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Bauindustrie schlägt Alarm

Eine Chemikalie mit dem sperrigen Namen Hexabromcyclododecan, kurz HBCD, ist zu einem Aufregerthema auf deutschen Baustellen geworden. HBCD soll die Entflammbarkeit entzündlicher Materialien minimieren und steckt vor allem in Dämmplatten zur Isolierung von Hausfassaden, Kellern, Dächern oder Bodenplatten von Gebäuden. Bei Sanierungs- oder Abbrucharbeiten fallen diese Baumaterialien als Abfälle an und müssen entsorgt werden.

Genau das ist aber zu einem Problem geworden. Seit Anfang Oktober eine EU-Richtlinie in deutsches Recht umgewandelt wurde und HBCD als gefährlicher Abfall gilt, darf in den meisten Fällen HBCD-haltiges Baumaterial nicht mehr zusammen mit anderem Bauschutt entsorgt werden. Notwendig ist eine separate Erfassung bereits auf der Baustelle und eine spätere gesonderte Entsorgung.

Viele Müllverbrennungsanlagen indes dürfen Monochargen von HBCD-haltigem Dämmmaterial nicht verbrennen, weil das Material zu heiß wird. Es muss nicht nur vorbehandelt werden, die Müllverbrennungsanlagen benötigen auch Sondergenehmigungen, die die meisten in Deutschland nicht haben.

Derzeit finden etwa Dachdecker vielerorts keine Müllverbrennungsanlage, die die Platten annimmt – oder nur zu horrenden Kosten. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) beziffern die Mehrbelastung auf bis zu 240 Millionen Euro pro Jahr. Bauvorhaben würden zurückgestellt, da die Entsorgung und deren Kosten nicht mehr planbar seien, kritisiert die Bauindustrie.

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Beide Verbände fordern darum seit Monaten, die Rechtslage zu korrigieren. Weil beim Treffen der Umweltminister von Bund und Ländern vergangene Woche indes erneut keine Einigung erzielt wurde, wollen das Saarland und Sachsen auf der nächsten Bundesratssitzung am 16. Dezember eine Lösung des Streits erreichen. Das Saarland werde, vorbehaltlich eines Kabinettsbeschlusses, „eine Bundesratsinitiative in Form einer Änderungsverordnung mit der Bitte um sofortige Sachentscheidung einbringen“, erklärte das saarländische Umweltministerium auf Nachfrage. Das Bundesumweltministerium unterstütze die Initiative, heißt es, und würde bei einem Beschluss die Änderungsverordnung ins Bundeskabinett am 21. Dezember einbringen, so dass noch in diesem Jahr eine Lösung für das Problem gefunden werden könnte.

Aus Sicht der Wirtschaft ist nicht die Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht problematisch, sondern dass Deutschland die Brüsseler Vorgaben noch übertrifft. Der Bundesrat sei mit der Einstufung als gefährlicher Abfall deutlich weiter gegangen als es die EU verlangt, kritisiert der BDE. Die EU-Regelung sehe nur vor, dass HBCD-haltiges Dämmmaterial verbrannt werde. Das sei in der Vergangenheit aber in Deutschland ohnehin geschehen – zusammen mit anderem Bauschutt.

Ob es dem Saarland und Sachsen gelingt, bis 16. Dezember eine ausreichende Zahl anderer Länder auf ihre Seite zu ziehen, ist allerdings fraglich. Brandenburg kündigte auf Nachfrage an, zustimmen zu wollen. Niedersachsen und Baden-Württemberg lehnen das ab. Hessen und Bayern wollten sich bislang nicht äußern, ebenso Thüringen.


Baden-Württemberg will gefährliches Abfälle nicht „bagatellisieren“

Bauindustrie und BDE schickten am 7. Dezember einen Brandbrief an alle Ministerpräsidenten, in dem sie um Unterstützung baten. „Bauindustrie und Kreislaufwirtschaft begrüßen ausdrücklich den Antrag aus Sachsen und dem Saarland, um möglichst kurzfristig Rechtsklarheit und Planungssicherheit zu schaffen und der HBCD-Entsorgungsproblematik ein Ende zu setzen“, heißt es in dem Schreiben, das dem Handelsblatt vorliegt. Mit dem aktuellen föderalen Flickenteppich sei der Wirtschaft nicht geholfen. Zudem es sich bei den meisten Erlassen ohnehin nur um befristete Übergangslösungen handele.

Hessen etwa hat einen Erlass vorgelegt, der es ermöglicht, dass Baumischabfälle mit Anteilen HBCD-haltiger Dämmstoffe in einer bestimmten Konzentration wie gehabt in Hausmüllverbrennungsanlagen entsorgt werden können. Lösungen werden noch für die Entsorgung von Monochargen gesucht.

HBCD-haltige Monochargen dürfen nur in Müllheizkraftwerken entsorgt werden, die dafür eine Genehmigung haben. In Hessen ist das nur bei einem vor vier Müllheizkraftwerken der Fall. In der Zwischenzeit, so ein Sprecher, hätten jedoch zwei Anlagenbetreiber einen Antrag zur Verarbeitung HBCD-haltiger Stoffe gestellt. „Sobald diese positiv beschieden sind, erhoffen wir uns eine spürbare Erleichterung auch bei der Entsorgung von Monochargen.“

In Baden-Württemberg heißt es, „aus unserer Sicht besteht keine Notwendigkeit, das unstreitig gefährliche HBCD zum ungefährlichen Abfall zu bagatellisieren“. Um Engpässe bei der Entsorgung zu verhindern, hilft aber auch Baden-Württemberg mit einem Erlass: Dieser erlaubt ein Vermischen der HBCD-haltigen Abfälle mit nicht gefährlichen Abfällen unter der Voraussetzung, „dass dies dokumentiert und der Verbleib des HBCD-haltigen Dämmmaterials der Abfallrechtsbehörde halbjährig gemeldet wird.“

HBCD steht wegen seiner umweltschädlicher Eigenschaften schon seit Jahren im Fokus der Behörden. Seit 2014 gilt weltweit ein Herstellungs- und Verwendungsverbot. Eine Ausnahme davon nimmt die EU in Anspruch, heißt es auf der Website des Umweltbundesamtes. Zwar gebe es für die Verwendung als Flammschutzmitteln in Dämmstoffen einen Ersatzstoff für HBCD, der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen günstigere Umwelteigenschaften habe.

Damit die Hersteller von Dämmstoffen aber ausreichend Zeit hätten, HBCD zu ersetzen, habe die europäische Kommission die Verwendung von HBCD in Dämmplatten bis August 2017 zugelassen. Damit allerdings wird immer neuer gefährlicher Abfall produziert, der immer dann verwertet muss, wenn Häuser abgerissen oder saniert werden.