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Das Ende des langen Booms in der Autoindustrie

Besonders Zulieferer spüren den Konjunktureinbruch deutlich. Foto: dpa

Fast ein Jahrzehnt ging es in der Autoindustrie immer nur aufwärts. Nun kippt die Konjunktur und viele Zulieferer klagen über scharfe Einbrüche.

Gewinnwarnungen am Ende eines Booms sind nicht ungewöhnlich. Dass Daimler-Chef Ola Källenius wegen Problemen mit Abgas, Airbags und Absatz binnen sechs Wochen gleich zweimal die Prognose kassiert, schockte die Anleger dann doch. Daimler und die Autobranche sind Schlusslicht im Dax.

Die Krise des Stuttgarter Autokonzerns ist symptomatisch für die Branche. Der schwelende Handelskonflikt mit den USA, die schwächere Konjunktur in China und die hohen Ausgaben für Digitalisierung und Elektromobilität drücken auf die Stimmung und die Zahlen. Immer mehr Zulieferer korrigieren ihre Prognosen.

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Denn wenn es in der Autoindustrie nicht mehr läuft, dann merken es die Lieferanten zuerst. Viele Wochen bevor ein Auto gebaut wird, bestellen die Hersteller den Stahl, die Getriebe oder die Fertigungsstraße für das nächste Modell. Und wenn man den Sorgen der Lieferanten in diesen Tagen Glauben schenkt, dann droht für das zweite Halbjahr ein Einbruch. „Die Hoffnungen erfüllen sich nicht. Mich wundert, dass das noch keiner so richtig gesagt hat, wie schlecht es wirklich läuft“, sagt ein Topmanager eines großen Zulieferers mit Blick auf den aktuellen Auftragseingang im laufenden dritten Quartal.

Tatsächlich spüren die Zulieferer seit Wochen, wie nervös ihre Abnehmer geworden sind. Dabei sollte das zweite Halbjahr doch das bessere werden, versprachen bis vor Kurzem die Chefs von Daimler und BMW.

Neben Altlasten im Abgasskandal und Airbagrückrufen drückt auch die schwächere Konjunktur auf die Zahlen. Auch bei BMW laufen die Dinge nicht mehr rund. Vorstandschef Harald Krüger wird seinen Vertrag nicht verlängern, sein Nachfolger wird an diesem Donnerstag gewählt.

„Ja, wir merken den Abschwung“, räumte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider zuletzt ein. „Wir liegen wegen der schrumpfenden Automobilmärkte deshalb deutlich unter unseren Planungen.“ ZF passe sich diesem Szenario an. „Die Zukunftsthemen treiben wir weiter voran und kürzen Investitionen in Bereichen der bestehenden Technologien“, betonte Scheider. Der eigentlich geplante Personalaufbau falle aus.

Die ZF-Konkurrenten werden ebenfalls vorsichtiger. Noch hat der weltgrößte Automobilzulieferer Bosch seine Prognosen von einem Umsatz leicht über Vorjahr und einer operativen Rendite von sechs Prozent nicht verändert. Aber auch das finanzstarke Stiftungsunternehmen spürt den sich aufbauenden gewaltigen Druck. „Das Umfeld ist sehr herausfordernd geworden. Wir hatten mit einer rückläufigen Autoproduktion um minus drei Prozent gerechnet. Jetzt erwarten wir minus 4,5 Prozent. Das macht die Sache nicht einfacher“, sagt Bosch-Finanzchef Stefan Asenkerschbaumer dem Handelsblatt am Freitag.

Auch Continental muss sich auf ein hartes zweites Halbjahr einstellen. Zu den bereits vorhandenen strukturellen Herausforderungen – dem Wandel zur Elektromobilität, der Digitalisierung und dem autonomen Fahren – kommen nun konjunkturelle hinzu. „Continental hat eine zu optimistische Prognose aufgestellt“, sagt Christian Ludwig vom Bankhaus Metzler. „Der Automobilmarkt wird sich nicht wie erwartet konstant entwickeln, er wird schrumpfen.“

Die Probleme von Deutschlands Schlüsselbranche ziehen sich mittlerweile durch die ganze Wirtschaft. Der Chemiekonzern BASF begründet seine Gewinnwarnung mit der geringeren Nachfrage nach Autolacken; der Stahlkonzern Arcelor-Mittal drosselt bereits seine Stahlproduktion.

