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Börsen-Zoff zwischen der Schweiz und der EU eskaliert

Die Schweizer Börse Six droht den Zugang zum EU-Markt zu verlieren. Die Schweiz will mit gleichen Waffen zurückschlagen – mit einer kuriosen Konsequenz.

Die Schweiz will im Börsenstreit mit der Europäischen Union den Handel mit Schweizer Aktien in der EU stoppen. Foto: dpa
Die Schweiz will im Börsenstreit mit der Europäischen Union den Handel mit Schweizer Aktien in der EU stoppen. Foto: dpa

Gerät die Schweiz ins Abseits? Zumindest aus Sicht der EU droht dem Nachbarland dieses Schicksal: Ende Juni könnte die Eidgenossenschaft ihren Status als „äquivalenter Drittstaat“ im Börsenhandel verlieren. Die EU benutzt diese Drohung, um die Schweiz dazu zu bringen, ein Rahmenabkommen abzuschließen: Darin sind wichtige Fragen zwischen den Ländern geregelt, unter anderem der Bereich Finanzmarkt. Sollte die EU ihre Drohung wahr machen, würde die Schweiz in Sachen Börsenrecht nach europäischen Standards in einer Liga mit Ägypten, Malaysia oder Abu Dhabi spielen.

Die Börsenäquivalenz ermöglicht es der Schweizer Börse Six, Geschäfte mit Kunden in Europa zu machen, weil die EU die Regulierung in der Eidgenossenschaft als gleichwertig mit den europäischen Regeln anerkennt. Verliert die Schweiz diese Äquivalenz, wäre das für die Eidgenossen mehr als nur ein Imageschaden: Die Schweizer Börse, Heimat von wichtigen Aktien wie Novartis oder Nestlé, könnte ihren Zugang zum europäischen Markt verlieren.

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Eine fehlende Handelsmöglichkeit an EU-Marktplätzen kann für Investmentgesellschaften wie Versicherungen oder Pensionskassen, die keine freie Wahl des Börsenplatzes haben, ein Problem sein. Für sie dürfte der Aufwand zum Handel von Schweizer Aktien steigen.

Seit mittlerweile fünf Jahren verhandelt die Schweiz mit der Europäischen Union über ein Rahmenabkommen, das die bisherigen bilateralen Verträge in wichtigen Bereichen zusammenfassen soll. Doch eine Einigung ist nicht in Sicht, und ein Ultimatum aus Brüssel läuft demnächst aus.

Die EU-Kommission hatte die Börse als Faustpfand für die Gespräche benutzt: Sie will die Börsenäquivalenz nur verlängern, wenn es Fortschritte bei den Verhandlungen über das Rahmenabkommen gibt. Geholfen hat diese Taktik offenbar nicht: Das Rahmenabkommen gilt in der Schweiz in der jetzigen Fassung als nicht mehrheitsfähig.

Nun bereiten sich die Beteiligten auf eine Eskalation vor, bei der die Schweiz die Börsenäquivalenz verliert. Das Finanzministerium in Bern ließ bereits am Montag wissen, dass man für den Fall der Fälle gerüstet sei.

Europäischen Börsen droht Verlust der Zulassung

Die Schweizer wollen die EU mit ihren eigenen Waffen schlagen: Ihr „Plan B“ sieht vor, dass die Aktien von Schweizer Unternehmen qua Notrecht nur noch an in der Eidgenossenschaft zugelassenen Handelsplätzen gehandelt werden dürfen. Mit einer entsprechenden Verordnung würden europäische Börsen von einer Zulassung ausgeschlossen.

Dadurch würde laut Schweizer Finanzministerium der Fall eintreten, dass Schweizer Aktien nicht „systematisch und regelmäßig“ an EU-Handelsplätzen handelbar sind. Für diesen Fall interpretiert das Ministerium das EU-Recht so, dass die Schweizer Börse keine Gleichwertigkeitsanerkennung benötigt.

Die Konsequenz wäre kurios: Wenn die EU der Schweiz die Äquivalenz verweigert und die Schweiz ihren Plan B umsetzt, dürften Schweizer Aktien von Europäern wohl nur noch an der Börse in Zürich gehandelt werden. Analysten erwarten deshalb, dass die Handelsvolumina an der Börse Six als Folge des Konflikts ansteigen werden.

Schätzungen zufolge wird derzeit rund ein Drittel der Schweizer Bluechip-Werte in Zürich gehandelt. Die meisten Deals laufen jedoch auf alternativen Handelsplattformen. Die Handelsplätze Aquis und CBOE Global Markets sowie die Schweizer Großbank UBS haben ihre Kunden bereits vorgewarnt: Ab kommender Woche wollen sie keine Schweizer Wertpapiere mehr handeln, falls der Notfallplan aktiviert wird.

Privatanleger können das Tauziehen aber relativ gelassen sehen: Ihre Käufe und Verkäufe von Schweizer Aktien würden auch weiter ausgeführt, aber an einem anderen Ort. Die Analysten der UBS erwarten zwar, „dass die Kursvolatilität in Schweizer Aktien zumindest in der Übergangsphase erhöht sein dürfte“. Größere Kurskorrekturen erwartet man dort aber nicht.

Mehr Sorgen bereiten den Analysten die möglichen langfristigen Folgen. „Es droht in den Verhandlungen eine Eskalationsspirale, die das Verhältnis der Schweiz mit der EU nachhaltig beschädigen könnte und damit auch wirtschaftliche Unsicherheiten schürt“, so die UBS-Experten. Sie fürchten eine wachsende Unsicherheit, ob der Zugang zum EU-Binnenmarkt für Schweizer Firmen gewahrt bleibt oder ob Fachkräfte aus der EU rekrutiert werden können.

Kurzfristig seien die Risiken gering, aber nicht vernachlässigbar. Schließlich sei das konjunkturelle Umfeld in der Eidgenossenschaft ohnehin getrübt. „In einer solchen Situation reicht eine leichte Zunahme der Unsicherheit, um in der Wirtschaft einen großen Schaden anzurichten.“

Eine Einigung in letzter Minute gilt noch als möglich, aber zunehmend unwahrscheinlich. Aus Sicht der EU-Kommission liegt der endgültige Vertragsentwurf für das Rahmenabkommen auf dem Tisch, doch die Schweiz will das Abkommen nicht unterzeichnen.

Juncker geht die Geduld aus

Die Schweizer Regierung pocht auf „Klärungen“ bei drei kontroversen Themen: dem Lohnschutz, den staatlichen Beihilfen und der sogenannten Unionsbürgerrichtlinie, mit der in der Schweiz arbeitslos gewordene EU-Bürger auf Sozialhilfe pochen könnten. Doch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gehe die Geduld aus, heißt es in Brüssel. Juncker hatte Nachverhandlungen kategorisch ausgeschlossen.

Weder Bern noch Brüssel wollen nachgeben: Die EU-Kommission steckt mitten in den Verhandlungen über den britischen EU-Austritt – da könnte ein Einlenken gegenüber der Schweiz als falsches Signal nach London aufgefasst werden, dass sich mit Hartnäckigkeit noch mehr herausholen lässt.

Auch die Schweizer Regierung gibt sich unnachgiebig. Im Herbst wird in der Eidgenossenschaft gewählt, das schwierige Verhältnis zur EU ist dabei ein Dauerbrenner. In dieser Situation möchte keine Partei gegenüber Brüssel einknicken, um nicht an der Urne abgestraft zu werden.

Mehr: Bern und Brüssel zanken um einen Rahmenvertrag. Die Zeit für eine Einigung läuft davon.