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Ausverkauf bei Bombardier – Zerlegt sich Kanadas Industrie-Ikone selbst?

Airbus übernimmt den Regionaljet A220 komplett, Alstom wird wohl für die Bahntechnik des kanadischen Konzerns bieten. Fraglich ist, wie dessen Zukunft aussieht.

Bombardierchef Allain Bellemare und sein Führungsteam hatten am Donnerstag alle Mühe, ihre Strategie für den Technologiekonzern zu erklären. Auf Fragen von Analysten, ob der Verkauf der C-Serie an Airbus und möglicherweise der gesamten Bahntechniksparte an Alstom nicht eher nach einer „Assetliquidation als nach einem Turnaround“ aussehe, suchte das Top-Management sein Heil in Worthülsen. Von „strategischen Optionen“ war die Rede, die der Airbus-Deal mit sich bringe. Bombardier werde seine Cashposition um 1,3 Milliarden US-Dollar verbessern, könne in Ruhe Optionen prüfen.

Die frischen Mittel sind bitter nötig. Der angeschlagene Konzern ist mit 9,3 Milliarden US-Dollar hoch verschuldet, im Geschäftsjahr 2019 wurden 1,2 Milliarden US-Dollar verbrannt. 2020 werde der Cashflow wieder ins Positive drehen, versprach die Konzernspitze. Doch aus den Unterlagen zur Bilanzpräsentation geht hervor, dass dieses Plus wohl nur marginal ausfallen wird.

Die einstige Industrie-Ikone ist eine einzige Dauerbaustelle, das Ziel des Managements nicht wirklich klar erkennbar. Was bleibt am Ende von Bombardier? Nur noch die Business-Jets?

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Am Donnerstagmorgen hatten Bombardier und Airbus bekannt gegeben, dass der europäische Flugzeugbauer und die Regierung von Quebec dem Unternehmen die restlichen Anteile an Airbus Canada Limited Partnership abkaufen. Das Unternehmen stellt das einst von Bombardier entwickelte Regionalflugzeug A220 her. Airbus stockt seinen Anteil von 50 auf 75 Prozent auf, Quebec hält die restlichen 25 Prozent. Der deutsch-französische Hersteller zahlt für die Transaktion bis zu 591 Millionen US-Dollar, umgerechnet rund 544 Millionen Euro.

„Diese Vereinbarung unterstützt unsere Bemühungen, unsere Kapitalstruktur zu stärken und vollendet unseren Abschied von der kommerziellen Luftfahrt“, sagte Bellemare. Die A220 wird in zwei Versionen gebaut und bietet Platz für 100 bis 150 Sitze. Sie schließt von unten an die erfolgreichste Familie von Airbus an: die A320.

Das ursprünglich C-Series genannte Flugzeug wurde von Bombardier allein entwickelt. Die Kanadier stellten eine Maschine mit einem bis dahin in dieser Klasse nicht gekannten Komfort auf die Räder. Sie verschätzten sich aber völlig bei den Kosten für Entwicklung und Produktion. Der Aufwand stürzte den kanadischen Konzern, der auch Eisenbahnen produziert, in eine schwere Krise.

„Die Entwicklung allein hat rund sechs Milliarden Euro verschlungen, für den Produktionsbeginn kann man noch einmal eine ähnliche Summe ansetzen“, sagt Björn Fehrm vom Beratungs- und Informationsdienstleister Leeham.

Kosten der Jet-Entwicklung unterschätzt

Ende 2017 stieg Airbus als Retter ein, erhielt die Mehrheit an der C-Series für einen symbolischen Dollar. Schulden wurden nicht übernommen. Jetzt zahlt Airbus einen überschaubaren Betrag für die komplette Übernahme. Selten dürfte ein Hersteller ein besseres Geschäft gemacht haben: Für einen Bruchteil der Kosten hat Airbus ein technisch und kommerziell erfolgreiches Flugzeugprogramm erworben.

Der deutsch-französische Hersteller trug nach dem Einstieg von Airbus den größeren Teil der Investitionen für das Hochfahren der Produktion in Mirabel (Kanada) und Mobile (USA). Im vergangenen Jahr wurden 48 A220 gebaut, bis Mitte des Jahrzehnts sollen monatlich zehn Exemplare im kanadischen Mirabel und vier in den USA aus den Hallen rollen.

