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Die Aufbauhilfe für Ostdeutschland wirkt

Seit 2017 ziehen mehr Menschen von Westdeutschland in die neuen Länder als umgekehrt. Die Arbeits- und Lebensbedingungen sind aber immer noch schlechter als in Westdeutschland.

Präsident des Handelsblatt Research Institute Foto: dpa
Präsident des Handelsblatt Research Institute Foto: dpa

„Ein Kessel Buntes“. „Vertane Chance“. „Teuer, Mutlos, Nutzlos“. So und so ähnlich lauteten die Urteile über das – nach zähen und schlafraubenden Verhandlungen – beschlossene Klimapaket der Bundesregierung. Dieses am Mittwoch dann vom Bundeskabinett abgesegnete Paket besteht aus 66 Einzelpunkten in sieben Bereichen:

  • Schrittweise Verteuerung von Diesel, Heizöl und Erdgas

  • in Verbindung mit einer moderaten Anhebung der Pendlerpauschale zur sozialen Abfederung.

  • Subventionierung einer Modernisierung alter Ölheizungen bei gleichzeitigem Verbot des Einbaus neuer Ölheizungen ab 2026.

  • Ermäßigter Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auch für den Bahnfernverkehr

  • bei gleichzeitiger Anhebung der Luftverkehrsteuer ab dem 1.1.2020.

  • Senkung der EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms zur Entlastung von Bürgern und Firmen.

  • Etablierung einer nationalen Bepreisung von CO2-Emissionen für die Sektoren Wärme und Verkehr: Start mit einer CO2-Steuer von 10 Euro pro Tonne im Jahr 2021, die bis 2025 auf 35 Euro ansteigt und Wechsel zu einem Zertifikate-Handelssystem 2026.

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Dieses Kompromisspapier wurde von der Presse wie von der Wissenschaft – salopp formuliert – verrissen. So verstieg sich der Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, zu der harschen Aussage: „Das Eckpunktepapier ist ein klares Politikversagen. Wir brauchen jetzt keine politischen Kompromisse, sondern Reduktionen.“

Dieser Verriss seitens eines anerkannten Wissenschaftlers lässt einerseits dessen Sehnsucht nach einem „weisen Diktator“ und damit eine Skepsis gegenüber der demokratischen Willensbildung in einer pluralistischen Gesellschaft erkennen. Aber andererseits hat Edenhofer zweifellos recht mit seiner Annahme, dass mit diesem Reformpaket die selbstgesetzten Klimaschutz-Ziele der amtierenden Bundesregierung bis 2050 nicht zu erreichen sind.

Dennoch wird man dem Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz recht geben müssen, der im Gespräch mit der „FAZ“ bemerkte, dass sich nicht wenige Oppositionspolitiker, Wissenschaftler und Journalisten vorgenommen hätten, „die Ergebnisse schlecht zu finden, bevor sie bekannt waren“.

In der Tat, man sollte dieses Maßnahmenbündel nicht zu geringschätzen, denn dieser Kompromiss gewährleistet nicht nur den Fortbestand der derzeitigen Großen Koalition. Er dürfte auch zur Folge haben, dass es auf absehbare Zeit keine Bundesregierung mehr geben wird, die sich diese im internationalen Vergleich durchaus anspruchsvollen Reduktionsziele der Treibhausgase nicht zu eigen machen wird.

Darüber hinaus begann diese Woche wie die letzte endete – mit Meldungen zu sich eintrübenden Konjunkturerwartungen. So gingen die Einkaufsmanagerindizes für den Euroraum markant zurück. Der für die Industrie des Eurogebiets erhobene Index fiel von 47,2 auf 45,6 und entfernte sich damit weiter von der „neutralen“ 50er Marke.

Getrieben wurde diese unerfreuliche Entwicklung maßgeblich von der deutschen Industrie; denn hier ist der Einkaufsmanagerindex auf 41,4 zurückgegangen, den niedrigsten Wert seit Mitte 2009. Im Klartext bedeutet dies, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Währungsgemeinschaft die industrielle Produktion zurückgefahren wird. Und es ist nicht überraschend, dass diese Krise der Industrie zunehmend stärker auf den Dienstleistungssektor durchwirkt. Denn auch der Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungsbereiches ist deutlich rückläufig.

Das nahezu zeitgleich veröffentlichte Ifo-Geschäftsklima bestätigte bei genauerem Hinsehen diese skeptischen Erwartungen. Zwar verbesserte sich die Einschätzung der aktuellen Lage. Doch die Erwartungen für die kommenden sechs Monate sackten weiter von 91,3 auf 90,8 Punkte ab. Allianz-Research sieht nun eine „erhöhte Rezessionsgefahr auch für 2020“.

Diese Skepsis wird vom Konjunkturteam des HRI geteilt. Denn in der heute erschienenen neuen Konjunkturprognose unseres Instituts wird für 2019 ein Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Leistungen der deutschen Volkswirtschaft von gerade einmal 0,3 Prozent vorausgesagt und für 2020 nicht mehr als 0,6 Prozent.

