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Pakt gegen Autozölle – Ein unwiderstehliches Angebot

Bei einem Geheimtreffen zeigt der US-Botschafter den Chefs von Daimler, VW und BMW einen überraschenden Ausweg auf: USA und EU könnten komplett auf Autozölle verzichten.

Der neue US-Botschafter rief, und alle kamen: Daimler-Chef Dieter Zetsche, BMW-Vorstandschef Harald Krüger, VW-Chef Herbert Diess. Das Angebot, das Richard Grenell bei einem Geheimtreffen am Mittwoch in der amerikanischen Botschaft in Berlin unterbreitete, gefiel den Autobossen: Er sei von Washington beauftragt, eine Lösung mit Berlin und Brüssel im Streit über die Autozölle zu suchen, teilte Grenell den Managern mit.

Washington sei bereit zu einer Null-Lösung – also dass Europa wie die USA komplett auf Autozölle verzichteten –, soll Grenell nach Informationen des Handelsblatts aus Teilnehmerkreisen erklärt haben. Eine Einigung in dieser zentralen Frage wäre nach WTO-Regeln indes nur in Verbindung mit einem breiteren Industriezollabkommen zwischen Europa und den USA möglich. Da stellt sich Frankreich noch quer.

Kehrtwende im Handelsstreit

Die Offerte ist dennoch eine Kehrtwende im Handelsstreit zwischen Europa und den USA. Nach den bereits geltenden Zöllen auf Stahl und Aluminium hatte US-Präsident Donald Trump der EU mit weiteren Maßnahmen gegen Autos und Autoteile gedroht. Leidtragende wären vor allem deutsche Hersteller. Grenell soll in dem Gespräch, zu dem auch mehrere Chefs großer Autozulieferer kamen, von einem „Momentum“ gesprochen haben, das es zu nutzen gelte.

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Die Zeit läuft den Autobossen davon. Trump will ein Gutachten seines Handelsministers Wilbur Ross über die Auswirkungen der Autozölle abwarten, das Ende Juli fertig sein soll. Danach könnte es schnell ernst werden, fürchtet die Bundesregierung.

Die Sorge treibt auch die Automobilindustrie um. Auf fünf Seiten ließ der Autokonzern BMW den US-Handelsminister zuletzt wissen, was man alles schon für das Wohlergehen des Landes getan habe. Neun Milliarden Dollar habe man seit 1994 in South Carolina investiert, das einst bettelarme Örtchen Spartanburg ist heute Standort der größten BMW-Fabrik der Welt.

450.000 Autos werden hier demnächst pro Jahr gebaut, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Denn 70 Prozent der Produktion gehen in den Export – die Masse nach Europa und nach China. „BMW ist der einzige Autohersteller, der in den USA mehr Autos baut als verkauft“, heißt es in dem Schreiben, das dem Handelsblatt vorliegt. Es müsse doch auch im Interesse der US-Regierung liegen, diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben.

Das Anliegen der Münchener: Statt, wie von US-Präsident Trump angedroht, sich gegenseitig mit neuen Zöllen zu überziehen, sollten sich doch alle Seiten dafür einsetzen, die bestehenden Handelshemmnisse abzubauen. Das gelte besonders für den zehnprozentigen Einfuhrzoll für Autos in die EU und die 2,5 prozentige Abgabe auf US-Seite.

Profitieren würden davon alle: Sowohl die deutsche Autoindustrie als auch die US-Hersteller könnten pro Jahr eine Milliarde Dollar sparen, rechnet BMW vor. Geld, das man besser in den Ausbau der Produktion stecken könne. Ein Vorschlag, den in ähnlicher Weise auch Daimler und VW an die Adresse der US-Regierung schickten.

US-Reaktion sorgt für Staunen

Kaum eine Woche nachdem das Schreiben auf den Schreibtischen der US-Regierung landete, folgte die Reaktion von Richard Grenell. Kurzfristig angereist, staunten Daimler-Chef Zetsche, BMW-Chef Krüger, VW-Boss Diess und Elmar Degenhart von Continental darüber, was Grenell ihnen unterbreitete.

Die US-Regierung schlägt den Abbau der Autozölle zwischen der EU und den USA vor und will auch die lästigen „nichttarifären“ Handelshemmnisse wie Vorgaben für die Größe von Rückspiegeln beseitigen. Im Gegenzug sollen sich die deutschen Autobauer zu weiteren Investitionen in den USA verpflichten und den Export aus den USA weiter fördern.

Das Kanzleramt und die Bundesregierung waren über das Angebot informiert. Eine Offerte, von der die Chefs der deutschen Autoindustrie noch vor Wochen nicht einmal zu träumen wagten.

Eine Einigung in der Frage der Autozölle, so heißt es in Branchenkreisen, solle im Rahmen eines breiteren Industriezollabkommens zwischen EU und USA vereinbart werden. Ein solches Abkommen, das viel mehr Industriegüter als Autos umfassen würde, war bislang die Bedingung der EU-Seite, sich auf die Abschaffung der Autozölle einzulassen. Der Grund: Ohne ein solches Abkommen müsste die EU den Autozoll auch für alle anderen WTO-Mitglieder senken – was zu erheblich steigenden Einfuhren etwa aus Japan und China führen dürfte.

