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Ausländische Studenten in Amerika: Nicht immer willkommen

Die Zahl der neu eingeschriebenen ausländischen Studenten in den USA geht immer weiter zurück. Sind Donald Trumps rassistische Parolen schuld? Nicht nur.

Es sollte ein einfacher Behördengang sein, bloß eine Formalie. Saleh* kannte die USA die USA kannten Saleh. Sie hatten den pakistanischen Jugendlichen im System, wie man so sagt. Im Alter von zwei bis sieben Jahren hatte er in New York gelebt, 2009 verbrachte er während seines Studiums ein Austauschjahr in Virginia, ein Teil seiner Familie lebte seit Jahren in den USA. Umso überraschter war Saleh an einem Nachmittag 2016, als man ihm in der amerikanischen Botschaft in Pakistan freundlich, aber bestimmt sagte: Ihr Antrag auf ein Studentenvisum wurde abgelehnt.

Keine Widerrede, Tschüss, der Nächste bitte.

Saleh hatte einen Plan, er wollte einen Magister in den USA absolvieren. Zwei Jahre Studium in Berkeley, Kalifornien, an einer der besten Hochschulen des Landes. Ein teures Unterfangen für ihn, ein lukratives Geschäft für die Uni.

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Ausländische Studenten sind für die USA ein Milliardengeschäft. Schon an einer staatlichen Universität wie Berkeley, wo die Kosten etwas geringer sind als an privaten Hochschulen wie Harvard oder Yale, gehen die jährlichen Studiengebühren für ein Master-Programm als ausländischer Student bei 15.000 Dollar los. Je nach Fachrichtung können sie auf bis zu 35.000 Dollar ansteigen. Die teuren Gebühren, Mieten, Lebenshaltungskosten – an so einem Visumsantrag hängen in Amerika eine ganze Reihe von Jobs. Das State Department hat ausgerechnet, dass ausländische Studierende 2018 in den USA 45 Milliarden Dollar in die Wirtschaft gepumpt haben.

Doch in den vergangenen vier Jahren ist die Zahl der neu eingeschriebenen ausländischen Studenten in den USA stetig gesunken. Im akademischen Jahr 2016/17 lag der Rückgang für Neuanmeldungen an amerikanischen Hochschulen bei minus 3,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 2017/18 gingen die Zahlen sogar um 6,6 Prozent zurück. Die Werte haben sich laut der „Open Door”-Studie des Institute of International Education (IIE) inzwischen zwar stabilisiert. Die Zahl der Neuanmeldungen fällt aber weiterhin.

Ein Grund dafür: Die US-Konsulate sind laut State Department dazu angehalten, Anträge abzulehnen, wenn die Beamten „nicht überzeugt sind, dass es die augenblickliche Absicht des Antragstellers ist, die Vereinigten Staaten nach Ende seines oder ihres Studiums wieder zu verlassen.“ Eine ähnliche Antwort bekam auch Saleh an jenem Tag in der US-Botschaft zu hören. „Sie sagten mir nach meinem Interview, dass ich nicht gut genug begründet hätte, warum ich anschließend wieder zurück nach Pakistan gehen würde“, erzählt er. Aber wie begründet man das? Die Welt ist globaler denn je, alles ist vernetzt, kaum jemand nimmt heute noch einen Job in seiner Heimatstadt an und bleibt dort bis zum Renteneintritt. Welcher junge, wissensdurstige Mensch weiß schon, wo er morgen, in ein paar Monaten, geschweige denn zwei Jahre nach einem Studium sein wird?

Saleh kannte die Antwort scheinbar noch nicht gut genug, sein Traum drohte zu platzen. Doch beim zweiten Versuch, kurze Zeit später, lief dann alles problemlos: Saleh bekam sein Studentenvisum, im Herbst 2016 flog er nach Amerika und fing an, in Berkeley zu studieren.

Die sinkende Zahl an neueingeschriebenen Studenten bemerkbar: Laut der Association of International Educators (NAFSA) haben die rückläufigen Neuanmeldungen die US-Wirtschaft in den vergangenen Jahren fast zwölf Milliarden Dollar und mehr als 65.000 Jobs gekostet. „Es gibt viele Faktoren, aber größtenteils haben die Politik und die Rhetorik der derzeitigen Regierung dazu beigetragen, dass die Zahlen sich in diese Richtung entwickelt“, urteilte Rachel Banks, NAFSA-Direktorin für öffentliche Angelegenheiten, vor einigen Wochen in einem Interview mit dem Sender CNN.

„Das „America First’-Mantra der aktuellen Regierung beschert internationalen Studenten jede Menge Sorgen und Ängste“, sagt auch Earl Johnson, der an der University of Tulsa in Oklahoma für Immatrikulationen zuständig ist. Die sinkenden Zahlen aus Übersee würden sich langsam in den Einnahmen der Universität, die im Süden der USA gelegen ist, bemerkbar machen. Wie Tulsa haben auch andere Unis inzwischen Büros in Ländern wie China eröffnet, um dort aktiv um internationale Studenten zu werben.

Natürlich gibt es auch Hochschulen, die gegen den Trend zulegen. Die Boston University ist eine von ihnen. 2018 kamen 8,8 Prozent mehr internationale Studenten an die Uni als im Vorjahr. „In den vergangenen zehn Jahren haben wir die Anzahl an internationalen Studenten auf unserem Campus mehr als verdoppelt“, berichtet Willis G. Wang. Der Vizepräsident für globale Studienprogramme an der Uni erzählt, wie wichtig er es für das Klima unter den Studenten hält, dass sich verschiedene Kulturen aus verschiedenen Ländern austauschen.