Der Anlagenbauer Aumann kassierte am Donnerstag seine Erwartungen für das laufende Jahr. „Ausschlaggebend für diese Entwicklung sind insbesondere der rückläufige Fahrzeugabsatz und die daraus resultierende Verunsicherung in der Automobilindustrie, welche sich in erheblicher Investitionszurückhaltung und Kostendisziplin bei Herstellern und Zulieferern niederschlagen“, lautet der Befund.

„Das Wachstum der Autoindustrie war in der vergangenen Dekade exorbitant gut. Jetzt sinkt das Volumen, der Preisdruck nimmt zu. Anders als früher muss die Branche ihre Investitionen aber auf Rekordniveau halten, um auch künftig noch wettbewerbsfähig zu sein“, sagt Alex Wachtmeister, Autoexperte bei Boston Consulting. „Die Folge: Wir werden über alle Fahrzeughersteller und Zulieferer hinweg niedrigere Margen sehen. Die nächsten Jahre werden daher enorm herausfordernd.“

Denn zusätzlich zu dem Konjunktureinbruch müssen die Autohersteller den milliardenschweren Antriebswechsel stemmen. Die Klimavorgaben in der EU und in China zwingen die Konzerne zu einer raschen Einführung des Stromautos. Allein der VW-Konzern will in den kommenden fünf Jahren 30 Milliarden Euro in die Einführung der Elektromobilität stecken.

Der Strukturwandel zieht einen kompletten Umbau der Produktionsstruktur und der Wertschöpfung nach sich. Bei Volkswagen in Deutschland fallen in den kommenden Jahren 2. 000 Jobs im konventionellen Autobau weg, im Gegenzug werden 9000 Stellen in den Bereichen Software und Digitalisierung geschaffen. Volkswagen hat ebenso wie Daimler eine Beschäftigungsgarantie bis 2029 ausgesprochen, der Stellenabbau soll sozial verträglich erfolgen. Für die Beschäftigten der meisten Zulieferer gelten diese großzügigen Zusagen nicht.

Ihnen bleibt die Hoffnung, dass der Industrie in den kommenden Monaten eine sanfte Landung gelingt. Doch der weitere Verlauf wird auch von politischen Akteuren bestimmt. Sollte US-Präsident Donald Trump den Handelskonflikt mit der EU und China erneut verschärfen, dann wäre die exportstarke deutsche Autoindustrie massiv betroffen. Auch der drohende harte Brexit Ende Oktober könnte der Industrie einen schweren Schlag versetzen. US-Zölle und Brexit gemeinsam würden aus dem scharfen Wind einen perfekten Sturm machen.


China: Wachstumsprognose negativ

Auf 12,3 Millionen Fahrzeuge schrumpften im ersten Halbjahr die Verkaufszahlen in China, dem größten Autoabsatzmarkt der Welt. Das meldet der chinesische Verband der Autohersteller, CAAM. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum war das ein Minus von 12,4 Prozent. Volkswagen verzeichnete mit 1,43 Millionen verkauften Fahrzeugen zwar ein Minus von 3,6 Prozent in den ersten sechs Monaten, kam aber im Vergleich zum US-Konkurrenten Ford, der im zweiten Quartal 22 Prozent weniger Autos vertrieb, glimpflich davon.

Nur im Juni fielen die Zahlen nicht ganz so negativ aus: Denn viele Autohändler versuchten, durch Rabattaktionen vor dem 1. Juli ihre Bestände zu räumen, um den neuen, schärferen Abgasnormen zuvorzukommen. Das Erreichen dieser Emissionsstandards hatte Peking erst für 2020 angesetzt, aber Großstädte und Provinzen mit hohen Autoabsätzen aufgefordert, die Richtlinien schon vorher umzusetzen. Neben Peking und Schanghai folgten 15 Provinzen diesem Aufruf, die mehr als 60 Prozent des chinesischen Gesamtmarktes ausmachen.

