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„Autonomes Matching“: Stepstone will mit KI die Jobsuche einfacher machen

Die Springer-Tochter setzt auf Algorithmen für die Stellenvermittlung. Damit will sich Stepstone-Chef Dettmers gegen Konkurrenten wie Google behaupten.

Sebastian Dettmers weiß schon jetzt, dass die Zahl der Arbeitslosen Ende Oktober unter 2,8 Millionen sinken wird. Auf seinem LinkedIn-Profil sagt Dettmers seit einer Weile jeden Monat die Arbeitslosenzahlen voraus – und weicht stets nur minimal von den offiziellen Daten ab. Dettmers ist allerdings kein Wahrsager, sondern Chef der Jobplattform Stepstone.

Was für Dettmers ein kleiner Spaß ist, hat durchaus einen geschäftlichen Hintergrund: Stepstone erfährt aus den Daten, die Firmen und Jobsuchende auf der Plattform hinterlassen, viel über den Arbeitsmarkt. Diese will das Düsseldorfer Unternehmen nun vermehrt bei der Stellenvermittlung nutzen.

Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) sollen Bewerber und Unternehmen auf der Plattform künftig besser zusammenzufinden, kündigt Dettmers im Gespräch mit dem Handelsblatt an. Er nennt das „autonomes Matching“.

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Aus Sicht des 41-Jährigen ist das dringend nötig: „Die meisten Menschen treffen bei der Berufswahl eine falsche Entscheidung.“ Auch die Beratungsfirma Gallup kommt seit Jahren zu dem Ergebnis, dass ungefähr 70 Prozent der Angestellten nur Dienst nach Vorschrift machen. „Gerade in unsicheren Zeiten sind viele Menschen bei der Jobsuche zurückhaltend, obwohl sie in ihrer Anstellung unglücklich sind“, sagt Dettmers.

Mithilfe der KI will Stepstone Bewerbern zumindest die Suche nach dem neuen Job vereinfachen. Dazu müssen Nutzer auf dem Portal ein Profil einrichten, können dort Berufserfahrung, Ausbildung, Kenntnisse und den Lebenslauf einstellen. Anhand dessen und des Suchverlaufs, etwa nach Branche, Unternehmensgröße und Arbeitsort, schlägt der Algorithmus dem Nutzer jene Stellenanzeigen vor, die besonders gut passen sollen.

Jobsuchende erhalten demnächst auch Gehaltsinformationen

Im kommenden Jahr soll die Stellenbörse für jeden Job auch das Gehalt anzeigen, das Bewerber erwarten dürfte. Stepstone errechnet das aufgrund der Position, der Branche und des Unternehmens. Der Anbieter hat nach der Übernahme der Plattform Gehalt.de eine Datenbank mit drei Millionen Gehaltseinträgen.

Auf Unternehmensseite bekommen alle Firmen, nachdem sie eine Stellenanzeige aufgegeben haben, künftig direkt eine vom Algorithmus zusammengestellte Liste mit besonders gut passenden Kandidaten zugesandt. Stepstone testet das Vorgehen derzeit in Großbritannien, im kommenden Jahr soll diese Funktion auch hierzulande verfügbar sein.

Die KI-basierte Auswertung des Profils und ein verbessertes „Matching“ – für den Jobbörsen-Experten Wolfgang Brickwedde ist Stepstone damit „ziemlich weit vorn“. Der Direktor des Institute for Competitive Recruiting in Heidelberg sagt: „Eine Jobbörse ist für Unternehmen gerade dann attraktiv, wenn sie nicht besonders viele, sondern möglichst passende Jobinteressenten anzeigt.“ Das Vorgehen von Stepstone erhöhe die Passgenauigkeit auch für die Jobsuchenden.

Brickwedde sieht allerdings ein Problem: 40 Prozent der Bewerber, das zeigen Studien, hätten Vorbehalte, wenn sie für bessere Suchergebnisse ihre Daten preisgeben müssen. „Die Idee ist gut, aber es ist eben auch eine Kulturfrage.“ Gerade in Deutschland sind viele Anwender eher skeptisch, wenn sie Daten in Onlineprofile eingeben müssen.

Das zeigt sich auch in den Stepstone-Nutzerzahlen: In Großbritannien haben bereits 20 Millionen Menschen ein Profil angelegt, hierzulande sind es gerade einmal sechs Millionen. Und ohne Daten funktioniert keine KI. Stepstone-Chef Dettmers verspricht Nutzern daher: „Wir nutzen die Daten ausschließlich dafür, dass die Menschen den richtigen Job finden.“

Welche Bedeutung der Einsatz von KI für Stepstone hat, zeigt sich auch in deren Beschäftigtenzahl. 1000 der weltweit gut 3600 Beschäftigten arbeiten im Bereich Big Data und Machine-Learning.

Stepstone will sich gegen Konkurrent Google behaupten

Stepstones neue Offensive dürfte auch eine Reaktion auf den Markteintritt von Google sein. Im Frühjahr 2019 hat der IT-Riese in Deutschland seinen Dienst Google for Jobs gestartet. Wenn Nutzer in der Google-Suche eine Berufsbezeichnung und das Schlagwort „Job“ oder „Stelle“ eingeben, zeigt die Suchmaschine offene Stellen prominent in ihren Ergebnissen an.

Diese werden aus Karriereseiten oder Jobbörsen ausgelesen. Wer auf die Stellenanzeigen klickt, wird direkt auf die Seite des Unternehmens weitergeleitet. Die Folge: Jobbörsen könnten an Bedeutung verlieren.

Stepstone stellt seine Stellenanzeigen für Googles Jobsuche nicht zur Verfügung und hat bereits 2019 bei der EU-Kommission Klage eingereicht. Das Unternehmen begründet das mit dem Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung. Manager Dettmers beklagt, dass die organische Reichweite über Google gesunken sei. Insgesamt habe man die Rückgänge durch eigene Anstrengungen etwa im Bereich der sozialen Netzwerke aber mehr als kompensieren können.

Das könnte auch daran liegen, dass das Jobportal seit Jahresanfang in Fußballstadien, Bushaltestellen, Zeitungen und TV-Reklamen offensiv wirbt. Bislang war es vor allem der Konkurrent Indeed, der so um die Aufmerksamkeit gerungen hatte. Die verstärkte Werbung lässt sich auch mit der veränderten Eigentümerstruktur beim Stepstone-Mutterkonzern Axel Springer erklären.

Seit dem Einstieg des US-Großinvestors KKR fokussiert sich das Medienhaus stärker auf digitale Inhalte wie Stepstone oder das Immobilien-Portal Immowelt. „Für uns ist der Einstieg von KKR ein Glücksgriff. Werbung in diesem Ausmaß wäre vorher nicht möglich gewesen“, sagt Dettmers. Dieses Jahr hat Stepstone für Reklame einen zweistelligen Millionenbetrag ausgegeben, so Dettmers.

Stepstone zählt nach eigenen Angaben monatlich über 16 Millionen Besucher. Diese sehen derzeit besonders viele Stellenangebote aus dem Bereich E-Commerce. Jobs in den Bereichen Veranstaltungen und Hotellerie sind krisenbedingt kaum ausgeschrieben.

Dettmers selbst, der seit Jahresanfang Chef von Stepstone ist und dort vorher acht Jahre lang als Managing Director tätig war, will vorerst nicht auf Jobsuche gehen. „Es gibt nichts Besseres, als für Menschen eine Stelle zu finden, der wirklich zu ihnen passt.“ Womöglich gelingt Dettmers das durch KI demnächst so gut wie die Vorhersage der Arbeitslosenzahlen.