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Die Autohersteller forcieren den Wandel – doch die Kunden sind konservativ

Nicht nur Tesla-Anleger setzen auf den schnellen Wandel der Autowelt. Doch der Kunde ist zurückhaltender als angenommen, zeigt eine Untersuchung.

Mit dem ID.3 will Volkswagen den Rückstand bei der Elektromobilität aufholen. Foto: dpa
Mit dem ID.3 will Volkswagen den Rückstand bei der Elektromobilität aufholen. Foto: dpa

Für VW-Konzernchef Herbert Diess scheint die Sache klar. In einer vielbeachteten Rede vor seinen Führungskräften entwarf der mächtige Automanager vor einigen Wochen seine Vision der neuen Autowelt: „Wir verbringen im Automobil der Zukunft mehr Zeit als heute, vielleicht zwei Stunden statt einer“, so der VW-Chef.

Das Auto werde anstelle des Smartphones zum wichtigste „Mobile Device“. „Im Auto werden wir kontinuierlich online sein, weit mehr Daten abliefern als Smartphones, aber auch mehr Informationen, Dienste, Sicherheit und Komfort aus dem Internet bekommen.“

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Die Branche erwartet, dass sich der Markt rasant verändern wird. Auch deswegen jagt der US-Elektroautobauer Tesla an der Börse immer neue Rekorde. Offen ist allerdings, ob der Kunde das genauso sieht.

In einer Umfrage, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, haben die Unternehmensberater von McKinsey 7000 Kunden weltweit befragt. Die Ergebnisse dürften die traditionellen Hersteller aufhorchen lassen. Während die Branche über die Disruption diskutiert, sind die meisten Kunden in den angestammten Automärkten eher konservativ.

Vier Trends sollen die Autowelt in den kommenden Jahrzehnten prägen, so die Erwartung der Branchengrößen: Autos sollen autonom fahren, elektrisch angetrieben werden, sie sollen mit ihrer Umwelt kommunizieren und auch geteilt werden. Damit verändert sich nicht nur das Geschäftsmodell der Autohersteller, sondern auch die Art und Weise, wie Autos genutzt werden.

Doch laut der Umfrage von McKinsey ist nur jeder dritte Autokunde bereit, die Automarke zu wechseln, um bessere vernetzte Dienste zu nutzen. In Deutschland ist der Anteil mit 18 Prozent sogar noch deutlich niedriger. Allein in China und Indien ist das vernetzte Auto ein echtes Kaufargument.

Auch beim Teilen sind die Kunden zurückhaltend: 70 Prozent aller deutschen Kunden und 76 Prozent aller Amerikaner möchten ihr eigenes Auto behalten – und nicht teilen. Der Markt wächst – allerdings ist bei den Sharing-Angeboten mittlerweile weltweit Ernüchterung eingetreten. Der Dienst Share Now von Daimler und BMW zog sich zuletzt aus den USA zurück, auch VW will weniger in die Mobilitätsmarke Moia investieren.

Beim Elektroauto sind die Kunden zwar aufgeschlossener, aber mehr zahlen wollen sie nicht. Ganze 85 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Elektroautos am Ende gut für die Umwelt sind. Doch 68 Prozent sind nicht bereit, für ein Elektroauto mehr Geld auszugeben als für einen Verbrenner. 16 Prozent sind gar nicht interessiert an Elektroautos.

„Gerade in Deutschland ist die Reichweiten-Angst deutlich stärker ausgeprägt als in anderen Weltregionen“, sagt McKinsey-Partner Matthias Kässer. Immerhin jeder dritte Deutsche gibt in der McKinsey-Umfrage zwar an, den Kauf eines Elektroautos ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Doch einen konkreten Plan haben nur fünf Prozent der Befragten. Ähnlich sehen die Zahlen in den USA und Japan aus.

Nur neun Prozent der befragten deutschen Kunden würden einen Preisaufschlag von 15 Prozent oder mehr akzeptieren, der angesichts der höheren Herstellungskosten realistisch ist. Für die Hersteller, die in den kommenden Jahren massiv Elektroautos in den Markt bringen müssen, um die regulatorischen Vorgaben in der Europäischen Union zu erfüllen, ist das keine gute Nachricht. Der Preisdruck durch die Elektromobilität steigt. „Die Autohersteller müssen ihre Kunden von den Vorzügen eines Elektroautos überzeugen“, sagt McKinsey-Berater Thibaut Müller, einer der Autoren der Studie.

Vertrauen in die klassischen Hersteller ist groß

Doch es gibt auch gute Nachrichten für die klassischen Autohersteller. Gerade bei den Zukunftstechnologien, dem vernetzten und autonomen Fahren, ist das Vertrauen in die etablierten Autobauer deutlich höher als in die Tech-Konzerne. Zwei Drittel aller Befragten trauen den etablierten Marken zu, sichere selbstfahrende Autos auf die Straße zu bringen. Bei den Tech-Herausforderern liegt dieser Wert gerade einmal bei zehn Prozent. „In den angestammten Märkten genießen die etablierten Hersteller einen Vertrauensvorschuss – auch bei Zukunftstechnologien“, sagt McKinsey-Partner Kässer.

In Deutschland würden rund 43 Prozent ein selbstfahrendes Auto lieber von einem etablierten Hersteller kaufen. Nur jeder Vierte würde auf eine neue Tech-Marke vertrauen, die sich auf selbstfahrende Autos spezialisiert hat. Die Japaner sind sogar noch markentreuer. Dort würden sich 80 Prozent für ein Auto eines etablierten Herstellers entscheiden.

Der technologische Vorsprung von Google und Tesla schlägt sich offenbar noch nicht im Vertrauen der Kunden nieder. Ein Umstand, der den klassischen Herstellern zumindest ein wenig Luft gibt, um den Rückstand aufzuholen. „Die etablierten Hersteller können sich aktuell noch auf die Strahlkraft ihrer Marken verlassen“, sagt McKinsey-Berater Müller.

Doch ein Grund zur Entwarnung ist die Kundenzurückhaltung in den traditionellen Automärkten nicht. Chinesische und indische Kunden sind in der McKinsey-Umfrage nicht nur aufgeschlossener gegenüber neuen Technologien, sondern auch stärker bereit, bei einem besseren Angebot auch die Marke zu wechseln.

Erreichen neue Technologien, über die bislang noch abstrakt gesprochen wird, die Marktreife, könnten am Ende auch die Kunden in den USA und Europa überzeugt werden – und die derzeitige Zurückhaltung nachlassen.