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Arndt Kirchhoff: „Ohne Kaufanreize kommt es zu Entlassungen“

Der geschäftsführende Gesellschafter der Kirchhoff-Gruppe über die Grenzen der Kurzarbeit, den Hebel der Autoindustrie und den Optimismus der Unternehmer.

In der Diskussion um Kaufanreize plädiert Arndt Kirchhoff, geschäftsführender Gesellschafter der Kirchhoff-Gruppe, VDA-Vize und Chef der Unternehmer NRW sowie von Metall NRW, vehement für Konjunkturhilfen, Kaufprämien für Autos und andere Maßnahmen, um die Nachfrage wieder anzukurbeln. „Mir ist da jedes Mittel recht“, sagt der Unternehmer.

Er glaubt aber, dass die Autoindustrie mit den Zulieferern und insgesamt rund sechs Millionen Beschäftigten den größten Hebel biete – nicht nur hierzulande. Die europäischen Nachbarn profitierten ebenfalls davon. In der Autoindustrie kämen 60 Prozent der Vorleistungen aus der EU, beim Maschinenbau seien es sogar 70 Prozent. Beide Industrien seien besonders vernetzt in Europa. „Setzt Deutschland Impulse, springen die Produktionen in ganz Europa wieder an.“

Bislang ist es allerdings noch nicht gewiss, mit welchen Fördermaßnahmen die Wirtschaft rechnen kann. Erst im Juni wird darüber entschieden. Ökonomen wie der IfW-Präsident Gabriel Felbermayr oder die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hatten sich gegen Kaufprämien für Autos ausgesprochen.

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Selbst IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sieht Kaufprämien für Autos allenfalls als Bestandteil eines umfassenderen Konjunkturpaketes an. Wie stark aber die Einbrüche bei den Autozulieferern sind, zeigt sich bei Kirchhoff selbst: Der Absatz sei um 80 bis 90 Prozent eingebrochen. 66 Prozent der Mitarbeiter seien in Kurzarbeit, aber noch niemand entlassen. Ohne Kaufanreize aber, so sagt Kirchhoff, werde es Entlassungen geben müssen.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Kirchhoff, was ist momentan Ihre größte Sorge als Chef eines Autozulieferers?
Die Frage, wie wir zur neuen Normalität kommen. Dazu gehört vor allem, dass auch der Absatz wieder funktioniert. Das gilt aber nicht nur für uns und die Autozulieferer, sondern für alle Unternehmen. Es muss wieder gekauft werden.

Die Autobranche ruft so ungeniert und vehement nach Kaufprämien wie nie zuvor, obwohl sie sich zum Beispiel beim Thema Elektromobilität lange Zeit gelassen hat.
Die Stahlindustrie ist kurz davor, die Hochofen auszustellen, die Chemieindustrie liefert ebenfalls vieles an die Autoindustrie. Wir Autozulieferer bestellen nicht eine Maschine, wenn wir nicht sehen, dass es weitergeht. Und die Autohäuser, die nichts verkaufen, gehen ganz schnell pleite. Die Autoindustrie ist einfach der allergrößte Hebel. Davon hängen mehr als sechs Millionen Arbeitsplätze ab.

Die europäischen Nachbarn sehen das kritisch bis neidisch!
Aber sie profitieren auch davon. In der Autoindustrie kommen 60 Prozent der Vorleistungen aus der EU, beim Maschinenbau sind es sogar 70 Prozent. Beide Industrien sind besonders vernetzt in Europa. Setzt Deutschland Impulse, springen die Produktionen in ganz Europa wieder an. Dann brauchen die Länder auch keine Konjunkturprogramme dort. Deutschland hat ja mehr Geld für solche Programme.

Aber gesamtgesellschaftlich wäre eine Mobilitätsprämie doch besser.
Wir wollen gar nicht nur eine Kaufprämie für Autos, wir können gern Mobilität fördern. Wir haben auch vorgeschlagen, Ladestationen zu fördern. Aber bedenken Sie, wir haben erst 43 Prozent grünen Strom hierzulande. Das muss man bei der Klimabilanz der Elektromobilität beachten. Insofern ist ein moderner Verbrenner oft besser.

