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Bankenpräsident Peters: „Ich kann die EZB nicht einmal ansatzweise verstehen“

Der BdB-Chef hält eine Flut von faulen Krediten für unwahrscheinlich, warnt gleichzeitig aber vor den Langfristfolgen der Coronakrise. Deutlich kritisiert er die Nullzinspolitik der EZB.

Hans-Walter Peters hofft, dass die Coronakrise bei den deutschen Banken keine bleibenden Schäden hinterlässt. Gleichzeitig warnt der Präsident des privaten Bankenverbandes BdB im Interview mit dem Handelsblatt aber, dass die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie Jahre dauern wird.

„Ich glaube nicht, dass wir eine massive Pleitewelle sehen werden, sondern einen durch die Coronakrise beschleunigten Strukturwandel, der sich über mehrere Jahre hinziehen wird“, meint Peters. Seine Hoffnung: Diesen Wandel können die Geldhäuser „gut abfedern“.

Für gefährlicher hält er die anhaltende Minuszinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). „Ich kann die EZB nicht einmal ansatzweise verstehen“, klagt Peters. Nach Meinung des BdB-Präsidenten trägt die Notenbank die Hauptschuld an den Problemen der europäischen Banken. Sein Fazit: „Die EZB ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die europäischen Banken kontinuierlich an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.“

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Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Peters, bislang waren die Banken in der Coronakrise Teil der Lösung. Wie lange kann die Branche das noch durchhalten? Zuletzt haben die Geldhäuser ihre Kreditvergabe zurückgefahren.
Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen haben sich die Unternehmen zu Beginn der Coronakrise sehr üppig mit Liquidität versorgt. Deshalb ist die Nachfrage jetzt nicht mehr so groß. Zum anderen ist die wirtschaftliche Situation noch immer sehr unsicher. Deshalb halten sich viele Unternehmen mit Investitionen zurück und brauchen auch weniger Kredite.

Apropos wirtschaftliche Unsicherheit. Wie groß wird denn Ihrer Meinung nach die seit Monaten ängstlich erwartete Pleitewelle ausfallen?
Ich glaube nicht, dass wir eine massive Pleitewelle sehen werden, sondern einen durch die Coronakrise beschleunigten Strukturwandel, der sich über mehrere Jahre hinziehen wird. Sobald wir die Pandemie durch die Impfanstrengungen besser in den Griff bekommen, wird sich die Wirtschaft deutlich erholen. Natürlich wird es trotzdem zu einem Anstieg von Insolvenzen kommen, aber sie werden sich auf zwei bis drei Jahre verteilen. Das können die Banken abfedern.

Die Aufseher wirken allerdings sehr beunruhigt. Übertreiben die Behörden mit ihren Sorgen vor einer Welle von faulen Krediten?
Ich kann verstehen, dass die Aufseher alarmiert sind, schließlich erleben wir gerade die größten wirtschaftlichen Verwerfungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Aber die Politik hat mit ihren schnellen Unterstützungsprogrammen enorm geholfen, die Folgen abzufedern. Wir gehen davon aus, dass die staatlichen Hilfen nicht abrupt beendet werden, sondern allmählich auslaufen. Wenn das so geschieht, bin ich zuversichtlich, dass die deutschen Banken robust durch die Pandemie kommen.

Die europäischen Aufseher haben gerade einen neuen Stresstest gestartet, der von einem deutlich negativeren Corona-Szenario ausgeht. Sind die Geldhäuser auch dafür gerüstet?
Die deutschen Banken haben auch mit Blick auf die Pandemie ihre Risikovorsorge zuletzt weiter aufgestockt. Ich gehe davon aus, dass der Stresstest diese solide Ausgangsposition bestätigen wird.

Sie scheinen ja sehr optimistisch zu sein. Aber die Reaktion der Europäischen Zentralbank auf die Pandemie hat die Minuszinsen auf absehbare Zeit festgeschrieben. Ist das nicht noch gefährlicher für die deutschen Banken? Die Ratingagentur Moody’s hat ausgerechnet, dass die Geldhäuser ihre Kosten um 30 Prozent senken müssten, um die aktuelle, nicht gerade berauschende Profitabilität aufrechtzuerhalten.
Ich kann die EZB nicht einmal ansatzweise verstehen. Die Politik der Notenbank ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die europäischen Banken kontinuierlich an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Für Europas Banken belaufen sich die Strafzinsen zurzeit auf 13 Milliarden Euro im Jahr. Auf die deutschen Banken entfallen davon rund vier Milliarden. Dazu kommen die Abgaben für den Bankenabwicklungsfonds, dessen Volumen sich bis 2024 in Richtung 80 Milliarden Euro bewegen dürfte. Die Zielhöhe des Fonds und damit der Bankenabgabe bemisst sich vor allem an der Höhe der Spareinlagen. Durch die Flutung der Märkte mit Liquidität treibt die EZB-Geldpolitik auch diese massive Belastung.

