgremium soll der ehemalige Finanzvorstand des Reisekonzerns Tui, Horst Baier, 63, rücken. Er soll den Vorsitz im Prüfungsausschuss von Winkeljohann übernehmen. Für DSW-Hauptgeschäftsführer Tüngler muss Winkeljohann als „Kandidat ohne industrielle Erfahrung sicherlich einige Überzeugungsarbeit leisten.“

Der Corporate-Governance-Experte und BWL-Professor Manuel Theisen geht noch weiter: Er kritisiert, dass Winkeljohann mit seinem Aufsichtsratsmandat bei der Deutschen Bank bereits so ausgelastet sei, dass er bei „den Aufräumarbeiten bei Bayer“ nur „eine Randfigur“ abgeben könne. Er hält auch eine Abberufung von CEO Baumann als Konsequenz aus der Monsanto-Übernahme für angebracht.

Das aber ist nicht absehbar. Zwar verliert Baumann nach Wennings Ausscheiden seinen wichtigsten Unterstützer. Im Bayer-Aufsichtsrat sind aber weiterhin keine Stimmen zu einer möglichen baldigen Abberufung zu hören. Die Investoren lehnen diesen Schritt ebenfalls ab: „Es ist keine gute Idee, in so einer Phase auch noch den CEO auszutauschen. Bayer würde in der Führung auf einen Schlag viel zu viel Expertise verlieren“, sagte Speich. „Wenn es operativ gut läuft für den Konzern, sehe ich derzeit keinen Grund, sich von Baumann zu trennen.“

Winkeljohann wird sich aber bald nach seiner Ernennung mit der Zukunft an der Bayer-Spitze beschäftigen müssen. Baumann hat noch einen Vertrag bis Mai 2021. Über eine Verlängerung dürften die Kontrolleure spätestens im Herbst beraten.