Welche Alternativen zur Kaufprämie für Autos sehen Sie?
Auch ein zinsloser Kredit wäre eine Möglichkeit, es geht darum, dass die Menschen wieder etwas kaufen. Mir ist da jedes Mittel recht, damit man die Belastung gering hält.

Eine Autoprämie wäre auch ungerecht anderen Branchen gegenüber, die einen Einbruch von 99 Prozent verzeichnen und nicht auf Nachholeffekte hoffen dürfen.
Das stimmt. Wenn man hilft, dann muss man allen betroffenen Branchen helfen, und wir erkennen durchaus an, dass es Branchen gibt, denen es schlechter geht. Veranstaltung, Gastronomie, Handel und auch die Schausteller! Denken Sie nur daran, dass das Geld für eine Prämie ja nicht die Autoindustrie bekommt, sondern die Verbraucher.

Und dann werden vielleicht mit viel Glück Käufe etwas vorgezogen, die dann im Folgejahr wieder fehlen.
Das wissen wir in der Autoindustrie, und damit können wir umgehen. Viel wichtiger ist, dass es jetzt einfach mal losgeht.

Was passiert bei Kirchhoff, wenn es keine Kaufprämie für Autos oder Mobilität gibt?
Dann werden wir noch lange in diesem Zustand verharren. Bei uns sind 66 Prozent der deutschen Belegschaft in Kurzarbeit. Im Ausland ist es praktisch auch so. Wir haben Gott sei Dank niemanden entlassen, das ist ja das Gute an der Kurzarbeit. Aber es ist kein Instrument für die Ewigkeit.

Also ohne Kaufanreize drohen auf jeden Fall Entlassungen?
Ja. Das kann man so sagen.

Aber welcher Beschäftigte kauft sich ein Auto, wenn er sich in Kurzarbeit befindet? Derzeit geht die Bundesagentur für Arbeit von mehr als zehn Millionen Kurzarbeitern aus.
Genau das ist das Problem. Deshalb wollen wir Kaufanreize, damit wir die Leute rauskriegen aus der Kurzarbeit. Wenn sie in Kurzarbeit bleiben, dann konsumieren sie nicht. Und Konsum ist auch aus staatlicher Sicht sehr wichtig. Wenn mehr Menschen arbeiten und die Firmen wieder Umsätze generieren, kommen auch die Steuern wieder, wie Lohnsteuer, Umsatzsteuer, auch in den Kommunen die Gewerbesteuer. Verharren wir in der Kurzarbeit, finanzieren wir Sozialsysteme. Und das geht auch nicht ewig.

Sie meinen, weil wir die Wirtschaft wieder hochfahren müssen?
Ja, die Bundesregierung hat es ja richtig gemacht. Nur so konnte man die Erfolge bei der Eindämmung der Pandemie erreichen. Das sieht doch jeder ein. Aber jetzt müssen wir zurück an die Arbeit und den Konsum anwerfen.

Wie stark war bei Ihnen der Einbruch?
Wir haben einen Rückgang des Absatzes von 80 bis 90 Prozent. Die Werke standen still bis auf wenige Mitarbeiter, die dafür gesorgt haben, dass die notwendigen Komponenten nach China geliefert werden konnten. Das waren aber nur zehn Prozent. Wir haben den Absatz in China gebremst, weil wir hier nicht liefern konnten.

Und warum sind dann nur 66 Prozent bei Kirchhoff in Kurzarbeit?
Wir müssen zukunftsfähig bleiben. Daher arbeiten wir in der Produktentwicklung und bei Digitalisierungsprojekten weiter wie bisher, wie im übrigen auch die Hersteller. Da wird gar nichts gestoppt. Die Zukunft findet statt. Deshalb geht auch unsere Entwicklungsarbeit für die Karosserien zukünftiger Elektrofahrzeuge uneingeschränkt weiter. Es gibt z. B. nicht nur völlig andere Bodengruppen, die jetzt geschützt die großen Batterien für den E-Motor aufnehmen müssen. Auch die Crashmanagementsysteme im Fahrzeugvorderbau müssen völlig anders konzipiert werden, da ja die Verbrennungsmotoren fehlen, die bei einem Unfall sonst einen großen Teil der Aufprallenergie aufnehmen.

