Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 1 Stunde 20 Minute
  • Nikkei 225

    37.634,14
    -825,94 (-2,15%)
     
  • Dow Jones 30

    38.460,92
    -42,77 (-0,11%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.965,34
    -2.316,38 (-3,72%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.387,62
    -36,48 (-2,56%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.712,75
    +16,11 (+0,10%)
     
  • S&P 500

    5.071,63
    +1,08 (+0,02%)
     

Vorwürfe gegen Amazon: Nicht mal Zeit für die Toilette?

Amazon sieht sich mit einer brisanten Anschuldigung konfrontiert: Offenbar stehen seine Fahrer so sehr unter Zeitdruck, dass sie sich in ihren Fahrzeugen erleichtern müssen.

Amazon sieht sich mit einer brisanten Anschuldigung konfrontiert. (Symbolbild: Getty Images)
Amazon sieht sich mit einer brisanten Anschuldigung konfrontiert. (Symbolbild: Getty Images) (400tmax via Getty Images)

Amazon wird den schlechten Ruf, was Gehälter und Arbeitsbedingungen seiner Mitarbeiter angeht, nicht los. Nun ist der Online-Versandhändler mit einer weiteren brisanten Anschuldigung konfrontiert: Offenbar stehen die Paket-Auslieferer so sehr unter Zeitdruck, dass sie im Dienst nicht anders können, als sich in ihren Fahrzeugen zu erleichtern.

Das Thema hatte der US-Politiker und Parlamentsabgeordnete Mark Pocan gestern in einem Kommentar auf Twitter angesprochen. "Den Mitarbeitern 15 Dollar/Stunde zahlen macht dich [Amazon] nicht zu einem 'fortschrittlichen Arbeitsplatz'", schreibt der Demokrat und kommt im selben Satz auf weitere Problem zu sprechen: Der Konzern wolle verhindern, dass seine Mitarbeiter einer Gewerkschaft beitreten. Und: Die Fahrer urinierten in Wasserflaschen.

Schwieriges Verhältnis: Amazon und Mitarbeiter

Mit seinem Tweet kommentiert Pocan die Aussagen des Amazon-Managers Dave Clark im Zusammenhang eines geplanten Treffens zwischen dem Politiker Bernie Sanders und Amazon-Mitarbeitern in Birmingham im US-Bundesstaat Alabama. Der demokratische US-Senator unterstützt die Bestrebungen der Lagerarbeiter, der Gewerkschaft Retail, Wholesale and Department Store Union (RWDSU) beizutreten. Bis Ende März wollen sie in Bessemer, einem Vorort von Birmingham, darüber abgestimmt haben.

Amazon sind die Gewerkschaftspläne ein Dorn im Auge. Um das Vorhaben zu unterbinden, betreibt der Konzern so genanntes "Union Busting", antigewerkschaftliche Maßnahmen also. Gleichzeitig ist er bemüht, den Umgang mit seinen Mitarbeitern ins rechte Licht zu rücken. So sind auch die Aussagen von Dave Clark hinsichtlich Sanders' Besuch in Bessemer zu verstehen. Man schätze den Einsatz des Politikers für einen "fortschrittlichen Arbeitsplatz" bei Amazon, schreibt er auf Twitter. Nur biete der Konzern das seinen Mitarbeitern schon, denn Amazon sei der "Bernie Sanders unter den Arbeitgebern".

WERBUNG

Lesen Sie auch: Die Geschichte hinter dem Bernie-Sanders-Handschuh-Hype

Amazon dementiert Toiletten-Problem

Ähnlich reagiert Amazon auf die neuesten Vorwürfe: Das Toilettenproblem gibt es nicht. Die Anschuldigungen Pocans weist der Konzern entsprechend zurück. "Sie glauben doch nicht wirklich die Sache mit dem Pinkeln in die Flaschen, oder?", schreibt Amazon News auf Twitter. "Wenn das wahr ist, dann würde doch niemand für uns arbeiten". Die Wahrheit sei vielmehr, dass Amazon "mehr als eine Million unglaublicher Mitarbeiter auf der ganzen Welt" habe, die stolz auf ihre Arbeit seien.

Das Problem des Dementis: Es steht auf recht wackeligen Füßen. Denn etliche Aussagen von Betroffenen wie auch schriftliche Belege strafen die Behauptungen des Konzerns offenbar Lügen. So beruft sich die Nachrichten-Organisation The Intercept auf Amazon-Mitarbeiter, denen zufolge die Anschuldigungen der Wahrheit entsprechen. Das Problem sei nicht nur weit verbreitet, heißt es, es sei dem Management auch bekannt. Auf Meetings, Unterlagen und E-Mails werde es immer wieder angesprochen.

Eines der Dokumente liegt The Intercept vor. In der "Liste der Verstöße und Mängel" werden Handlungen wie "öffentliches Urinieren", "öffentliche Defäkation" und "öffentliche Unanständigkeit" in der Rubrik "unprofessionelles Verhalten" aufgeführt.

Amazon auf verlorenem Posten

Das Nachrichten-Magazin zitiert auch aus der E-Mail eines Logistik-Managers von Amazon, in der sich die Vorwürfe bestätigt finden. Darin heißt es: In den letzten drei Monaten hätten mehrere Fahrer Taschen mit Exkrementen "in die Station" zurückgebracht. Außerdem sei zuletzt "ein Anstieg aller Arten von unhygienischem Müll in den Taschen festgestellt worden: gebrauchte Gesichtsmasken, Handschuhe, Urinflaschen."

Zahlreiche Amazon-Fahrer berichten von Zeitdruck bei der Paketauslieferung. (Symbolbild: Getty Images)
Zahlreiche Amazon-Fahrer berichten von Zeitdruck bei der Paketauslieferung. (Symbolbild: Getty Images) (400tmax via Getty Images)

The Intercept beruft sich auch auf eine ehemalige Fahrerin, die über eine Partnerfirma für Amazon ausgeliefert hatte. Sie sagt, das Problem gebe es deshalb, weil die Mitarbeiter "implizit gezwungen" würden, in Flaschen und sonstige Behälter zu urinieren und zu koten. Andernfalls würden sie "ihren Job verlieren wegen zu vielen 'nicht gelieferter Pakete'".

Zahlreiche weitere Mitarbeiter und Betroffene berichten Ähnliches. Auf Online-Plattformen wie reddit und Twitter wie auch in E-Mails an diverse Medien sprechen sie von ihren Erfahrungen, die sie vielfach mit Bildaufnahmen belegen. Stellvertretend sei die Aussage eines Fahrers zitiert, die ebenfalls The Intercept vorliegt: "Jeden Tag muss ich während meiner Schicht für die Toilette eine Flasche benutzen", heißt es in der E-Mail, "um meine Route pünktlich zu beenden."

Es scheint also etwas dran zu sein an Pocans und etlichen anderen Anschuldigungen. Amazon müsste folglich anders mit dem Problem umgehen, als es abzustreiten. Auch hat der Konzern zu erklären, warum er das "unprofessionelle Verhalten" der Fahrer anscheinend missbilligt und doch nichts dagegen unternimmt, es also toleriert.

Im Video: Für Ein-Tages-Lieferung: Amazon baut gewaltig aus