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Autonomes Fahren: Diese Fragen sind in Scheuers Gesetzentwurf noch offen

In den letzten Wochen der Legislaturperiode soll das Gesetz zum autonomen Fahren das parlamentarische Verfahren durchlaufen. Doch es gibt viel Kritik – und könnte daher noch scheitern.

Auf den letzten Drücker will der Verkehrsminister den Gesetzentwurf zum autonomen Fahren durchs Kabinett bringen. Foto: dpa
Auf den letzten Drücker will der Verkehrsminister den Gesetzentwurf zum autonomen Fahren durchs Kabinett bringen. Foto: dpa

Gewissermaßen in letzter Sekunde bringt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) seinen Entwurf für ein Gesetz zum autonomen Fahren ins Bundeskabinett ein. Mit dem neuen Rechtsrahmen würden „die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion im öffentlichen Straßenverkehr im Regelbetrieb fahren können, örtlich begrenzt auf vorher festgelegten Betriebsbereichen“, heißt es in der Kabinettsvorlage, die dem Handelsblatt vorliegt.

Scheuer hätte sein Schreiben, datiert auf den 8. Februar 2021, nicht später abschicken dürfen: An diesem Mittwoch müssen die noch letzten Gesetzesvorhaben ins Kabinett eingebracht werden. Ansonsten, das wissen die Gesetzgebungsexperten, werden sie angesichts der knappen Zeit der „Diskontinuität“ zum Opfer fallen.

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Union und SPD hatten sich bereits im Koalitionsvertrag das Gesetz zum Einsatz führerloser Fahrzeuge vorgenommen. Nun soll es quasi in den letzten Wochen der Legislaturperiode das parlamentarische Verfahren durchlaufen. Ob das Vorhaben des CSU-Politikers tatsächlich noch im Bundesanzeiger veröffentlicht und damit Gesetzeskraft erlangen wird, ist unsicher. Dabei gilt das autonome Fahren als Zukunftsprojekt der deutschen Automobilindustrie.

„Der Betrieb führerloser Kraftfahrzeuge soll für eine Vielzahl verschiedener Einsatzszenarien ermöglicht werden, ohne einen bestimmten, einzelnen Anwendungsfall vorab abschließend zu regeln“, heißt es seitens des Ministers. Dabei geht es um technische Voraussetzungen und Zulassungen durch das Kraftfahrt-Bundesamt, um Pflichten des Halters und der Hersteller sowie um die Datenverarbeitung.

Auch sollen die Unternehmen schon automatisierte Lösungen – wie etwa die selbstständige Parkplatzsuche in einem Parkhaus (Dual mode) – verbauen können, auch wenn diese noch nicht erlaubt sind. Durch eine entsprechende nationale oder internationale Regelung könnten solche Funktionen in Zukunft jedoch aktiviert werden. Viele wichtige Fragen sollen zu all diesen Themen vor allem in Verordnungen geregelt werden.

Doch es gibt bereits erheblichen Widerstand. So hatte es in den vergangenen drei Monaten innerhalb der Bundesregierung heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Justiz- und dem Verkehrsressort gegeben. Die Verfassungshüter hatten vor allem drei Bedenken:

1. Haftung

Seit die Debatte um autonom fahrende Fahrzeuge entbrannt ist, steht die zentrale ethische Frage im Raum: Wer haftet, wenn ein Unfall passiert? Der Hersteller, der Programmierer, eine technische Aufsicht oder der Halter?

Die internationalen Verkehrsregeln sehen generell zwingend einen Fahrer vor. Deshalb sollen im Nahverkehr eingesetzte autonom fahrende Fahrzeuge zumindest von einer „technischen Aufsicht“ kontrolliert werden. Das heißt, im Hintergrund gibt es eine Leitzentrale, die notfalls in das Fahrzeug eingreift.

Das Justizministerium pocht auf einen strengen Opferschutz und eine klare Halterhaftung – auch bei Geschwindigkeiten von weniger als 20 Stundenkilometern. In welcher Form die technische Aufsicht haftet, ist jedoch unklar.