Werden die chinesischen und amerikanischen Techfirmen die deutsche Autoindustrie abhängen?
Nein, aber es ist auch nach wie vor für die Mittelständler wichtig, den Netzausbau voranzutreiben. Das digitale Netz ist Voraussetzung für die Energie- und Mobilitätswende.

Also Sie arbeiten weiter an digitaler Transformation und Klimazielen?
Ja, wir arbeiten mit Hochdruck an den digitalen und klimaschonenden Transformationsprojekten. Wir haben auch bei modernen Verbrennungsmotoren einen richtigen Sprung bei der Reduzierung von CO2, Stickoxid und Feinstaub erreicht. Bei Stickoxid haben wir Reduzierungen um den Faktor sechs bis acht, bei Feinstaub um den Faktor drei bis vier erreicht. Was derzeit nicht funktioniert, sind die Produktion und der Verkauf.

Wird der Netzausbau durch die Coronakrise verlangsamt?
Da machen drei Monate nichts aus. Aber es muss natürlich jetzt weiter gehen. Sonst werden Mittelständler in den Regionen abgehängt.

Wie läuft die Produktion im Mai an?
Das lässt sich ganz langsam an. Wir sind derzeit bei 40 Prozent der Normalproduktion. Allerdings mit steigender Tendenz. Im Juni wollen wir 60 Prozent erreichen.

Werden Sie dieses Jahr noch eine Auslastung von 100 Prozent erreichen?
Wir bei Kirchhoff gehen davon aus, dass wir 100 Prozent erst im Herbst 2021 erreichen werden. Bei Bosch und Schaeffler geht man offenbar noch von einem späteren Zeitpunkt aus.

Blicken wir mal auf Ihre Werke weltweit: Wie sieht es da aus?
Alle Werke in Mexiko, den USA und Kanada stehen gerade still. Wir kämpfen dafür, dass der bis 1. Juni geplante Shutdown in Mexiko früher beendet wird. Da sonst die Werke in den USA und Kanada nicht anlaufen können, und in den USA soll es ja früher losgehen. Das gilt für alle Hersteller und Zulieferer.

Für die meisten Mittelständler ist Liquiditätssicherung die größte Herausforderung, das Geld fließt wöchentlich ab, klagen sie. Wie ist es bei Ihnen?
Die Sorgen machen wir uns nicht, wir als Familienunternehmen haben bereits vor drei Jahren damit begonnen, uns auf den drohenden Abschwung vorzubereiten, wir sind daher liquiditätsmäßig gut aufgestellt. Ich hoffe, das gilt für viele Mittelständler.

Wie lange können Sie durchhalten?
Das möchte ich nicht sagen.

Es wird erst im Juni entschieden, ob es Kaufprämien geben wird und für was …
Die Politik braucht schon ein bisschen Zeit, sie muss schauen, wo sie wirklich gebraucht werden, und wo es ungerechtfertigt ist.

Sind Sie als VDA oder Chef der Unternehmer NRW derzeit näher an der Politik als früher?
Die Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft war noch nie so eng. Wir treffen uns wöchentlich im Land und im Bund, das kann man nur loben. Und: Noch machen alle mit. Wir alle versuchen, dass es noch ein V wird mit der Konjunktur und kein L. Wir haben der Politik empfohlen, dass man Konjunkturprogramme auch rückwirkend machen kann. Also bekommen die Konsumenten einen Gutschein oder einen Rabatt.

Gerade hat eine Umfrage gezeigt, dass die deutschen Mittelständler trotzdem optimistisch sind. Wie erklären Sie das?
Stellen Sie sich vor, Unternehmer wären Pessimisten, dann könnte Deutschland einpacken. Die Verbraucher sind verständlicherweise gerade pessimistisch. Es ist unsere Aufgabe, dass sie wieder zur Arbeit kommen dürfen. Damit können wir das sichtbarste Zeichen für Zuversicht setzen.

Herr Kirchhoff, vielen Dank für das Interview.