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Bafin widerspricht Staatsanwaltschaft im Wirecard-Untersuchungsausschuss

Spielten die Strafverfolger eine aktivere Rolle beim Leerverkaufsverbot der Finanzaufsicht als bislang bekannt? Die Aussage eines Bafin-Mitarbeiters legt das nahe.

Die Abgeordneten – hier bei der Befragung des hessischen Wirtschaftsministers Tarek al Wazir – übten nach einer Sitzung am Freitag Kritik an der Rolle, die Münchener Staatsanwälte im Wirecard-Skandal spielten. Foto: dpa
Die Abgeordneten – hier bei der Befragung des hessischen Wirtschaftsministers Tarek al Wazir – übten nach einer Sitzung am Freitag Kritik an der Rolle, die Münchener Staatsanwälte im Wirecard-Skandal spielten. Foto: dpa

Bei der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals ist die Münchener Staatsanwaltschaft in den Fokus des Untersuchungsausschusses des Bundestags geraten. Dabei geht es um die Frage, welchen Einfluss die Strafverfolger darauf hatten, dass die Finanzaufsicht Bafin 2019 ein Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien verhängt hatte. Denn die Bafin hatte ihre Entscheidung nach eigenen Angaben auch auf eine Information der Staatsanwaltschaft gestützt, wonach Wirecard womöglich erpresst werde.

Hintergrund ist ein Vorfall von Anfang Februar 2019. Damals berichtete ein Wirecard-Anwalt den Münchener Strafverfolgern, dass angeblich Bloomberg-Journalisten den Zahlungsdienstleister um sechs Millionen Euro erpressen wollten. Später legte der Anwalt noch den Entwurf einer eidesstattlichen Versicherung eines Zeugen vor. Dessen Zuverlässigkeit ist mittlerweile umstritten, unter anderem aufgrund früherer Drogengeschäfte.

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Der Zeuge behauptete, Investoren seien über eine kritische Berichterstattung der Zeitung „Financial Times“ im Vorfeld informiert worden. Beide Informationen leitete die Staatsanwaltschaft an die Bafin weiter.

Darüber, was dann folgte, gibt es nun unterschiedliche Darstellungen seitens der Bafin und der Staatsanwälte. Der Bafin-Wertpapieraufseher Sebastian Kimmer, der am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss auftrat, sagte Teilnehmern zufolge aus, die Staatsanwälte hätten die Erpressungsvorwürfe – die mittlerweile als Räuberpistole gelten – nach seiner Wahrnehmung sehr ernst genommen.

Damit widersprach er Aussagen der Münchener Staatsanwälte Hildegard Bäumler-Hösl und Matthias Bühring. Beide hatten ausgesagt, sie hätten die Informationen über die angebliche Erpressung nur weitergeleitet – ungeprüft und ohne eigene Bewertung.

Bei der Bafin schätzte man die Informationen der Staatsanwälte laut Kimmer als ernsthaft ein und schloss daraus, dass das Marktvertrauen in Deutschland erheblich bedroht gewesen sei. Die Wertpapieraufseher der Behörde loteten danach unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten aus. Unter anderem prüften sie, ob sie die Wirecard-Aktien vom Handel aussetzen oder Wetten auf deren Kursverfall verbieten – also ein Leerverkaufsverbot verhängen sollten.

Danach soll es laut Bafin-Aufseher Kimmer erneut eine Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft in München gegeben haben. Die Staatsanwaltschaft habe sich gegen einen Handelsstopp für die Wirecard-Aktien ausgesprochen und ein Leerverkaufsverbot vorgezogen, da ein Handelsstopp Wirecard öffentlich hätte beschädigen können, sagte Kimmer. Auch diese Aussage widerspricht den Angaben der Münchener Staatsanwälte.

Kritik an den Staatsanwälten

Bäumler-Hösl wurde nach der Zeugenaussage von Kimmer am Freitag ein zweites Mal im Untersuchungsausschuss befragt. Teilnehmern zufolge sagte sie, sie habe keine aktive Erinnerung mehr daran, ob sie der Bafin gesagt habe, Wirecard werde erpresst, oder ob sie nur gesagt habe, es gebe entsprechende Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft habe jedenfalls keine Position zum Thema Leerverkaufsverbot gehabt und geäußert. Dieses Bafin-Instrument sei ihr unbekannt gewesen.

Weder die Bafin noch Bäumler-Hösl wollten die Aussagen, die im Untersuchungsausschuss gefallen waren, auf Handelsblatt-Anfrage weitergehend kommentieren.

Fakt ist: Letztlich entschied sich die Bafin für das mittlerweile hochumstrittene Leerverkaufsverbot und handelte dabei gegen den Rat der Bundesbank. Für diese Entscheidung trägt die Finanzaufsicht die Verantwortung, die oberste Wertpapieraufseherin Elisabeth Roegele trat nicht zuletzt deshalb zurück.