Und bei diesen 0,6 Prozentpunkten muss man wissen, dass das nächste Jahr fast vier Arbeitstage mehr hat, was für sich genommen einen Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Leistung von knapp 0,4 Prozentpunkten entspricht. „Das, was zunächst wie ein zeitlich begrenzter Abschwung aussah, wird nun wohl doch länger anhalten“, sagte OECD-Chefökonomin Laurence Boone im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Am Dienstag erlitt der britische Premierminister Boris Johnson, der hochgebildete europäische Bruder im Geiste von Donald Trump, die bislang schwerste Niederlage seines politischen Lebens. Das mit elf Richterinnen und Richtern besetzte oberste Gericht Großbritanniens, der Supreme Court, erklärte die von Johnson verhängte Zwangspause des Parlaments für rechtswidrig und hob sie mit sofortiger Wirkung auf.

Die Begründung: Die Zwangspause habe die Abgeordneten in extremer Weise an der Ausübung ihres Auftrags gehindert. Johnson ließ sich mit den Worten zitieren: „Ich widerspreche dieser Entscheidung des Supreme Courts nachhaltig.“ Aber dann fügte er beflissentlich an, dass er diese Entscheidung respektieren und auf Neuwahlen drängen werde.

Apropos Donald Trump: Vielleicht hätte ihm nichts Besseres widerfahren können, als das von Nancy Pelosi, der Chefin der der demokratischen Oppositionspartei, am Mittwoch gegen ihn eingeleitete Amtsenthebungsverfahren. Es geht um ein ihn angeblich kompromittierendes Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensky und Trumps Versuche, den jungen und politisch wenig erfahrenen Präsidenten dieses Landes in seinem angelaufenen Wahlkampf um eine Wiederwahl zu instrumentalisieren. Trump sieht das völlig anders und ließ prompt das zuvor als hoch vertraulich klassifizierte Protokoll des Telefonats veröffentlichen. Dessen Inhalt deutet darauf hin, dass die massiven, gegen ihn erhobenen Vorwürfe in sich zusammenfallen dürften. Sollten sich die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen nicht erhärten lassen, dann wird Donald Trump gestärkt in die heiße Phase der Präsidentschaftswahlen treten und seine Wiederwahl dürfte zu einem Selbstläufer werden.

Wie es in Großbritannien weitergehen wird, darüber kann man nur spekulieren. Dass es schnelle Neuwahlen geben wird, ist höchst unwahrscheinlich. Genauso unwahrscheinlich ist es, dass Großbritannien die EU zum 31. Oktober dieses Jahres verlassen wird. Als sicher dagegen dürfte gelten, dass das Land die EU verlassen wird, sobald mit der EU-Kommission eine Alternative zum „Backstop“ ausgehandelt wurde.

Und nicht weniger sicher dürfte sein, dass Boris Johnson bei der danach stattfindenden Neuwahl mit großer Mehrheit zum neuen Premierminister gewählt werden dürfte. Denn es wird gerne verdrängt, dass mit der Ernennung Johnsons zum Premierminister im Juli die Umfragewerte für die von ihm geführten Tories deutlich gestiegen sind und die Konservativen derzeit satte acht Prozentpunkte vor der kopf- und konzeptlosen Labour Party liegen.

Am 9. November 1989, also vor nahezu 30 Jahren, fiel die Mauer, und am 3. Oktober 1990 trat die DDR der Bundesrepublik Deutschland bei. Nach wie vor gibt es große wirtschaftliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, etwa in punkto Wirtschaftskraft, Einkommen und Karrieremöglichkeiten. In letzter Zeit konnte man den Eindruck gewinnen,
dass das damit verbundene Gefühl vieler Ostdeutscher, Bürger zweiter Klasse zu sein, eine Folge der von Westdeutschland bestimmten Politik sei.

Der am Mittwoch vorgestellte Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit räumt mit diesen Vorurteilen recht gründlich auf. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung Christian Hirte brachte es – überspitzt, aber nicht falsch – auf den Punkt: In Tat und Wirklichkeit hätte es einen massiven Aufholprozess gegeben, wie ihn die meisten Ökonomen für unwahrscheinlich erachtet hätten.

„Dass der Osten heute wirtschaftlich schlechter aufgestellt ist als der Westen, liegt nicht an der Situation ab 1990, sondern daran, dass die DDR wirtschaftlich marode war“, sagte Hirte. Und er fügte hinzu, dass viele Bürger der neuen Länder „das Pech hatten, 40 Jahre auf der falschen Seite gestanden zu haben“.

Im Übrigen würden seit 2017 mehr Menschen von Westdeutschland in die neuen Länder ziehen als umgekehrt. Hirte weiß zumindest ungefähr, wovon er redet. Er stammt aus Thüringen, war allerdings erst 13 Jahre alt, als die Mauer fiel. Dezidierter Widerspruch zu seinen prononcierten Aussagen ist vorprogrammiert.

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