Aufgrund der Halbjahresergebnisse sind inzwischen die Prognosen vieler Verbände und Beobachter pessimistisch. CAAM korrigierte gerade seine Vorhersage nach unten: Statt von einem Nullwachstum geht Chinas größter Verband der Autoindustrie nun von einem Negativwachstum für das Gesamtjahr 2019 aus.

Analysten der Marktforschungsfirma LMC rechnen mit einem Absatzminus von fünf Prozent, die japanische Bank Nomura prognostiziert sogar minus 6,9 Prozent. Laut Bloomberg Intelligence ist der Handelskonflikt zwischen China und den USA Grund für die Negativprognose.

Deshalb forderte CAAM „sobald wie möglich“ neue Richtlinien, um den Umsatz zu steigern und den Konsum anzukurbeln. Ein Lichtblick ist derzeit einzig der Verkauf von sogenannten NEVs, wie in China Fahrzeuge mit alternativen Antrieben bezeichnet werden. Rund 617.000 solcher Autos wurden im ersten Halbjahr 2019 verkauft – davon allein im Juni 152 000. Das waren über 80 Prozent mehr als im Vorjahr.


Trump und Brexit belasten die Branche

Der Schock war groß. Als im September 2018 China Strafzölle für Autoimporte aus den USA verhängte, waren die Bilanzen der deutschen Autoindustrie gleich aus dem Lot. Erst kassierte Daimler, dann BMW die Gewinnprognose. Allein die Münchener mussten fast 300 Millionen Euro Belastungen verbuchen.

Das Beispiel zeigt: Der von Donald Trump provozierte Handelskonflikt mit China und der EU ist Gift für das hochglobalisierte Geschäftsmodell der deutschen Autoindustrie. Vor allem die Premiumhersteller leben davon, ihre Modelle weltweit zu bauen und zu exportieren.

So werden die meisten BMW-Geländewagen nicht etwa in Bayern, sondern im US-Werk Spartanburg in South Carolina gebaut und von dort nach Europa und nach China exportiert. 25-prozentige Strafzölle auf diese Autos sind selbst den solventesten Kunden zu viel.

Nun hat China die Zölle seit Januar wieder ausgesetzt, doch gelöst ist der Konflikt damit keineswegs. Trump seinerseits droht nun den Europäern mit Strafzöllen, und wieder hätte die deutsche Autoindustrie ein dickes Problem. Neben Mercedes und BMW wären vor allem Porsche und Audi betroffen, die in den USA bislang überhaupt nicht produzieren.

Trump hat Mitte Mai die Entscheidung über die Zölle zwar um sechs Monate verschoben. Die Ungewissheit über den Ausgang der Handelsstreitigkeiten lähmt aber das Vertrauen der Verbraucher, der Anleger und die Investitionsentscheidungen der Unternehmen.

Das gilt auch für das Szenario eines harten Brexits, der in diesem Herbst wahrscheinlich wird. Trotz aller Notfallpläne sind die Folgen kaum zu kalkulieren. Großbritannien ist für die deutsche Autoindustrie und ihre Zulieferer nicht nur ein lukrativer Absatzmarkt in Europa.

Mit Mini, Rolls-Royce und Bentley unterhalten BMW und Volkswagen wichtige Marken und Produktionsstätten auf der Insel. Ein Austritt aus der EU ohne ein Abkommen über den Anschluss an den Binnenmarkt würde diese Investitionen massiv gefährden.


Tanz auf vier Hochzeiten

Der Motor war immer Domäne der Hersteller. Immer war klar, wer Koch und wer Kellner war. Die Einspritztechnik kam von Bosch oder Conti, Kolben von Mahle, die Getriebe von ZF. Und der Antriebsstrang war immer fest in den Händen von Mercedes, BMW und VW. Mit der Elektromobilität ändert sich das. Bosch, ZF, Mahle – alle bieten künftig integrierte Elektroachsen an.

Mercedes stattet seine ersten Elektroautos mit dem kompletten Antriebsstrang von ZF aus. BMW verlässt sich bei seiner nächsten Hybridgeneration ganz auf ZF. Bosch hat Dutzende Aufträge in der Elektromobilität. Was klingt wie ein Konjunkturprogramm für die großen Zulieferer, hat seine Tücken.