Doch die Steigerung der Produktion wurde für das finanzschwache kanadische Unternehmen immer mehr zu einem Problem. Mit der Regierung von Quebec habe Airbus nun einen Partner, der dem weiteren Wachstum bei der A220 positiv gegenüber steht, weil das mehr Geschäft für die Luftfahrtindustrie in Quebec bedeute, ist Fehrm überzeugt. Die großen Gewinner des C-Series-Drama seien Airbus und Quebec.

Tatsächlich gibt es für die A220 Bedarf. Insgesamt liegen 658 Bestellungen für den Jet vor. Passend zur endgültigen Übernahme durch Airbus unterzeichnete die noch in Gründung befindliche junge Airline Green Africa Airways just am Donnerstag einen Vertrag für die Lieferung von 50 Jets vom Typ A220-300.

Nun, nachdem Bombardier den einstigen Hoffnungsträger A220 los geworden ist, müssen sich die Kanadier um die Sanierung ihres Eisenbahngeschäftes kümmern. Schon seit Jahren wird umstrukturiert und umgebaut, doch die Probleme sind geblieben. 2019 war Bombardier Transportation sogar mit verantwortlich für den Konzernverlust von 1,6 Milliarden Dollar.

Abschreibungen, Vertragsstrafen und andere Sonderbelastungen drückten das Ergebnis der in Berlin angesiedelten Transportation-Sparte fast auf null. Statt 774 Millionen US-Dollar im Jahr zuvor weist Bombardier Transportation jetzt nur noch magere 22 Millionen US-Dollar Gewinn (Ebit) aus.

Bellemare erwähnte bei der Bilanzpräsentation mit keinem Wort jüngste Informationen, wonach das Unternehmen bei der Suche nach einem Partner für die Bahntechnik fündig geworden sein könnte. Der französische Bahntechnikhersteller Alstom will nach Informationen aus Industriekreisen das gesamte Eisenbahngeschäft von Bombardier für sieben Milliarden Euro kaufen. Damit entstünde ein Eisenbahntechnikkonzern mit etwa 15 Milliarden Euro Umsatz. Alstom wollten sich dazu nicht äußern.

Starke Marktdominanz

Zuletzt hieß es, dass auch der japanische Zugbauer Hitachi an Bombardier interessiert sei. Bombardier führte vor Jahren zudem schon mal Gespräche mit Siemens. Die Münchener hatten aber abgewunken und wollten lieber mit Alstom fusionieren.

Diesen Plan untersagte vor einem Jahr allerdings die Wettbewerbskommission in Brüssel. Auch ein Zusammenschluss von Alstom und Bombardier dürfte von den Wettbewerbshütern kritisch eingeschätzt werden. Industrieberaterin Maria Leenen fände es überraschend, wenn „nach dem Veto der europäischen Wettbewerbskommission für Siemens/Alstom nun der Erwerb der umsatzstarken Bahnsparte von Bombardier durch Alstom als weniger kritisch erachtet“ würde.

Bei elektrischen Triebzügen für den Regionalverkehr sei die Position von Alstom/Bombardier mit 47 Prozent des europäischen Marktes deutlich größer als die von Siemens/Alstom mit nur 36 Prozent. Diese Elektrotriebzüge, die im Nah- und Regionalverkehr eingesetzt werden, machten allein schon mehr als 40 Prozent des gesamten Neugeschäfts in Europa aus. Das sei damit das mit Abstand stärkste Einzelsegment bei den Schienenfahrzeugen. Besonders kritisch, so Leenen, sei die Dominanz von Alstom und Bombardier in Frankreich mit 95 Prozent Marktanteil.

Dagegen waren Siemens und Alstom mit ihrem Fusionsplan wegen der Dominanz bei Hochgeschwindigkeitszügen und Signaltechnik gescheitert. Die Brüsseler Entscheidung ist bis heute umstritten. Denn der Zusammenschluss wurde unter anderem damit begründet, einen europäischen Gegenpol zum chinesischen Bahntechnikgiganten CRRC schaffen zu müssen.

Doch die imaginäre Gefahr aus dem fernen Osten reichte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager als Begründung nicht aus. Wie Vestager eine Kombination von Alstom und Bombardier beurteilen würde, bleibt also abzuwarten.