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Aufrichtige Entschuldigungen: Wie oft kommen sie in der Politik vor?

Entschuldigungen kommen Politiker*innen kaum über die Lippen. Vielleicht, weil sie als Schwäche ausgelegt werden könnten. Angela Merkel hat jetzt aber gezeigt, wie eine ernstgemeinte Entschuldigung aussieht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) entschuldigt sich im Bundestag für die übereilig getroffenen Oster- und Lockdown-Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz. Foto: Kay Nietfeld / dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) entschuldigt sich im Bundestag für die übereilig getroffenen Oster- und Lockdown-Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz. Foto: Kay Nietfeld / dpa (Kay Nietfeld/dpa)

Eine Politikerin, die Verantwortung übernimmt: Angela Merkel hat nur zwei Tage nach der Entscheidung von Bund und Ländern, die Osterfeiertage als sogenannte Ruhezeit zu deklarieren, alles wieder kassiert. Mehr noch, sie hat sich entschuldigt. Die Idee des Oster-Shutdowns sei zwar mit bester Absicht entworfen worden, dennoch sei sie ein Fehler gewesen: "Ich bitte alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung. Um es klipp und klar zu sagen: Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler", sagte sie in einer Ansprache am Mittwoch. Zu kurzfristig, zu Hauruck, zu wenig Nutzen für den Aufwand. Merkel führte noch an, sie wisse, dass der gesamte Vorgang zusätzliche Verunsicherung auslöse und sie das zutiefst bedauere.

Entschuldigung ein "Lichtblick"

Entschuldigungen kommen Politier*innen nur schwer über die Lippen, dabei machen sie Fehler wie jede*r andere auch. Vielleicht, weil die Sorge zu groß ist, Entschuldigungen als Schwäche ausgelegt zu bekommen. Deshalb ist es auch so außergewöhnlich, wenn die Bundeskanzlerin als Regierungschefin die Schuld für eine Entscheidung von Bund und Ländern voll und ganz auf sich nimmt. Dafür hat sie Wertschätzung verdient, kommentiert die Tagesschau und nennt die Worte Merkels einen "Lichtblick". Der Spiegel nennt sie "tapfer".

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Bodo Ramelow kann es auch

Wann gab es zuletzt so eine aufrechte Entschuldigung in der Politik? Tatsächlich erst Anfang Januar: Damals übernahm der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, die Verantwortung für sein Corona-Management. Er sagte in der Sendung von Markus Lanz: "Ich habe mich von Hoffnung leiten lassen, die sich jetzt als bitterer Fehler zeigt." Damit meinte er seine Weigerung zu einem erneuten Lockdown im Oktober. Er wollte keine Schulen schließen und keine Kitas, obwohl die Bundeskanzlerin eindringlich dafür warb. Wenig später stiegen vor allem in Thüringen die Inzidenzwerte rapide an. Ramelow sagte: "Angela Merkel hat recht und ich unrecht gehabt. Es war keine falsche Beratung. Es war der menschliche Versuch, zu glauben, den leichteren Weg gehen zu können."

Historische Entschuldigungen

Eine der historisch größten und wichtigsten Entschuldigungen hat Willy Brandt vorgebracht - und das ohne ein Wort zu sagen. Er fiel 1970 in Warschau auf die Knie, um für die Kriegsverbrechen Deutschlands im Zweiten Weltkrieg um Verzeihung zu bitten. Die Demutsbekundung überraschte nicht nur die Gastgeber*innen und die Öffentlichkeit, es waren wohl auch weder Brandts Delegation, noch seine engsten Mitarbeiter*innen informiert gewesen.

Seit den 1990ern, schreibt der Deutschlandfunk, gab es vermehrt solche großen Entschuldigungen für Taten vorangegangener Generationen. US-Präsident Bill Clinton entschuldigte sich etwa für den Sklavenhandel, Königin Elisabeth II. für die Unterdrückung der Maori in Neuseeland, die Schweiz für die Einlagerung von Nazi-Gold, Papst Franziskus für Mordbefehle an Ketzern.

So geht eine richtige Entschuldigung

Doch Entschuldigungen für eigene Taten vorzubringen, das ist in der Politik weiterhin selten. Ebenfalls im Deutschlandfunk erklärt der Friedensforscher an der Universität Potsdam, Stefan Engert, den Zweck der politischen Entschuldigung: So wollen sich Täter*innen als geläutert darstellen oder Opfer und Gesellschaft äußern den Wunsch nach einer Entschuldigung.

Entschuldigungen seien somit wichtige Gesten, um Versöhnung zu ermöglichen. Deshalb bestehe eine "richtige Entschuldigung" auch aus Schuldanerkenntnis, Reue, Wiedergutmachung und dem Versprechen, nie wieder ein entsprechendes Unrecht zu begehen.

Gemessen an diesen Kriterien haben Merkel und Ramelow - auch wenn es in den beiden Fällen nicht um Unrecht, sondern eher um Fehler geht - vieles richtig gemacht, die meisten Entschuldigungen von Politiker*innen in der jüngeren Vergangenheit greifen aber zu kurz. So hat beispielsweise gleich zu Beginn der Coronavirus-Pandemie Gesundheitsminister Jens Spahn eine vorsorgliche Entschuldigung ausgesprochen. Er sagte nach einer Sitzung des Gesundheitsausschusses: "Wir werden viel verzeihen und Verständnis miteinander haben müssen."

Zeichen von Größe

Aufrichtige Entschuldigungen aber, Verantwortung für die eigenen Taten übernehmen - beides ist weiterhin eine Seltenheit. Dabei könnte es auch als Zeichen von Größe verstanden werden. Doch das würde eine gelebte und ausgeprägte Fehlerkultur in der Politik voraussetzen. Und die gibt es nicht.

Deshalb bleibt am Ende die Frage: Hätte sich Angela Merkel zu so einem Schritt auch mitten in ihrer politischen Karriere und nicht Monate vor dem beschlossenen Ende entschlossen?

Im Video: Merkel stoppt Corona-"Osterruhe": "Einzig und allein mein Fehler"