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ARD und ZDF freuen sich über ihren Sieg in Karlsruhe zu früh

Die Freude stand dem ARD-Vorsitzenden ins Gesicht geschrieben. Ulrich Wilhelm hatte bei der Verkündigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts in der vergangenen Woche allen Grund dazu. Denn die Karlsruher Richter bestätigten die seit ihrer Einführung im Jahr 2013 umstrittene Haushaltsgebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

„Ich halte es für ein sehr gutes Urteil, ein wegweisendes Urteil, ein zukunftsweisendes Urteil“, freute sich daher der frühere Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel, der seit Jahresanfang die ARD führt. Und Malu Dreyer (SPD), rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, schickte gleich hinterher, dass die von den Karlsruher Richtern geforderte Korrektur der Rundfunkgebühr für Zweitwohnung „zügig“ angegangen werde.

Der als historisch gefeierte Sieg über die Kläger, darunter der Pullacher Autovermieter Sixt, ist zweifellos ein Meilenstein für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Denn es ist eine Art pekuniärer Freibrief. Eine wirkliche Überraschung stellt die Entscheidung der Verfassungsrichter nicht dar.

Auf Karlsruhe können sich ARD und ZDF seit einem halben Jahrhundert in jeder Lage verlassen. Die Verfassungsrichter haben sich stets als die treuesten Bündnisgenossen der Intendanten erwiesen.

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Ohnehin hat die Entscheidung unter Ferdinand Kirchhof, seit 2010 Vorsitzender des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts, einen fahlen Beigeschmack. Ferdinand Kirchhof ist nämlich der sieben Jahre jüngere Bruder von Paul Kirchhof, dem prominenten Kronzeugen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Paul Kirchhof schrieb im April 2010 im Auftrag der ARD, des ZDF und des Deutschlandradios ein „Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Dabei kam Paul Kirchhof zu der Auffassung, es sei rechtens, auch bei denen zu kassieren, die gar kein öffentlich-rechtliches Programm konsumieren.

Die bis heute umstrittene Haushaltsgebühr mit zuletzt knapp acht Milliarden Euro nahm ihren Lauf. Ein Befangenheitsantrag gegen Ferdinand Kirchhof scheiterte.

Doch womöglich kommt die Riesenfreude bei ARD, ZDF und Deutschlandradio und ihren politischen Unterstützern zu früh. Denn derzeit prüft auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rundfunkfinanzierung in Deutschland.

Die Richter auf dem Luxemburger Kirchberg entscheiden, ob es sich bei der deutschen Rundfunkgebühr nicht um eine unzulässige Beihilfe handelt. Noch steht nicht exakt fest, wann die Entscheidung exakt fällt. Doch in diesem Jahr wird der Richterspruch aus Luxemburg erwartet.

Viele in Europa verstehen deutsche Rundfunkgebühr als Steuer

Der Europäische Gerichtshof hat sich in seinen vielen Entscheidungen immer wieder als Hüter eines fairen Wettbewerbs in der EU ohne unzulässigen staatlichen Dirigismus erwiesen. Die enge Symbiose zwischen ARD und ZDF und den Bundesländern sind bereits seit Jahrzehnten auf der europäischen Ebene ein Zankapfel.

Mit seiner opulenten Finanzierung über eine steuerähnliche Rundfunkgebühr, die von allen Bürgern ohne Rücksicht auf die tatsächliche Fernseh-, Radio- oder Internutzung erhoben wird, rückt der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland zusehends ins Blickfeld. Viele in Europa verstehen die Rundfunkgebühr, wie sie in Deutschland erhoben wird als Steuer – auch wenn die Verfassungsrichter in der vergangenen Woche zu einem anderen Ergebnis gekommen sind.

Es wird daher sehr spannend werden, ob die Luxemburger Richter die umstrittene Rundfunkfinanzierung in Deutschland kippen. Wenn ja, wäre das Urteil quasi eine Stunde Null für ARD und ZDF.

Bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs trommelt die ARD auf den eigenen Plattformen für ihre Interessen. Dabei haben die Karlsruher Richter die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dazu verpflichtet, „ohne den Druck zu Marktgewinnen die Wirklichkeit unverzerrt darzustellen“, wie es Ferdinand Kirchhof, Vize-Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, bei der Urteilsverkündung in der vergangenen Woche formulierte. Die Praxis sieht bisweilen anders aus.

Beispielsweise berichtete das Bayern-5-Medienmagazin des Bayerischen Rundfunks am Sonntag über den Karlsruher Richterspruch in Form eines Interviews mit dem Medienjournalisten Daniel Bouhs. Die Macher der Sendung suggerieren einen scheinbar unabhängigen Fachmann. Tatsächlich steht der Interviewgast aber bei ARD und Deutschlandfunk in Lohn und Brot. Nach eigener Aussage verdient er sein Geld vor allem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Dieses Abhängigkeitsverhältnis wird dem Hörer des Bayerischen Rundfunks freilich verschwiegen. Kritiker der Entscheidung oder der Rundfunkgebühr tauchen in der Sendung des Bayerischen Rundfunks gar nicht auf.

Unverzerrter, wirklichkeitsnaher Journalismus, wie ihn Karlsruhe von den Rundfunkanstalten eindringlich einfordert, sieht anders aus.

Jede Woche schreibt Handelsblatt-Korrespondent und Buchautor Hans-Peter Siebenhaar seine Sicht auf die Kommunikationswelt auf.