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten Trump bereits Mitte Mai offiziell Verhandlungen über ein solches Industriezollabkommen angeboten, unter der Bedingung, dass dieser die Europäer von den Schutzzöllen auf Stahl und Aluminium dauerhaft ausnimmt. Darauf ließ sich der US-Präsident aber nicht ein. Er setzte die Zölle stattdessen am 1. Juni in Kraft. Seither sind die Gespräche zwischen Brüssel und Washington zum Erliegen gekommen.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker reist nun Ende des Monats in die USA, um sich mit Trump zu treffen. Innerhalb der Brüsseler Behörde und mit den Mitgliedstaaten wird nun intensiv diskutiert, welche Strategie Juncker dort verfolgen sollte. Angesichts der verfahrenen Lage müsse man „kreativ“ sein, heißt es in EU-Kreisen.

Breites Industriezollabkommen oder regionale Vereinbarungen?

Eine der Optionen, die neben einem Industriezollabkommen derzeit durchgespielt werden, ist eine Vereinbarung zwischen den wichtigsten Autoländern. Diese könnten sich im Rahmen eines plurilateralen Abkommens – also mit wenigen teilnehmenden Parteien – darauf einigen, ihre Autozölle abzuschaffen. Teilnehmen könnten neben den USA und der EU noch Japan und Südkorea. Aber auch China müsste wohl mitmachen, damit solch ein Abkommen aus EU-Sicht Sinn ergibt.

In Berliner Regierungskreisen heißt es bereits, Juncker wolle Trump ein solches Abkommen zu Autozöllen vorschlagen und habe die Idee der Bundesregierung zur Prüfung vorgelegt. In EU-Kreisen wird dieser Darstellung aber widersprochen – ein Abkommen mit wenigen Staaten sei nicht der favorisierte Weg. Ein Sprecher der Kommission lehnte eine Stellungnahme ab: „Wir werden sicherlich nicht vor dem Besuch darüber sprechen, was dabei diskutiert werden könnte“, sagte er.

Solche Abkommen zwischen mehreren Parteien sind innerhalb der WTO-Regeln möglich, allerdings nicht leicht zu erreichen. Entweder müssten die 164 WTO-Mitglieder einstimmig ihren Segen geben, dass die vereinbarten Zollsenkungen nur für die am Abkommen beteiligten Länder gelten. Oder die niedrigeren Zölle müssten wiederum für alle WTO-Länder gelten. Für China etwa wäre das ein starker Anreiz, sich einer Absprache zu verweigern und trotzdem in den Genuss der Einfuhrvergünstigungen zu kommen.

In Brüssel und den europäischen Hauptstädten herrschen daher Zweifel, ob eine solche Übereinkunft wirklich erreichbar ist. Hinzu kommen Zweifel, ob sich Trump auf solch ein Abkommen einlassen würde. Bisher hatte der US-Präsident wenig Interesse gezeigt an Vereinbarungen mit mehreren Staaten und auf bilaterale Verhandlungen gesetzt, da er sich dort in einer stärkeren Position sieht.

Allerdings sandte er auch wohlwollendere Signale. Beim G7-Gipfel in Kanada zeigte er sich offen für ein Abkommen zwischen den großen Industriestaaten, um die Autozölle für alle zu senken. Und so schaffte es auch eine entsprechende Absichtserklärung in das G7-Kommuniqué: „Wir sind bestrebt, Zollschranken, nichttarifäre Handelshemmnisse und Subventionen abzubauen“, heißt es dort. Im Nachhinein zog Trump seine Zustimmung jedoch wieder zurück.

Unterschiedliche Interessen in der EU

Noch ist offen, ob Juncker Trump ein solches plurilaterales Abkommen oder andere Alternativen wie ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden Handelsblöcken vorschlagen wird. Die Interessen innerhalb der EU sind durchaus unterschiedlich. Die Bundesregierung will die Autozölle unbedingt verhindern, da sie besonders die deutschen Hersteller und deren Lieferanten treffen würden. Deshalb wirbt sie auch dafür, Trump einen Deal wie etwa ein plurilaterales Abkommen anzubieten. „Es lohnt sich alle Mühe, diesen Konflikt, damit er nicht zu einem wirklichen Krieg wird, zu versuchen zu entschärfen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag. „Aber dazu gehören natürlich zwei Seiten.“

Der französische Präsident Emmanuel Macron plädiert hingegen für eine unnachgiebige Haltung. Nachdem schon beim Pariser Klimaabkommen, dem Iran-Deal und den Stahlzöllen alle Überzeugungsversuche der Europäer gescheitert sind, sieht die französische Regierung keinen Grund, nun mit den USA ein Abkommen zu schließen. Hinzu kommt, dass ein Handelsabkommen zumindest teilweise auch Agrarprodukte umfassen würde, auf die es Trump ebenfalls abgesehen hat. Ein Abbau der Handelsschranken würde aber in Frankreich die mächtige Bauernlobby auf den Plan rufen.

Macron argumentiert zudem, dass Trump nur eine Sprache der Stärke versteht. Auch in der Kommission gibt es erhebliche Zweifel, ob sich Trump durch Zugeständnisse der Europäer von seinem Kollisionskurs abbringen lässt.

Die Reaktion auf die Autozölle könnte also ähnlich ausfallen wie schon der Dreiklang bei den Zöllen auf Stahl und Aluminiumprodukte: eine Klage vor der WTO, Schutzmaßnahmen für die eigene Industrie und eine Vergeltung in Form eigener Zölle. Die Brüsseler Behörde bereitet bereits Gegenmaßnahmen vor, um Trumps Autozöllen notfalls mit eigenen Zollerhöhungen auf US-Produkte kontern zu können.

Die Bedeutung einer schnellen Lösung bei den Autozöllen sieht auch Angela Merkel. In ihrer Rede am Mittwoch im Bundestag sagte sie, dass sich alle Mühe lohne, diesen Konflikt zu entschärfen, damit er nicht zu einem wirklichen Krieg werde.