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Autoforscher: „Tesla ist allen anderen mindestens drei Jahre voraus“

VW hat beim E-Auto Fehler gemacht, kann Tesla aber noch einholen, vermutet Autoprofessor Stefan Bratzel. Konzernchef Herbert Diess rät er zu mehr Bedächtigkeit.

Der Hochschullehrer ist einer der renommiertesten Automobilforscher Deutschlands. Foto: dpa
Der Hochschullehrer ist einer der renommiertesten Automobilforscher Deutschlands. Foto: dpa

VW ist aus strategischer Sicht auf dem richtigen Weg. Doch Tesla ist drei Jahre voraus. Der US-Hersteller sei „die Benchmark für die gesamte Automobilbranche“, sagt Stefan Bratzel, Professor am Center of Automotive Management (CAM) der Fachhochschule Bergisch Gladbach, im Interview mit dem Handelsblatt.

Wegen der häufigen Softwareprobleme rät der Autoforscher dem Konzern aus Wolfsburg: „VW muss einige ursprünglich geplante Software-Funktionalitäten aus den Autos nehmen, um das Ganze beherrschbar zu machen.“

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Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Bratzel, VW sorgt gerade wieder für negative Schlagzeilen. Wo sehen Sie den Konzern?
Volkswagen kommt einerseits aus dem tiefen Tal des Abgasskandals. Zum anderen war der Konzern immer stark auf Verbrennungsmotoren ausgerichtet. Darauf aufbauend hat im Unternehmen eine große Transformation begonnen. Dass solch ein Umbau nicht immer ganz einfach ist, zeigen die aktuellen Probleme.

Wo steht Volkswagen beim Elektroantrieb?
Tesla ist die Benchmark für die gesamte Automobilbranche. Der US-Hersteller ist allen anderen Unternehmen mindestens um drei Jahre voraus. Das lässt sich an verschiedenen Kennzahlen ablesen, etwa an Reichweite, Verbrauch und Kosten. Positiv würde ich für Volkswagen sagen: Wolfsburg hat erkannt, dass Tesla das Maß aller Dinge ist. Mit dem Elektrobaukasten MEB besitzt VW zudem die Chance, das Elektroauto zu einem echten Massenprodukt zu machen.

Und wie sieht es bei der Software aus?
Auch auf diesem Feld hat Volkswagen erkannt, dass viel mehr passieren muss. Deshalb will der Konzern den eigenen Wertschöpfungsanteil bei der Software von aktuell zehn auf 60 Prozent erhöhen. Volkswagen wird diesen Wandel in kurzer Zeit nicht schaffen können. Durch organisatorische Umbauten hat Konzernchef Diess immerhin die ersten Etappen dieses Veränderungsprozesses eingeleitet.

Trotzdem ist in Wolfsburg einiges schiefgelaufen.
Ein Grund scheint zu sein, dass man sich vielleicht zu viel in kurzer Zeit vorgenommen hat. Die Fehlerquote geht eher hoch als herunter. Die aktuellen Fälle zeigen, dass man die eigene Organisation nicht überfordern sollte. Schon vor einem Jahr waren die Softwareprobleme ein Thema in Wolfsburg. Deshalb überrascht es mich nicht, dass der Betriebsrat unruhig geworden ist und jetzt Alarm schlägt.

Gibt es denn ein Rezept, die aktuellen Probleme in den Griff zu bekommen?
Da helfen nur Geduld und eine gehörige Portion Pragmatismus. Ich würde davon ausgehen, dass Volkswagen zwischen drei und fünf Jahre brauchen wird, um zu einem Autohersteller mit ausreichend Software-Kompetenz zu werden. Pragmatismus bedeutet, dass man sich mit weniger zufriedengeben muss. VW muss also einige ursprünglich geplante Software-Funktionalitäten aus den Autos nehmen, um das Ganze beherrschbar zu machen.

Könnte Volkswagen nicht einfach mehr Software-Ingenieure einstellen?
Das wird leider nicht ausreichen. Das gesamte Unternehmen Volkswagen muss das Thema Software neu lernen, da sind zusätzliche Mitarbeiter zu wenig. Die Strukturen müssen stimmen, das zeigt wieder das Beispiel Tesla. Dort werden die Autos komplett um das Thema Software herum entwickelt und konzipiert. Einen solchen neuen Produktentstehungsprozess muss es also auch bei Volkswagen geben.

Wo steht Volkswagen im Vergleich mit Daimler und BMW?
Der VW-Konzern ist den anderen bei der reinen Elektromobilität durch den MEB-Elektrobaukasten voraus – wenngleich noch der Beweis fehlt, dass die Qualität wirklich gut ist. Bei digitalen Themen wie etwa der Konnektivität der Fahrzeuge liegen die beiden süddeutschen Hersteller vor Volkswagen, das gilt besonders für BMW.

Die Abstände sind allerdings nicht besonders groß, Volkswagen könnte also noch aufholen. Alle drei deutschen Hersteller bewegen sich grundsätzlich in die richtige Richtung. Es gibt nur überall Probleme mit der praktischen Umsetzung.

Welche Rolle spielt dabei nun Herbert Diess bei VW?
Er hat sich massiv für den Wandel hin zum Elektroanbieter eingesetzt. Das ist sein Verdienst, keine Frage. Das zeigen auch seine vielen öffentlichen Auftritte, mit denen er einem breiten Publikum die Veränderungen in der Automobilindustrie erklärt. Ihm ist klar, dass wir in einer anderen Zeit leben, die einen Bewusstseinswandel erforderlich macht.

Trotzdem wird darüber gesprochen, dass Diess schon auf absehbare Zeit den Chefposten in Wolfsburg verlieren könnte.
Er muss aufpassen, dass er seine Verdienste beim Umbau des Konzerns nicht selbst mit einem überzogenen Tempo zerstört. Denn der Wandel muss auch innerhalb des eigenen Unternehmens kommuniziert und verstanden werden. Ein Manager wie Herbert Diess braucht intern seine Fürsprecher, damit ein solcher Wandel nicht in einer Blockade endet.

Wird sich Diess behaupten können?
Ich würde es ihm wünschen, dass er es schafft. Noch hat er die Rückendeckung wichtiger Anteilseigner wie der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch. Doch die Rückendeckung bröckelt. Vieles wird davon abhängen, ob das neue Elektroauto ID.3 in den nächsten Monaten zu einem Erfolg wird und ob Herbert Diess die gemachten Versprechen erfüllen kann.

Welche Rolle spielt der Betriebsrat?
Für eine umfassende Transformation braucht jedes Management auch die Belegschaft. Herbert Diess ist also auf die Einigkeit mit der Arbeitnehmerseite angewiesen. Er muss den Betriebsrat wieder auf seine Seite bekommen.

Herr Bratzel, vielen Dank für das Interview.