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"Aufnahmen, die an Grausamkeit kaum zu überbieten sind": ARD-Recherche deckt Tiertransport-Skandal auf

Wenn schon hartgesottene TV-Journalisten kaum hinsehen können: "Das ist mit das Schlimmste, was die Redaktion bislang an Tierschutzverletzungen zu Gesicht bekommen hat. Die Bilder können wir deshalb nur zum Teil zeigen", hieß es in einer harten, kaum ertragbaren TV-Reportage zum Thema Tiertransporte.

Wer diese Bilder gesehen hat, konnte kaum noch Schlaf finden: Der Filmemacher Edgar Verheyen berichtete in seiner am späten Montagabend gesendeten Reportage "Die Story im Ersten: Tiertransporte gnadenlos - Viehhandel ohne Grenzen" von ungeheuerlichen, ja skandalösen Verstößen gegen das Tierrecht. Einige der Aufnahmen waren an Widerwärtigkeit kaum zu überbieten. Doch eigentlich müsste bei solchen Beiträgen jeder ganz genau hinsehen, denn was hier gezeigt wurde, geht alle an: Der Film verfolgte scheinbar alltägliche Tiertransporte durch ganz Europa, die es nach geltendem EU-Recht gar nicht geben darf.

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Die Reise führte zu Schauplätzen in Nordafrika, Russland, in den Nahen Osten und über tausende Kilometer sogar bis nach Zentralasien. Der mehrfach ausgezeichnete ARD-Filmemacher hat solche Transporte gemeinsam mit Tierschützern begleitet. Er hat dabei nicht nur grausame Zustände dokumentiert, er fragte auch nach den Ursachen, konfrontierte Politiker in Brüssel und Berlin sowie Verantwortliche in Industrie und Landwirtschaft. Mehr als 30.000 Rinder werden jedes Jahr angeblich zu Zuchtzwecken in Länder außerhalb der EU exportiert. Viele von ihnen finden jedoch eine andere, grausame Verwendung, und wie so oft in solchen Fällen, will keiner etwas davon mitbekommen. Tierschutzexperten wie Iris Baumgärtner von der Organisation Animal Welfare Foundation beklagen, dass der Tierschutz bei solchen Exporten kaum zu überprüfen sei. Und darum fände er so gut wie nicht statt.

"Das ist weniger als Abfall"

Was mit den Tieren geschieht, scheint in der Tat nicht leicht nachzuvollziehen - offenbar auch nicht für einige, die direkt in den Verwertungsprozess involviert sind. Gleich zu Beginn wurde ein verdutzter Bauer aus dem Allgäu damit konfrontiert, dass seine Bullenkälber, die er nach eigener Überzeugung eigentlich für eine regionale Weiterzucht abgegeben hatte, nach einem qualvollen Transport ohne Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhezeiten schließlich in Katalonien ausgeladen wurden. Das zuständige Veterinäramt verweist auf vorschriftsmäßige Kontrollen und will davon nichts weiter mitbekommen haben.

Das Problem sitzt aber wohl ohnehin viel tiefer. Wie der Landwirt erklärt, gebe es hierzulande praktisch keinen Markt für Bullenkälber. Während mit Buntvieh vielleicht noch 150 Euro pro Kalb zu erzielen seien, bringe Schwarzvieh nur "null bis zehn Euro" ein: "Das ist weniger als Abfall", sagt der Mann nüchtern. Kalbfleisch werde in Deutschland kaum mehr nachgefragt, weiß der Bauer, der beteuerte, er habe nicht gewusst, dass die Tiere bis nach Spanien transportiert würden.

Eigentlich ein Skandal für sich. Doch die Geschichte war in Katalonien, dem Zentrum der spanischen Kälbermast, noch lange nicht zu Ende. Im Hafen in Tarragona war zu sehen, wie die Tiere aus der gesamten EU nach Afrika und in den Nahen Osten verschifft werden. Zu welchem Zweck und unter welchen Bedingungen? - Ein Tierexporteur war bereit, dem deutschen Filmemacher einige Fragen zu beantworten. Er exportiere in beinahe alle arabischen Staaten, und die Tiere, darunter tausende aus Deutschland, wusste er zu berichten, landen immer im Schlachthof.

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Wie es auf einem solchen Schiff mithin zugeht, zeigten Aufnahmen, die Tierschützerin Iris Baumgärtner heimlich auf der 55 Jahre alten "Karim Allah" drehte. Die Bilder zeugen von furchtbaren Missständen an Bord. Zu sehen waren auch Fotos, die belegten, dass tote Tiere per Ladekran im Meer entsorgt werden. Damit konfrontiert, sprach der Exporteur im Interview nur trocken vom "Gesetz der Natur" - als wäre es das Normalste der Welt. Dabei ist diese Art der Kadaverentsorgung strengstens untersagt. In Israel stehen Strandbesucher immer wieder vor toten Kälbern und Kühen, die von der Strömung an den Strand gespült wurden.