„Wir haben in Boston das Glück, dass wir uns in einem urbanen Zentrum befinden, in einer Großstadt mit vielen Universitäten und Hochschulen, guter Infrastruktur und jeder Menge Möglichkeiten, Berufserfahrung zu sammeln“, sagt Wang. „Es ist nicht vollkommen klar, aber womöglich achten die Studierenden noch mehr darauf, wo genau sie hinkommen. Da haben Orte in Amerika, die als einladender gelten, vielleicht bessere Chancen.“

Was er wohl damit sagen will, ohne es direkt auszusprechen: Die liberalen Regionen an der Ost- und Westküste stehen besser da; in Trump Country, wo sie mit ihren Stimmen bei der Wahl 2016 aus dem Immobilienunternehmer einen Präsidenten gemacht haben, sacken die Zahlen hingegen ab.

* Name von der Redaktion geändert


Witze über Sprengstoffwesten

Doch selbst in einem als progressiv geltenden Bundesstaat wie Kalifornien ist man nicht vor Diskriminierung und Rassismus gefeit, wie Salehs Erfahrungen zeigen. In Napa Valley, wo die Weine gut schmecken und die Ideenfabrik Silicon Valley nicht weit entfernt ist, war der pakistanische Student vor nicht allzu langer Zeit auf einer Hochzeit eingeladen. Im Laufe des Abends lernte er einen der Gäste kennen. Der hatte ein bisschen was getrunken, und so lehnte sich der Mann irgendwann vertrauensvoll hinüber und forderte Saleh auf, er müsse doch zugeben, dass die USA „ein Muslim-Problem“ hätten und dass nur Donald Trump diese Situation lösen könne.

Ein paar Autostunden weiter östlich, in Park City im Bundesstaat Utah, wo 2002 während der Olympischen Winterspiele 78 Nationen gegeneinander antraten, witzelten die Besitzer einer Ferienwohnung, die Saleh mit seiner Freundin mietete: Bestimmt trage er eine Sprengstoffweste unter der Jacke, damit er ihr Apartment in die Luft sprengen könne.

So mancher ausländische Student muss sich in den USA also nicht nur damit beschäftigen, wie er die hohen Studiengebühren bewältigt, sondern sich gleichzeitig die Frage stellen: Bin ich hier überhaupt willkommen?

Und wer die Hürden meistert, einen Studienplatz und ein entsprechendes Visum bekommt, sich in den zwei Jahren Studium ein Netzwerk aufbaut, Berufserfahrung sammelt und sich trotz gelegentlicher Diskriminierung in den USA dennoch im Großen und Ganzen wohlfühlt, sieht sich wie Saleh früher oder später mit der nächsten Entscheidung konfrontiert: Kann ich noch etwas länger bleiben, Erfahrung sammeln und von Chancen profitieren, die in einem Land wie Pakistan nicht selbstverständlich sind?

Als Student eines sogenannten STEM-Fachs (science, technology, engineering, mathematics) sieht das ganz gut aus. Hier darf man bis zu 24 Monate nach dem abgeschlossenen Studium Berufserfahrung in den USA sammeln. Für alle anderen Fächer läuft die Frist bereits nach zwölf Monaten ab. Dann heißt es: ausreisen. Es sei denn, man findet in der Zwischenzeit einen permanenten Job samt Firma, die sich bereit erklärt, das Visum für eine Arbeitserlaubnis zu sponsern.

Saleh, der seinen richtigen Namen nicht in der Presse wiederfinden möchte, weil Einwanderungsfragen ein heikles Thema sind, hat sich diesen Status erarbeitet. Sechs Monate nach seinem Studienabschluss in Berkeley hatte er ein Jobangebot in der Tasche, die Firma kümmerte sich um die Arbeitserlaubnis.

Also Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Denn es gibt da noch ein Problem.

Wenn Amerika die im eigenen Land gut ausgebildeten internationalen Studenten im Arbeitsmarkt übernimmt, hält die Bürokratie eine zusätzliche Tücke bereit: Saleh darf zwar in den USA angestellt werden, jedoch nicht so einfach ein- und ausreisen. Neben der Arbeitserlaubnis muss er dafür nämlich den Status seines Visums ändern. Doch das geht nur im Ausland. Er müsste also wieder zur US-Botschaft in Pakistan. Ob diese ihm ein Visum ausstellt, nur weil er eine Arbeitserlaubnis hat, ist längst nicht garantiert. Ein Freund von ihm, erzählt Saleh, war in Harvard, fand nach dem Master eine Stelle und flog zurück, um sich um das entsprechende Visum zu kümmern. Der ganze Prozess zog sich so lang, dass er mehr als ein Jahr auf die Papiere warten musste. Die Firma konnte oder wollte nicht so lange warten – sie zog das Jobangebot zurück.

Saleh möchte nicht, dass ihm das gleiche Schicksal widerfährt. Zuviel hat er investiert, zu hart hat er gearbeitet, zu riskant erscheint es ihm, für diesen einen Behördengang mit unvorhersehbarem Ausgang alles aufzugeben. Seit fast drei Jahren hat er die USA deshalb nicht verlassen, seine Eltern in Pakistan bisher nicht wiedergesehen. Er vermisst seine Familie und seine Freunde, berichtet Saleh. Seine Arbeitserlaubnis gilt für drei Jahre, zweieinhalb hat er noch, dann kann sie verlängert werden. Ob er es in der Zwischenzeit wagt, nach Pakistan zurückzukehren, um den Visa-Antrag auszufüllen – er weiß es noch nicht.

Nach Amerika zu kommen, ist nicht einfach. Dort Fuß zu fassen, ist noch viel schwieriger.