Doch auch der mögliche Beitrag der Staatsanwälte verärgert viele Abgeordnete. Entsprechend breit fiel die Kritik nach der Ausschusssitzung aus. „Die Bafin hat das Leerverkaufsverbot verhängt. Aber die Staatsanwaltschaft hat dabei eine aktive Rolle eingenommen und sich von (Ex-Wirecard-Vorstand) Jan Marsalek und einem britischen Drogenhändler einspannen lassen“, sagte der Finanzexperte der Linken, Fabio De Masi. Er glaubt der Bafin-Darstellung: „Sie hat sich sogar bewusst gegen eine Aussetzung des Handels mit der Wirecard-Aktie ausgesprochen, da sie fürchtete, dass dies den Vorwürfen der Bilanzmanipulation Futter geben würde.“

Für De Masi stellt sich jetzt die Frage, ob Staatsanwältin Bäumler-Hösl nun befangen sei und ob das womöglich den Prozess gegen Ex-Wirecard-Chef Markus Braun gefährden könnte.

Der CSU-Abgeordnete Michelbach übte Kritik daran, dass die Staatsanwälte den Vermerk über die angebliche Erpressung nach eigener Darstellung wohl ungeprüft weitergeleitet hatten. „Diesen Vermerk weiterzugeben als Staatsanwaltschaft hat doch eine Auswirkung und dieser Vermerk ist an Naivität nicht zu überbieten. Der ist einer Staatsanwaltschaft unwürdig“, zitierte die „Wirtschaftswoche“ Michelbach aus der Ausschusssitzung. Der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann twitterte, er fühle sich durch die Münchener Strafverfolger „getäuscht“.

Kritik kommt auch vom Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz: „Die Staatsanwaltschaft München reiht sich nahtlos in das Behördenversagen in Sachen Wirecard ein“, sagt er.

Bäumler-Hösl gilt als erfahrene Ermittlerin

Für die erfolgsverwöhnten Staatsanwälte in München ist das ungewohnter Gegenwind. Bäumler-Hösl ist eine der erfahrensten Ermittler der Republik, gilt als Expertin für große und komplexe Verfahren. In ihrer Karriere spielte sie eine maßgebliche Rolle in zahlreichen, teils spektakulären Strafverfahren. Sie war vor mehr als einem Jahrzehnt mit dem Schmiergeld-Skandal bei Siemens befasst, ermittelte im Korruptions- und Untreue-Komplex bei der BayernLB sowie zu schwarzen Kassen bei Airbus.

In der Staatsanwaltschaft München I führt sie das Kommando über die auf Wirtschaftsstrafsachen spezialisierte Hauptabteilung III, in der sich rund 50 Ermittler neben Betrugs- und Untreuedelikten unter anderem auch mit Geldwäsche- und Steuerstraftaten beschäftigen.

Ende Januar war Bäumler-Hösl zum ersten Mal vor den Untersuchungsausschuss geladen. An diesem Tag schilderte zunächst der britische Finanzinvestor Matthew Earl, wie er nicht nur einmal auf dubiose Vorgänge bei Wirecard hinwies, aber aus seiner Sicht weder bei der Bafin noch der Staatsanwaltschaft Gehör fand. Earl ist ein Shortseller und verdient daran, wenn Kurse an der Börse fallen.

2016 war Earl an der Veröffentlichung des sogenannten Zatarra-Reports beteiligt, der Wirecard Korruption, Betrug, Geldwäsche sowie Zahlungsabwicklung für illegales Glückspiel vorwarf. In der Folge kam es allerdings nicht zu Ermittlungen gegen Wirecard, sondern gegen Earl.

Die Staatsanwaltschaft München eröffnete auf Anzeige der Bafin ein Verfahren gegen ihn, das gegen die Zahlung von 35.000 Euro an karitative Zwecke eingestellt wurde. 2019 habe er dann erneut gewarnt, in einem Gespräch bei den Münchener Strafverfolgern habe man ihm aber keinen großen Glauben geschenkt, so Earl, die Atmosphäre sei „frostig“ gewesen.

Anschließend schilderte Bäumler-Hösl ihre Sicht der Dinge. Sie sagte bei ihrem ersten Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss, man habe Wirecard längst kritisch auf dem Radar gehabt. Aber um in Ermittlungen einsteigen zu können, bräuchte man einen Tatort in Deutschland oder einen Deutschen, der gehandelt habe. Diese Hinweise habe man zum damaligen Zeitpunkt nicht gehabt.

In den Jahren zuvor war die Staatsanwaltschaft wiederholt mit Wirecard befasst. Kurz nach der Jahrtausendwende ermittelte sie gegen Vorstandschef Markus Braun im Zusammenhang mit umstrittenen Vorgängen rund um die Pleite einer Wirecard-Vorgängerfirma. Später nahmen die Ermittler den Konzern wegen Finanztransaktionen für illegales Online-Glücksspiel in den USA unter die Lupe. Das Verfahren wurde jedoch 2012 eingestellt, „da ein Tatnachweis nicht zu führen war“, wie es damals hieß. 2015 durchsuchte die Staatsanwaltschaft im Amtshilfeverfahren für die US-Behörden die Wirecard-Zentrale.