Dinge, die man nicht schreiben, nicht aussprechen kann

Starker Tobak bis hierhin, doch es wurde noch heftiger. Gut möglich, dass nun in Folge der Ausstrahlung auch darüber diskutiert wird, ob all die Bilder von den geschundenen Kreaturen dem Publikum überhaupt zuzumuten sind. Aber natürlich darf und muss investigativer Journalismus hart und schonungslos sein, wenn er wirken soll. Und Verheyen will mit seiner Arbeit etwas erreichen. Wie schon 2014, als Verheyens und Monika Anthes' Film "Gequält, totgeschlagen und weggeworfen - das Leid in Deutschlands Ferkelfabriken" die Gemüter erhitzte, setzt er mit seinem Beitrag ein massives Zeichen gegen das Wegsehen. Wobei das Hinsehen auch diesmal wehtat.

An einer Stelle im Film ist sogar explizit die Rede von "Aufnahmen, die an Grausamkeit kaum zu überbieten sind". Es waren Bilder, die der Redaktion von Aktivisten der deutschen Organisation Animals Angels aus Häfen und Viehmärkten im Nahen Osten sowie aus Marokko zugespielt worden seien, hieß es, dazu wurde erklärt: "Das ist mit das Schlimmste, was die Redaktion bislang an Tierschutzverletzungen zu Gesicht bekommen hat. Die Bilder können wir deshalb auch nur zum Teil zeigen." Zu sehen war, wie aus Deutschland kommende Rinder und sogar Milchkühe, die ausschließlich für den Zuchtbetrieb hätten exportiert werden dürfen, massakriert und geschächtet werden. Den Tieren wird auf brutalste Art bei lebendigem Leib die Halsschlagader durchgeschnitten. Und noch mehr ... Dinge, die man nicht schreiben, nicht aussprechen kann.

Unsagbar auch die Verhältnisse auf den Tiertransporten nach Zentralasien. Tierschützer machten in eisiger Kälte bei Smolensk an der weißrussisch-russischen Grenze heimlich Aufnahmen von Lastwagen, die jeweils mehr als 30 hochträchtige deutsche Kühe aus Brandenburg an Bord hatten. Ziel der Reise: Usbekistan - bis dahin sind es von Smolensk noch mehr als 4.000 Kilometer. Der Export, hieß es, solle angeblich dem Aufbau einer Zucht dienen ... Helena Bauer und ihre Mitstreiter von Animal Angels blieben dran, zeigten, wie vermeintliche Versorgungsstellen entweder nicht angefahren werden oder gar nicht existieren, und wie die Tiere am Ende vollkommen erschöpft in ihren Exkrementen liegen.

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Aus Deutschland stammende Kälber, die in Spanien intensiv gemästet und dann gegen jede Rechtslage weiter nach Afrika und in den Nahen Osten zur grausamsten Schlachtung exportiert werden; Milchkühe, reine Zuchttiere, die auf illegalen Wegen ein brutales Ende in nordafrikanischen Schlachthöfen finden; Muttertiere, die tausende Kilometer durch die eisige Kälte im winterlichen Russland transportiert werden? - Warum ist all das möglich? - Wie so oft bei derartigen Skandalen ist die Antwort recht einfach: weil es vor Ort meist keine tauglichen Gesetze zum Schutz der Tiere gibt - und weil das Ganze ein Riesengeschäft ist, bei dem die Profiteure auch in der EU und nicht zuletzt auch Deutschland sitzen. "Tiertransporte dieser Art müssen ein Ende haben", lautete der eindringliche Appell am Schluss des Films.

Was wir damit zu tun haben

Der drastische Beitrag verfehlte seine Wirkung auch deshalb nicht, weil er, wie eigentlich immer, wenn es heutzutage in einschlägigen Recherchen um die Zusammenhänge von Tierwohl und Fleischproduktion geht, deutlich vor Augen führte, wie groß das Problem wirklich ist und dass hinter den Missständen längst eine perfide Systematik steckt.

Der aufrüttelnde Film zeigte nicht nur mit dem Finger auf ein paar schwarze Schafe, sondern die Auswüchse komplexer globaler Fehlentwicklungen, die vermutlich nicht mehr so einfach zu stoppen sind und mit uns allen als Gesellschaft, aber fraglos auch mit jedem einzelnen Konsumenten zu tun haben.

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