2. Versicherung

Das Justizministerium besteht darauf, die Mindestversicherungssummen neu zu regeln. Wie und in welchem Umfang gilt es noch zu klären. Nötig ist mindestens eine Haftpflichtversicherung.

3. Daten

Das Justiz- und Verbraucherressort pocht auf einen strengen Datenschutz nach dem Motto: Alle Daten, die im Auto entstehen, gehören zunächst einmal dem Halter des Fahrzeugs. Sofern dieser zustimmt, sollen die Daten für neue Dienste genutzt werden können.

Offene Punkte werden im parlamentarischen Verfahren geklärt

Die Kritik ist trotz des Entwurfs geblieben, wie auch Scheuer in der Kabinettsvorlage einräumt. Entsprechend werden die offenen Punkte im parlamentarischen Verfahren geklärt, in dem auch die Verbände befragt werden. Sie hatten bisher nur drei Tage Zeit für eine Stellungnahme zum 170-seitigen Gesetzestext und den Anhängen. Der CSU-Politiker musste daher einräumen, dass auch sie sich weitere Stellungnahmen vorbehalten.

Zweifel seitens der Verbände gibt es bereits: So empfiehlt der Bundesverband der Verbraucherzentralen, zunächst den privaten Kauf von autonom fahrenden Fahrzeugen, wie sie im Gesetz vorgesehen sind, auszuklammern. „Ein solches, stark in das Straßenverkehrsrecht eingreifende Gesetz muss ausreichend in Zivilgesellschaft, Politik und mit den Bürgern diskutiert werden, um zukünftige autonome Mobilitätslösungen zum Erfolg zu führen“, heißt es in der Stellungnahme.

Zeitdruck sei kein guter Ratgeber, eine Kommission solle die Haftungsregeln überarbeiten. Schließlich seien weiterhin zentrale ethische Fragen ungeklärt. Daher sei es besser, „das Regelwerk zum autonomen Fahren auf den Anwendungsfall People Mover“, also Kleinbusse als Shuttle, zu fokussieren. „Der Gesetzentwurf lässt viele Fragen offen“, kritisieren die Verbraucherschützer. So sei etwa ungeklärt, was passiere, wenn die technische Aufsicht, die eine natürliche Person sein soll, erkrankt oder vertreten wird.

Kritik an der „technischen Aufsicht“

Auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen sieht Änderungsbedarf an Scheuers Entwurf. Die Verkehrsbetriebe sollen die Fahrzeuge später betreiben. Vor allem bei der technischen Aufsicht sieht auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen noch Klärungsbedarf: bei der Begrifflichkeit, aber auch bei den Aufgaben und Anforderungen. Und auch die Automobilindustrie übt Kritik, unter anderem an den in sehr kurzen Abständen vorgesehenen Tüv-Untersuchungen.

Warnungen kommen aus der Wissenschaft. Der Gesetzesplan, autonom fahrende Autos im normalen Verkehr ab 2022 zuzulassen, widerspreche dem Status quo der Technik. „Es ist völlig irrational anzunehmen, dass in naher Zukunft ein Fahrzeug vollautonom durch eine deutsche Innenstadt fährt“, sagte Peter Liggesmeyer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering in Kaiserslautern.

„Das Verkehrsgeschehen ist hierbei viel zu komplex, als dass auf Basis des derzeitigen Stands der Technik ein gleichzeitig hochverfügbares und sicheres autonomes Fahrzeug entwickelt werden könnte.“

Liggesmeyer, bis 2017 Präsident der Gesellschaft für Informatik, forscht seit vielen Jahren rund ums autonome Fahren: „Ob autonomes Fahren mithilfe der aktuellen Machine-Learning-Verfahren vollumfänglich möglich sein wird, ist fraglich. Dafür bedarf es vermutlich einer disruptiven Innovation.“