Aber für den Abwicklungsfonds ist nicht die EZB, sondern die Politik verantwortlich.
Das ist richtig, das Zielvolumen des Abwicklungsfonds zu bestimmen, ist Sache der europäischen Bankenabwicklungsbehörde SRB. Diesen Punkt wollen wir der Notenbank nicht anlasten. Aber es gibt ja auch noch das pauschale Dividendenverbot, das die Investoren abschreckt, die uns weiterhin Kapital für unser Geschäft zur Verfügung stellen. Auf jeden Fall wird sich die Kapitalbeschaffung verteuern. Nimmt man dann noch die Belastungen durch das unter dem Stichwort „Basel IV“ bekannte Regulierungspaket hinzu, ist das eine schwere Last für die Banken.

Aber hätte es denn eine Alternative zur Geldpolitik der EZB gegeben?
Man muss der Notenbank zugutehalten, dass sie sehr schnell auf die Coronakrise reagiert und ausreichend Liquidität zur Verfügung gestellt hat. Aber die US-Notenbank Fed hat nie negative Zinsen erhoben. Andere Notenbanken, die zu diesem Mittel gegriffen haben, räumten den Banken sehr viel höhere Freibeträge ein. Durch die enorme Liquidität, die die EZB in die Märkte pumpt, sind die Freibeträge für die Banken in der Eurozone im Vergleich sehr klein geworden. Aber bislang ist EZB-Präsidentin Christine Lagarde nicht bereit, über dieses Thema zu diskutieren.

Sind Sie nicht ein bisschen ungerecht gegenüber der EZB? Die Notenbank nimmt ja nicht nur, sie gibt auch. Analysten haben ausgerechnet, dass die europäischen Banken durch die Freibeträge und die sehr günstigen Konditionen für die unter dem Kürzel TLTRO bekannten langfristigen Refinanzierungsgeschäfte unter dem Strich fünf Milliarden Euro an der Geldpolitik verdient haben. Selbst bei den einlagenlastigen deutschen Banken halten sich positive und negative Effekte der Geldpolitik die Waage.
So pauschal kann man das nicht sagen. Von den günstigen TLTRO-Konditionen können nur die Banken profitieren, bei denen das Kreditvolumen nicht zurückgeht. Die möglichen Vergünstigungen sind zudem eine Reaktion auf die Pandemie und auf zwei Jahre begrenzt. Negative Leitzinsen haben wir aber schon seit Juni 2014, und das hat die europäischen Banken bisher 34 Milliarden Euro gekostet.

Wäre es nicht an der Zeit, dass die Banken, statt über die Geldpolitik zu jammern, die Minuszinsen akzeptieren und ihre Geschäftsmodelle noch schneller an die neue Realität anpassen?
Das ist leicht gesagt, in anderen Regionen – wie etwa den USA – gibt es keine Negativzinsen. Den europäischen Banken fehlen durch Minuszinsen, Regulierung und Abwicklungsfonds viele Milliarden, die die Banken außerhalb der Euro-Zone in die Digitalisierung und andere Wachstumsprojekte investieren können. Die EZB muss endlich einmal dazu Stellung beziehen, ob ihr an der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Banken gelegen ist.

Was sagt denn Frau Lagarde zu ihren Forderungen?
Leider hat die EZB-Präsidentin in den anderthalb Jahren ihrer Amtszeit noch keine Zeit gefunden, um sich mit den deutschen Banken darüber auszutauschen. Wir gehen aber davon aus, dass es kurzfristig zu einem Gespräch kommen wird.

Ein Hoffnungsschimmer für den Finanzplatz Deutschland ist der Brexit. Wie stark kann Frankfurt davon profitieren?
Vom großen Kuchen wird ein Stück neu verteilt, und von diesem Stück wird auch Frankfurt etwas abbekommen. Aber ich warne vor übertriebenen Hoffnungen. London wird ein wichtiger Finanzplatz bleiben. Zentral ist, dass es nun nicht zu einem ruinösen Wettbewerb zwischen Großbritannien und der EU kommt, sonst stehen am Ende beide als Verlierer da. Im Derivatehandel sehen wir bereits, dass Teile des Geschäfts in die USA abwandern.

Durch den Brexit haben einige große US-Banken massiv Kapital nach Deutschland verlagert. Haben Sie keine Angst, dass die ohnehin starken ausländischen Geldhäuser noch stärker werden und den deutschen Banken noch mehr Marktanteile abnehmen?
Da sind wir wieder beim Thema EZB. Die Notenbank muss endlich die Frage beantworten, was sie tun will, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Banken zu stärken.

Aber der Ruf nach der Notenbank kann doch nicht die Lösung für alle Probleme der europäischen Banken sein.
Nein, natürlich müssen sich auch die Banken dem Strukturwandel stellen – und das tun sie auch. Aber um in Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle zu investieren, brauchen sie Kapital. Kapital, das seit Jahren durch viele von den Banken nicht zu beeinflussende Maßnahmen abgesaugt wird. Und dieses Kapital lässt sich am schnellsten durch Erleichterungen bei den Minuszinsen, der Regulierung oder der Bankenabgabe freisetzen.

Herr Peters, vielen Dank für das Gespräch.