Denn selbst wenn die Milliardenaufträge bereits im Haus sind: Bis aus ihnen richtig Umsatz wird, werden noch zwei, drei Jahre ins Land gehen. Bricht aber jetzt die Autokonjunktur ein, wird das auch die Autozulieferer hart treffen. So haben Fortschritte im Verbrennungsmotor beispielsweise Bosch jahrzehntelang kontinuierlich ernährt. Mit dem Elektromotor, der nur ein Viertel der Arbeitskräfte benötigt, ist das anders: Da gibt es nicht viel zu gewinnen.

Es geht bei der Produktion mehr um Masse statt Klasse. Das spricht für die Zulieferer, aber nicht unbedingt für eine Produktion in Deutschland. Das Problem der Hersteller verlagert sich direkt auf die Zulieferer. Verbrenner werden weitergebaut, Hybridmotoren können den Übergang in die elektrische Zeit in den kommenden zehn, 15 Jahren abfedern.

Elektroautos kommen zunächst für den Stadt- und Pendelverkehr. Und langfristig setzt etwa Bosch auf die Brennstoffzelle – praktisch ein Elektroauto, das mit Wasserstoff betankt seinen Strom an Bord produziert. Es ist ein Tanz auf den vier Hochzeiten Verbrenner, Hybrid, Elektro und Brennstoffzelle, der die Budgets der Hersteller in der Entwicklung und Produktion genauso stresst wie die Zulieferer. Zur Transformation kommt der Konjunkturabschwung erschwerend hinzu. Die Industrie steht vor einem Crashtest – und der beginnt jetzt.


Apple und Microsoft sollen aus dem Auto

Wer bei Volkswagen in Wolfsburg am Band steht, kann von solchen Arbeitsbedingungen nur träumen: Müslibecher stehen an der Wand, ein Mitarbeiter hat es sich auf einem Fatboy gemütlich gemacht. Das großzügig umgebaute Lagerhaus am Berliner Spreeufer steht für die neue Welt eines Automobilherstellers.

Im Digital-Lab des VW-Konzerns sind Software-Entwickler untergebracht, die ihren Anteil dazu beitragen sollen, aus einem klassischen Autohersteller ein IT-Unternehmen zu machen. Die Digital-Labs von Volkswagen, von denen es inzwischen weltweit insgesamt sieben gibt, stehen für diesen Wandel der Automobilindustrie. „Die Digitalisierung ist nach der Elektromobilität unsere zweite große Herausforderung“, sagt Stefan Sommer, im VW-Vorstand verantwortlich für den Einkauf.

Die Fahrzeughersteller sind von der Furcht getrieben, dass sie die Hoheit über ihr ureigenstes Produkt verlieren, nämlich das Auto. Software, Prozessoren, Minicomputer und Steuergeräte werden immer bedeutsamer in jedem Fahrzeug. Doch meist wurden bislang Zulieferer eingeschaltet, wenn die Software zu kompliziert wurde.

Deshalb war es ein Leichtes für Apple, Google, Microsoft & Co., wichtige Plätze im Auto zu besetzen. Beispiel Navigation: Vieles, was die Fahrzeughersteller auf diesem Feld heute zu bieten haben, hinkt im Vergleich zu den Angeboten der klassischen IT-Konzerne hinterher.

Das Kartenmaterial ist alt, Aktualisierungen sind kaum möglich. Die Bedienung der Navigationssysteme ist schwierig, zu kompliziert und manchmal unverständlich. Wer nicht in der Sackgasse oder im Stau enden will, der verlässt sich lieber auf sein Smartphone.

An diesem Punkt wollen die Autohersteller jetzt ansetzen. Der VW-Konzern beispielsweise hat sich zum Ziel gesetzt, dass etwa 60 Prozent der fahrzeugbezogenen Software künftig im eigenen Unternehmen geschrieben werden sollen. Niemand spricht es in Wolfsburg offen aus, aber am Ende geht es darum: Apple und Microsoft sollen aus den Autos wieder herausgedrängt werden.

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